Handwerk im Frühjahr vom 9. März 2002 - page 9

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Im Ehrenamt aktiv:
Jungmeister 2002
Von der
Wagnerei
in der
Kegelbahn bis zum
Sägewerk
Handwerkssenior Walter Lotz erzählt aus seinem Leben
Es ist spannend, ihm zuzuhören.
Die Augen blitzen, wenn er aus sei-
nem Leben erzählt. Und zu erzäh-
len hat er viel.Walter Lotz,Wagner-
und Karosseriebauermeister aus
Birlenbach, blickt auf 80 Lebens-
jahre zurück. Es waren glückliche,
aber auch entbehrungsreiche Zei-
ten.
Wenn er über die Holzverarbeitung
spricht, die über 100 Jahre das Le-
ben der Familie Lotz in drei Genera-
tionen bestimmt hat, bekommt seine
Stimme einen warmen Klang. Ein
kleines Kegelbahnhäuschen diente
seinem Großvater, dem Fir-
mengründer Heinrich Lotz, 1885 als
Werkstatt. Ein Jahr später baute er im
Garten einen Holzschuppen, wo er
das Holz lagern konnte. Entschei-
dend für denWagnerbetrieb Lotz war
die Einführung der Elektrizität in den
Jahren 1914/15. Der strapaziöse
Hand- und Fußbetrieb wich mehr und
mehr den elektrischen Maschinen.
Blick zurück
Mitte der 20er Jahre übernahm Fried-
rich Lotz die Wagnerei. Und auch
Walter Lotz setzte mit der Wagner-
lehre beim Vater die Handwerks-
tradition fort. Den ZweitenWeltkrieg
erlebte der damals 20-Jährige unter
anderem beim Fronteinsatz bei
Stalingrad, wo er amWolgastrand
verwundet wurde und mit der
JU-52 dem Kessel gerade noch
entkommen konnte. Es folgten
Einsätze an der Ostfront und in Ita-
lien. Dort kam er in Gefangenschaft.
Nach dem Krieg bestimmte das
Handwerk sein Leben. 1953 legte er
die Meisterprüfung im Wagner- und
Karosseriebauerhandwerk ab.
Der technische Umbruch der folgen-
den Jahre machte auch vor der
Wagnerei Lotz nicht halt. „Die Auf-
träge gingen immer stärker zurück“,
erinnert sich Walter Lotz. „Gummi-
bereifte Fahrzeuge, Traktoren und die
allgemein aufkommende starke Mo-
torisierung ließen unserem Hand-
werk immer weniger Entfal-
tungsspielraum.“
Im Zug der
Flurbereini-
gung in
Birlenbach,
Mitte der
6 0 e r
Jahre, er-
w a r b
Lotz ein
1 3 . 0 0 0
qm großes
Areal und
errichtete
darauf
ein Sägewerk mit geräumiger Halle
sowie ausreichenden Holzla-
gerstätten. Neben Schwellen für das
Schienennetz der Bundesbahn wur-
de jetzt auch Schnittholz unterschied-
licher Stärke eingeschnitten, das ver-
schiedensten Verwendungszwecken
im In- und Ausland diente.
Meisterbrief:
Krone der Ausbildung
„Meine positive Einstel-
lung, Zielstrebigkeit und der
Mut neue Wege zu gehen, haben
mir immer geholfen. Ich schaue stolz
zurück, weil ich einiges bewegt
habe“, schätzt Walter Lotz ein. Als
selbstständiger Wagner war Lotz 15
Jahre Innungsobermeister und Mit-
glied im HwK-Meisterprüfungsaus-
schuss. Jungen Meistern, die sich
selbstständig machen, rät er, den
Kopf nicht „in den Sand zu stecken,
wenn nicht gleich alle Blütenträume
reifen.“ „Der Meisterbrief steht für
Qualität. Er ist die Krönung der Lehr-
und Gesellenjahre. Dessen müssen
sich Jungmeister bewusst sein und
dies auch ausstrahlen. Das muss man
spüren“, sagt er.
Der rüstige Handwerkssenior sieht
auch nach vorn und hat noch einiges
vor. So denkt er daran, einen
Computerkurs zu besuchen und die
„Geheimnisse“ des Internets zu
entdecken. Ehefrau Hilde, seit
56 Jahren seine treue Weg-
begleiterin, lächelt dazu. Sie
kennt ihrenWalter, weiß, dass
er gemäß demSpruch, „Wer ra-
stet, rostet“, lebt. Noch heute ist
er sportlich aktiv bei den Jeder-
männern und in der Faustball-
gruppe. Seit 68 Jahren ist er Mit-
glied im Turnverein und seit 52
Jahren singt er imMännergesangs-
verein des Ortes.
Ein Leben mit
dem Hand-
werk: Hilde
Lotz undWalter -
oben im Bild als klei-
ner Junge mit seinem
Großvater Heinrich.
Als Unruheständler charakterisiert
sichOrthopädieschuhmachermeister
Bruno Pieper aus Neuwied. Der
61jährige bekam in diesen Tagen den
Verdienstorden des Landes Rhein-
land-Pfalz. Obwohl imRuhestand, ist
Bruno Pieper ständig unterwegs zu
Vorträgen, immer auf Achse. Wenn
Not am Mann ist, hilft er in seinem
Betrieb, den er 1968 übernommen
und im Mai 2001 in jüngere Hände
gegeben hat.
Bruno Pieper ist seit 1972 ehrenamt-
lich im Vorstand der Innung für Or-
thopädie-Schuhtechnik Mittelrhein-
Pfalz tätig. 1990 erfolgte seine Ernen-
nung zum Innungs-Obermeister. Zu-
gleich wurde er Vorstandsmitglied
des Bundesinnungsverbandes. Bis
heute ist er dort als beratendes Mit-
glied aktiv. In mühevoller Kleinarbeit
gelang es Bruno Pieper mit Herstel-
lern und Materialprüfungsanstalten
die für die Herstellung eines speziel-
len Sicherheitsschuhs notwendigen
Materialien zu entwickeln und zu tes-
ten. Insbesondere im Bau- und Aus-
baubereich erlangt der Sicher-
heitsschuh bei der Wiederein-
gliederung von Unfallverletzten in
den Arbeitsprozess zunehmend Be-
deutung.
Seit Beginn des Jahres 2001 wurden
bundesweit über 400 Meister fortge-
bildet, um in Zukunft diese Si-
cherheitsschuhe herstellen zu kön-
nen. Sie werden mit demCE-Zeichen
auf der Grundlage einer Zerti-
fizierung durch den Bundesinnungs-
verband hergestellt.
Triebkraft seines Schaffens in Beruf
und Ehrenamt ist Ehefrau Gertrud.
„Wir sind 35 Jahre zusammen. Sie
hat mir immer den Rücken frei ge-
halten. Ihr gehört in der Stunde der
Ehrung mein Dank“, sagte er gerührt.
Seiner Frau und seinen Hobbies, Old-
timer und Tennis, möchte zukünftig
mehr Zeit widmen.
Verdienstmedaille
für Bruno
Pieper
Aus der Hand
von SGD-
Nord-Präsi-
dent Hans-
Dieter Gassen
nahmBruno
Pieper in Be-
gleitung seiner
Frau Gertrud
die Verdienst-
medaille des
Landes Rhein-
land-Pfalz
entgegen.
Die Jungmeister arbeiten in kom-
munalenAusschüssen, Gemeinde-
räten oder leisten politische Ver-
bandsarbeit. Sie sind Mitglieder
bei Feuerwehren, Rotem Kreuz...
Eine von Ihnen wurde jetzt als
„Meisterin mit Kick“ ausgezeich-
net - nachzulesen auf Seite 8.
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