Handwerk Special Nr. 62 vom 5. Juni 1998 - page 23

Handwerksgeschichte(n)
Koblenzer Handwerksunternehmen Dötsch und das Jahrhundertjubiläum
100 Jahre, länger als ein nor-
males Menschenleben - solange
gibt es die Koblenzer Zimmerei
Dötsch, die in diesen Tagen ihr
Jubiläum feiert. Zimmereimei-
ster und Firmeninhaber Gerd
Dötsch, Urenkel des Firmen-
gründers Jakob Dötsch, erzählt,
wie alles begann.
„Mein Urgroßvater gründete
1898 den Zimmereibetrieb ge-
nau dort, wo er auch heute noch
ansässig ist, in Koblenz-Metter-
nich, Raiffeisenstraße 46. Als er
1938starb,übernahmmeinGroß-
vater Karl, der auch dieMeister-
prüfung abgelegt hatte, den Be-
trieb. Die Geschäfte liefen gut.
Ein Turm für die Kapelle „Villa
Maria“, eine Auftragsarbeit der
Schönstätter Schwestern, wurde
sogar nach Kapstadt/Südafrika
verschifft.
„Ein unvergeßliches Kindheits-
erlebnis“, so Gerd Dötsch, war
für ihn der Besuch eines japani-
schen Fernsehteams in der Zim-
merei des Großvaters Mitte der
70er Jahre. Grund für das Me-
dieninteresse aus dem Land der
aufgehendenSonnewardieprak-
tische Meisterprüfung von Yo-
shi,einemZimmerergesellenaus
Japan. Zwei Jahre arbeitete der
japanische Junggeselle in der
Koblenzer Zimmerei. Sein Ziel
war es, in Deutschland die Mei-
sterprüfung abzulegen und als
Handwerksmeister in seine Hei-
mat zurückzukehren. Von Karl
Dötsch, damals Obermeister der
Zimmerer-Innung und Mitglied
im Meisterprüfungsausschuß,
bekam er so manch heißen Tip.
„Während dieser Zeit gehörte
Yoshi zu unserer Famlie“, erin-
nert sichGerdDötsch. „DieMei-
sterfeier für ihn wurde zu einem
Familienfest. Großvater war da-
mals sehr stolz, daß Yoshi die
praktische Prüfung mit „sehr
gut“ bestanden hat. Schade, daß
der Kontakt später abgebrochen
ist.“
Gerd Dötsch weiß auch, daß es
seinGroßvater war, der den Satz
prägte: Schaffe immer so, daß
dudieArbeitüberblickenkannst,
das gewährleistet Qualität. „Er
gab diesen Rat an meinen Vater
Karl-Heinz, der in seine Fuß-
stapfen trat und von 1959 bis
1997 den Familienbetrieb leite-
te, weiter. Auch für mich gilt,
termingerechteArbeitzählt,Kun-
den zu vertrösten, gibt es nicht.“
Gerd Dötsch sagt, daß er beina-
he mit der Familientradition ge-
brochen hätte, weil er mit einer
Kfz-Lehre liebäugelte. Die lie-
benswertenGepflogenheitendes
Zimmererhandwerks, zu denen
auch die Möglichkeit auf die
Walz zu gehen, zählt, haben ihn
schließlich umgestimmt. Karl-
Heinz Dötsch betont, daß er sei-
nen Sohn bei der Berufswahl
nicht beeinflußt hat. „Natürlich
war es mein Wunsch, daß Gerd
denBetriebweiterführt, aber die
Liebe zumBeruf muß von innen
kommen. Da kann man nichts
diktieren“, sagt er. Gelernt hat
Gerd allerdings nicht beim Va-
ter. „Schauüber denGartenzaun,
sammle Erfahrungen, lerne an-
dere Leute kennen“, hatte ihm
dieser geraten.
Nach Lehrzeit und Bundeswehr
kehrte er in den elterlichen Be-
trieb zurück. An Vaters Seite
schaffte er nach dem Leitspruch
der überschaubare Qualitätsar-
beit des Großvaters. Dachsanie-
rungen der Marksburg, der Burg
Thurant und Schloß Stolzenfels
tragen ebenso die Handschrift
der Familie Dötsch wie Vordä-
cher,Pergolenund Innenausbau-
ten. Es sind vorrangig Auftrags-
arbeiten von Privatkunden und
Architekten aus der Umgebung.
AlssichKarl-HeinzDötsch1997
aus gesundheitlichen Gründen
aus dem Betrieb zurückzog,
übernahm der junge Zimmerer-
meister die Leitung des Betrie-
bes. Selbst ist er zwar nicht auf
die Walz gegangen, aber ein
Zimmerergeselle aus Hamburg
arbeitet schon seit längerer Zeit
bei ihm.
Wird es auch eine fünfte Gene-
ration der Zimmerei Dötsch ge-
ben? „Ich habe eine sechsjähri-
geTochter,warumsollnichteine
Zimmerermeisterin einmal mei-
neNachfolgerinwerden?“,meint
Gerd Dötsch augenzwinkernd.
Zeitgeschichte(n): Gerd Dötsch mit Vater Karl-Heinz (links oben). Daneben: Junior Gerd
Dötsch mit dem japanischen Gesellen Yoshi, der unter Großvater Karl Dötsch (unten
rechts) den Meisterbrief ablegte, was sogar im japanischen Fernsehen übertragen wurde.
Informationen
Im Bezirk der HwK Koblenz
steht in mehr als 5000 Hand-
werksunternehmen der Ge-
nerationswechsel bevor. Ein,
so die HwK-Betriebsbera-
tung, nicht einfacher Schritt,
denn mit der Wahl des Nach-
folgers werden auch die
Weichen eines Lebenswer-
kes gestellt.
Die
HwK-Betriebsberatung
informiert über alle Fragen
zur Unternehmensübergabe:
Tel.: 0261/398-241
Fax: 0261/398-994
100 Jahre frische Fleisch- und Wurtsleckereien
Zum Jahrhundertjubiläum
knallen in der Koblenzer Flei-
scherei Dietz die Korken: Im
Sommer 1898 gründete Urgroß-
vater SebastianDietz in Pfaffen-
dorf seine Fleischerei. In den
vergangenen 100 Jahren wur-
den aus einer Filliale zwei, heute
ist das Handwerksunternehmen
mit seinen 20 Mitarbeitern, dar-
unter vier Lehrlinge, in Rauen-
tal und Moselweiß zuhause und
wird gemeinsam von den Brü-
dern Stefan (35) und Helmut
Dietz (40) geleitet.
Die gravierendstenVeränderun-
geninder100jährigenGeschich-
te seines Handwerks sieht Flei-
schermeisterHelmutDietzinden
veränderten Ansprüchen der
Kunden,„dieVielfaltvonWurst-
und Fleischsorten hat kräftig zu-
gelegt, das wird vomKunden na-
türlichwahrgenommen.EinFlei-
scher muß heute vom Imbiß bis
zum Feinkostangebot eine brei-
te Palette anbieten.“
Die
Verbrau-
cher
suchen
spätestens
seit der
Fleisch-
Skandale um BSE heute stärker
das Fachgeschäft. EinTrend, der
sich fortsetzen wird und auf den
dieFleischereiDietz reagiert hat:
Über die Herkunft ihres Flei-
sches wissen die Koblenzer ge-
nau bescheid, und diese Garan-
tie haben sie sich zertifizieren
lassen. Neben der Herstellung
und dem Verkauf von Fleisch-
und Wurstprodukten sieht Hel-
mut Dietz über den „häuslichen
Tellerrand“ hinaus: Zusammen
mit der Landwirtschaftkammer
ging er 1997 auf Informations-
tour, auf demHandwerksfest der
HwK Koblenz vor der Herz-
Jesu-Kirche ließen er und seine
Kollegen der Fleischer-Innung
tief in die Angebotspalette sei-
nesHandwerksblicken.Die98er
Auflage des Handwerksfestes
am 13. September will der Flei-
schermeister dazu erneut nutzen.
100 Jahre und kein bißchen müde: Die Koblenzer Flei-
scherei Dietz geht neue Wege ins nächste Jahrtausend. Für
Fleischermeister Helmut Dietz gehört der Herkunftsnach-
weis seines Fleisches dazu.
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