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Handwerksbetriebe schreiben Geschichte(n)

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Nr. 200

18. Juni 2016

www.handwerk-special.de

Wie die Geschichte weiterging

Im Januar 1988 berich-

tete der 100-jährige Karl

Schneichel für die erste

Ausgabe des Magazins

„Handwerk Special“ über

sein Leben als Bäcker-

meister (Bericht auf ge-

genüberliegender Seite).

28 Jahre danach findet

wieder ein Gespräch in

der Bäckerei statt – dies-

mal mit dem Enkel Hans

Georg Neeb.

102 JahrewurdeKarl Schneichel

alt und starb1990. Einbiblisches

Alter, sieht man auf den oft auch

entbehrungsreichenLebensweg.

1888 geboren, wurde Karl 1903

ausgebildet. Sein Meisterbrief

datiert aus 1911. ImErstenWelt-

krieg wird er aus Altersgründen

in die sogenannte Etappe ver-

setzt: Als Bäcker ist er für die

Versorgung der kämpfenden

Truppe hinter der Front in der

Feldbäckerei zuständig. 1927

gründet er in Nickenich eine

eigene Bäckerei. Den Zweiten

Weltkrieg erlebt er als über

50-Jähriger zuEnde alsZwangs-

rekrutierter im Volkssturm.

Die anschließenden Jahre des

Wiederaufbaus undWirtschafts-

wunders entwickelt sich der

Familienbetrieb weiter. 1976

übernimmt Enkel Hans Georg

Im Gespräch mit Hans Georg Neeb, Enkel des 100-jährigen Karl Schneichel

Bäckerei Neeb, Nickenich

Gegr. 1927 | 7 Mitarbeiter | Brotspezialitäten und Backwaren aller Art

Tel. 02632/ 815 43

Neebmit 20Jahrenundals jüngs-

ter Bäckermeister seines Jahr-

gangs den Betrieb und erweitert

ihn. Großvater Karl, zu diesem

Zeitpunkt immerhin schon 88

Jahre alt, packt immer noch an,

wennNot amMann ist. „Standen

MitarbeiterdurchKrankheit oder

Urlaub nicht im Betrieb, war er

wieder in der Backstube – wie

schon 73 Jahre lang!“, erzählt

HansGeorgNeeb,derinzwischen

selbst 60 Jahre ist und sein 40.

Jubiläum als Chef feiert.

An die Zeiten mit Opa Karl

erinnert er sich gern und berich-

tet, wie die Backstube damals

aussah und eingerichtet war.

Über die Jahre und Jahrzehnte

wurden Wände herausgerissen

und der Betrieb kontinuierlich

erweitert und modernisiert. Der

alteKönigswintererOfen–noch

mit Holz befeuert, das bis unmit-

telbar vor dem Backen im Ofen

blieb– ist einemThermoöl-Ofen

gewichen.Vomalten Inventar ist

nocheineWaageausOpasZeiten

im Einsatz, deren Eichzeichen

längst wie ein Geschichtsbuch

wirken. Noch immer wird die

Waage regelmäßig überprüft

und von Amts wegen als geeicht

klassifiziert.

„Meine drei Kinder haben

beruflich andere Wege einge-

schlagen“, erzählt Hans Georg

Neeb, der aktuell sogar eine

Bäckerin ausbildet. Solange

die Gesundheit mitspielt, sagt

er, wird er weiter machen. Der

Beruf ist Berufung und wenn

man mit Hans Georg Neeb über

das Bäckerhandwerk spricht,

glänzen seine Augen. „Unsere

Nachwuchsprobleme liegen

weder in der Bezahlung noch in

der Tätigkeit. Die Arbeitszeiten

sind das Problem, denn mitten

in der Nacht aufzustehen, damit

morgensumsechsUhr alleBack-

waren frisch imLaden liegen, ist

nicht Jedermanns Sache“.Wenn

mansichdamit arrangierenkann,

macht der Beruf viel Spaß und

bringt Erfüllung.

AproposFrische:Auchdazuhat-

te Opa Karl etwas zu berichten,

„denn vor 100 Jahren wurde ein

frischesBrot zunächstweggelegt

und erst nach zwei, drei Tagen

angeschnitten. Nur so hat man

alleMäuler satt bekommen, denn

frisch heißt lecker und verstärkt

denAppetit. Familienmit sechs,

sieben odermehr Kindernmuss-

ten mit einem Brot am Tag über

die Runden kommen und wenn

es zwei Tage alt ist, reichen

zwei Scheiben und der Appetit

ist gestillt.“ Andere Zeiten eben

und vieles hat sich über die Jahre

verändert. Nur eins ist geblieben

und darauf ist Hans Georg Neeb

sichtlich stolz: „Wir fertigen in

reiner Handarbeit und Tiefkühl-

warekommtmir nicht insHaus!“

Kunden aus Nickenich, Ander-

nach oder Urmitz, die nur bei

Neebs einkaufen, danken es

dem Bäcker. Auch die älteste

Kundin, 90 Jahre alt, hat einen

Wunsch: „Schon bei Opa Karl

Stammkundin, will sieZeit ihres

Lebens nur uns alsBäckerei.Das

ist Verpflichtung und Ehre zu-

gleich –wir werden ihr auf jeden

Fall diesen Wunsch erfüllen!“

Als Bauern-

haus mit

Stallung ge-

baut, grün-

det hier Karl

Schneichel

1927 seine

Bäckerei in

Nickenich.

Geschichte

mit Ge-

wicht: Opas

Waage ist

noch immer

im Einsatz.

Bäckermeister Hans Georg

Neeb leitet die von Großvater

Karl Schneichel 1927 gegrün-

dete Bäckerei in Nickenich

seit 1976 – im Bild vor

„seinem“ Ofen, der den alten

Königswinterer (andere Seite

unten) ablöste.