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Interview mit Wirtschaftsminister Volker Wissing / Rückblick

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Nr. 200

18. Juni 2016

www.handwerk-special.de

Himmelsstürmer

Zwei ganz unterschiedliche Handwerke, zwei verschiedene

Unternehmen, ein besonderer Arbeitsbereich und Beiträge

in „Handwerk Special“: Gerüstbau Schwalb aus Rans-

bach-Baumbach und Strahlenschutztürenbauer Dockendorff

aus Bockenau (Hunsrück) verbindet über Aufträge die Arbeit

in luftiger Höhe.

Gerüstbau Schwalb wurde in Ausgabe 61 (April 1998) vorge-

stellt. Was sich seither verändert hat? Die Leitung ist von Vater

Egon auf Sohn Michael übergegeangen (2002). Was sich nicht

verändert hat: Der Betrieb steht wirtschaftlich gut dar, ist seit

der Gründung 1969 kontinuierlich gewachsen und einer der

ersten Mitarbeiter der Schwalbs, Wolfgang Lammersdorf, steht

noch immer im Gerüstbauunternehmen. 1974 hat er hier ange-

fangen und noch immer Teil der Mannschaft. Der Arbeitsplatz

hat gewechselt vom Gerüst ins Büro, doch Spaß macht ihm der

Beruf noch immer. Bei Schwalbs feiert er in diesem Jahr sein 40.

Dienstjahr – rekordverdächtig!

Die Experten um Elektromeister Hans Dockendorff sind erfolg-

reich in einer Nische unterwegs: Das 1988 gegründete Unterneh-

men fertigt Strahlenschutztüren für Krankenhäuser oder Strah-

lentherapien. Vorgestellt wurde der Betrieb in „Handwerk Speci-

al“ 197 (März 2016). Für Dreharbeiten (HwK-TV vom 15. Juni)

rückte die HwK-Redaktion jüngst nochmals zu Dockendorffs

aus und erlebte den Einbau einer fast fünf Tonnen schweren

Strahlenschutztür mit, die nach ihrer Befüllung über 26 Tonnen

wiegen wird. Das Foto der tonnenschweren, schwebenden Tür

(unten) – ein Schnappschuss für die Jubiläumsausgabe 200!

Wenn das Handwerk hoch hinaus führt

Zur Person: Volker Wissing

Der FDP-Politiker ist seit 2011Landesvorsitzender seiner Partei und

seit dem18.Mai 2016 rheinland-pfälzischerMinister fürWirtschaft,

Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, sowie stellvertretender

Ministerpräsident. Wissing, Jahrgang 1970, ist Jurist und wohnt

in Landau (Pfalz). Er ist verheiratet und Vater einer Tochter. Dem

Mittelstandspricht er einewichtigewirtschaftspolitischeRollezuund

Wissing machte bereits im Wahlkampf deutlich, „Rheinland-Pfalz

zumGründer- undMittelstandsland Nr. 1 zu machen.“ Als Minister

kann er das Erreichen dieser Ziele nun entscheidend mitgestalten.

damit Loyalität und legt den

Grundstein für die Deckung des

Fachkräftebedarfs, ja eventuell

sogar für dieNachfolgevonmor-

gen. Die Entscheidung für eine

duale Ausbildung imHandwerk

öffnet Türen. Mir persönlich ist

es wichtig, die Ausbildung als

Einstieg in das Berufsleben zu

unterstreichen. Der „Fachkräf-

temangel“ ist ein Mangel an

Fachkräften, also qualifizierten

Gesellen und Meistern. Ich bin

der festen Überzeugung, dass

nicht jeder Student in seinem

Fach absolut glücklich ist und

manch einer seinen Neigungen

und Fähigkeiten im Handwerk

mit persönlicher Erfüllungnach-

gehen könnte. Zumal der Weg

in die Hochschule auch ohne

Abitur mit dem Meisterbrief

in Rheinland-Pfalz jederzeit

möglich ist. Hier muss es dem

Handwerk und der Politik ge-

lingen, den sprichwörtlichen

Schalter in den Köpfen der

jungen Menschen, aber auch

der Eltern umzulegen. Die Be-

deutung der dualen Ausbildung

haben wir im Koalitionsvertrag

mit einem Stärkungsprogramm

für die Berufsausbildung zum

Ausdruck gebracht.

Die handwerkliche Meis-

terausbildung soll stärker

gefördert werden. Wie

kann diese Unterstützung

konkret aussehen? Wird

es eine Erfolgsprämie bei

bestandener Prüfung –

ähnlich der Meisterprämie

in Bayern – geben?

Wir wollen das Engagement in

der Fortbildung zumMeistermit

demMeisterbonuswürdigenund

werden uns hierzu verschiedene

Modelle, derenFinanzierungund

Wirkung anschauen. Wichtig ist

die Anerkennung der Leistung,

die ja nicht nur der persönlichen

Entwicklungdient, sondern letzt-

lich gesamtgesellschaftlichen

Wert besitzt. Umzu einer klugen

Lösungzukommengilt auchhier

Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

2004 hat die große Novel-

lierung der Handwerks-

ordnung zur Abschaffung

mehrerer zulassungs-

pflichtiger Handwerksbe-

rufe geführt – aus Sicht

des Handwerks ein Feh-

ler, unter dem viele Berufe

bis zum heutigen Tag

leiden. Ist es an der Zeit,

eine Korrektur vorzuneh-

men – mit Unterstützung

oder sogar initiiert durch

die Landesregierung

Rheinland-Pfalz?

Die Erkenntnisse aus der Novel-

lierung der Handwerksordnung

im Jahr 2004 sind bekannt und

auch vielfach bewertet. Man

kann kurz gesagt festhalten,

dass der Wegfall der Meister-

pflicht vielleicht kurzfristig das

Gründungsgeschehen beflügelt

hat, die langfristig gewünschte

Dynamik allerdings nicht einge-

treten ist. Gerade ein Blick auf

den Marktverbleib und die Aus-

bildungsaktivität zeigt, welchen

Stellenwert dieMeisterqualifika-

tionbesitzt.DieEntscheidungfür

dieMeisterqualifikation ist auch

hier die wirtschaftlich richtige

Entscheidung. Bei der ganzen

Thematik muss man allerdings

diegegenwärtigeDiskussionauf

EU-Ebene imBlickhaben.Unter

der Vorgabe der Reduzierung

von Berufszugangsregelungen

wurde die Meisterqualifikation

kritisch hinterfragt. Der Bund

und die Länder haben sich hier

dankenswerterweise in großer

Einigkeit eindeutig positioniert.

Ob allerdings es jetzt in der

gegenwärtigen Diskussion um

die Meisterpflicht in Deutsch-

land der richtige Zeitpunkt ist,

Korrekturenvorzunehmen, halte

ich für fraglich. Ich sehe derzeit

keine Mehrheit, die neben der

Sicherung des Bestandes ein

zweites Diskussionsfeld mit

ungewissem Ausgang eröffnen

möchte. Man muss die künftige

Entwicklung genau beobachten

und zum gegebenen Zeitpunkt

eventuell weitere Entschei-

dungen treffen.

Sie haben bereits vor der

Landtagswahl in Koblenz

mit der Handwerkskam-

mer Gespräche geführt

– welche Eindrücke haben

Sie dabei gewonnen? Gibt

es Wünsche an die Kam-

mer, an das Handwerk?

Die Kammern, Kreishandwer-

kerschaften, Innungen und

Verbände in Rheinland-Pfalz

leisten hervorragende Arbeit.

DieSelbstverwaltungsorganisa-

tionen des Handwerks sind, jede

an ihrem Platz, unverzichtbarer

Bestandteil des Handwerks

und seiner Erfolgsgeschich-

te. Mein Besuch in Koblenz

hat gezeigt, dass hier, wie in

anderen Regionen von Rhein-

land-Pfalz, Tradition bewahrt

und Fortschritt gelebt wird. Mit

dem neuen Kompetenzzentrum

Digitales Handwerk (KDH)

und dem Schaufenster West

hat die Handwerkskammer

Koblenz einen von bundesweit

vier Leuchttürmen für die Digi-

talisierung im Handwerk nach

Rheinland-Pfalzgeholt. Ichhabe

eigentlich nur einen Wunsch an

das rheinland-pfälzische Hand-

werk. Ich wünsche mir einen

gemeinsamen, intensiven Aus-

tausch unter allen Beteiligten,

gewerke- und regionenübergrei-

fend. Profitieren Sie gegenseitig

von den Fähigkeiten, Kontakten

und Initiativen des jeweils an-

deren. Es geht mir dabei nicht

um formalisierte Verfahren,

sondern vielmehr darum, die

bestenKompetenzen abzurufen,

den informellen Austausch zu

pflegen und den eigenen Blick

weiter zu öffnen. Das Handwerk

„made in Rheinland-Pfalz“ ist

eine starke Marke.

200 Ausgaben „Handwerk

Special“ seit 1988: Was

macht aus Ihrer Sicht das

Magazin lesenswert, was

interessiert Sie als Kunde

des Handwerks und/oder

Politiker besonders?

Die Mischung aus Informati-

on, Regionalität und Layout

machen das Handwerk Special

einzigartig. Die Präsentation

des Handwerksbetriebs aus

der Nachbarschaft ist auch für

Stammkunden von besonderem

Interesse, weil hier Informati-

onen dargestellt werden, die im

Alltagsgeschäft nicht die nötige

Beachtung finden.Warumbildet

gerade ein kleiner Handwerks-

betrieb überproportional aus?

Warum entscheidet sich ein

junger Mensch ganz bewusst

für einen kleineren Handwerks-

betrieb? Was fasziniert junge

MenschenamHandwerkundwie

geht der Handwerksmeister mit

innovativen Herausforderungen

um? Die Lektüre von Handwerk

Special gewährt Einblicke, die

sonst verborgen bleiben. Sie

eröffnen kleinen Betrieben, die

sonst nicht täglich im Rampen-

licht stehen, einePlattform.Kurz

gesagt: Sie bieten interessante

Informationen für den Kunden,

bringen das Handwerk sprich-

wörtlich nach Hause und geben

dem Handwerk den Raum, sich

zu präsentieren. Dafür meinen

herzlichsten Dank.

Michael Schwalb (v.l.) mit Vater Egon um die ver-

größerte Seite „Handwerk Special“ von 1998.

Dickes Ding am Haken: Die Strahlenschutztür der

Dockendorffs wird mit dem Kran abgesetzt. Noch

wiegt sie „nur“ 4,5 Tonnen, mit Füllung dann 26,6.