Der beste Jungmeister / Handwerker nehmen weite Wege in Kauf
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Nr. 198
9. April 2016
www.handwerk-special.deVorgestellt
Meister mit weitester Anreise
Von Nossendorf
nach Koblenz:
Michael Jürgen
Knopp ist der
Jungmeister mit
der weitesten
Anreise.
Wenn Gerüstbauer-
meister Michael Jür-
gen Kopp von seinem
Wohnort Nossendorf in
Mecklenburg-Vorpom-
mern zur Meisterfeier
nach Koblenz kommt,
liegen 764 Kilometer
Der beste Jungmeister
Kraftfahrzeugtechniker-
meister Pierre Geisler aus
Friedewald ist der Beste
der 650 Jungmeister, die
2015 vor der Handwerks-
kammer (HwK) Koblenz
ihren Großen Meisterbrief
abgelegt haben. Hocher-
freut reagiert der 24-Jäh-
rige auf seine Ergebnisse
der Meisterprüfung.
„Gesellezuseinwarmir nicht genug.
Außerdem hat der Meister in unserer
Familie Tradition. Mein Vater ist
Kraftahrzeug-Elektrikermeister“,
kommentiert er die Entscheidung
zum Erwerb der Krone im Hand-
werk bei der HwK Koblenz. Geisler
erzählt, dass er schon als Junge gern
geschraubtundgewerkelthatund„nie
einen anderen Beruf lernen wollte“.
Gelernt hat der junge Mann im
Autohaus Kämpflein in seinem
Wohnort. Für seinen Chef, Kraft-
fahrzeug-MechanikermeisterVolker
Kämpflein, haben Autos eine Seele.
Wenn er auch seine ganz besondere
Vorliebe für Oldtimer, die er lie-
bevoll restauriert, nicht auf seinen
Schützlingübertragenhat,soaberdie
innere Überzeugung und Liebe zum
Beruf. „Das Kfz-Handwerk ist trotz
allerTechnikvorallemLeidenschaft.
Das gilt für Autos von Heute wie für
Oldtimer“, sagt er. Er sagt auch, dass
er bei Pierre sofort gespürt hat, dass
hier „der Funke glüht“.
Nach abgeschlossener Lehre hat sich
PierreGeisler zunächst zumService-
techniker fortgebildet. Sein Chef
stand während dieser Zeit voll hinter
ihmund förderte ihn finanziell. Nach
erfolgreichem Abschluss übernahm
er verantwortungsvolle Aufgaben
in der Werkstatt. Auch während
des Meiserlehrgangs, den Pierre in
Kfz-Technikermeister Geisler ist der beste von 650 Absolventen
Vollzeit absolviert hat, verlor er nie
den Kontakt zu seinem Betrieb. „Ich
fühlemichinderFirmawiezuHause.
Die Ausbildung war Spitze und das
Aufgabenspektrumhatsichparallelzu
meinen erworbenen Qualifikationen
ebenfalls erweitert. Das schließt die
Meisterstelle ein“, freut sich Pierre
Geisler. Er erzählt, dass er sich die
Anerkennung und den Respekt der
älteren Kollegen „erarbeitet“ hat.
Darauf ist er stolz.
Neben der Elektromobilität sind
für Pierre Geisler Vernetzung und
autonomes Fahren wichtige Zu-
kunftsthemen seiner Branche. „Bis
2020 sollen mindestens eine Million
Elektrofahrzeuge auf Deutschlands
Straßen fahren. In 40 Jahren wird
der städtische Verkehr so gut wie
auf fossile Brennstoffe verzichten
Ein eingespieltes Team: Jürgen Geisler, Pierre Geisler
und Volker Kempflein (von links).
können“, meint er. Er betont, dass
ElektrofahrzeugedieWerkstättenvor
neueHerausforderungenstellen.„Im
Gegensatz zumBordnetz herkömm-
licher Fahrzeuge finden sich in rein
elektrisch angetriebenen Autos und
auch in Hybridfahrzeugen Gleich-
stromspannungen von mehreren
Hundert Volt. Der falsche Umgang
mit Starkstrom und hohen Span-
nungen kann lebensgefährlich sein.“
AmRande erwähnt der Jungmeister,
dass auch sein Vater, Jürgen Geisler,
sechs Jahre als Meister im Betrieb
angestellt war. „Er kam nach mir,
nicht wie meist üblich umgekehrt“,
lacht Pierre. Vater und Chef freuen
sich über seinen beruflichen Erfolg.
Mit ihm arbeiten inzwischen fünf
Meister im Westerwälder Autohaus
in Friedewald und Bad Marienberg.
I
nfos
hinter ihm. Der 49-Jährge zählt damit zu den Meisterschülern,
die innerhalb von Deutschland die größte Entfernung für den
Meisterbrief auf sich genommen haben.
Aufgewachsen in Baden-Württemberg, zog er 1995 der Liebe
wegen in den Norden. Er arbeitete als Fenster- und Türenmonteur
in verschiedenen Firmen. Auf der Suche nach einer beruflichen
Neuorientierung surfte er im Internet und stieß auf die Johann
Rohrer GmbH mit Stammsitz in Österreich. Das Unternehmen
hat Niederlassungen weltweit und arbeitet in unterschiedlichen
Berufsfeldern.Der damals 43-Jährigeheuerte imGeschäftsbereich
Industrie-Gerüstbau als Gerüstbauerhelfer an.
„Helfer wollte ich aber nicht bleiben. Das wurde mir schnell klar.
Ich bin halt ein Spätzünder, habe aber mit meinem Werdegang
gezeigt, dass es nie zu spät ist, neu durchzustarten“, freut er sich.
Kopp erwarb unter anderem den Staplerführerschein, den Bedie-
nerausweis für Hebearbeitsbühnen sowie für Kräne, qualifizierte
sich zum „Staatlich Geprüften Gerüstbau-Kolonnenführer“ bei
der HwK Dortmund und war somit befähigt, die Kolonne auf der
Baustelle anzuführen und die Arbeiten zu überwachen. Er nutzte
alle sich ihm bietenden Weiterbildungsmöglichkeiten in seinem
gewählten Handwerk.
„Eigentlich bin ich ständig unterwegs. Als es sich ergab, ein
dreiviertel Jahr fest in unserer Niederlassung in Karlsruhe zu
arbeiten, habe ich die Gelegenheit genutzt, den Meisterkurs
bei der HwK Koblenz in Teilzeit zu besuchen. Der Unterricht
fand einmal monatlich donnerstags bis samstags statt. Auch die
Möglichkeit, mir die Kenntnisse in mehreren online Unterrichts-
einheiten anzueignen, kammir sehr entgegen“, sagt er. Kopp lobt
die unkomplizierte und entgegenkommende Art der „HwK-Mei-
stermacher“, insbesondere von Gerüstbauermeister Jürgen Löhr
und seinem Team, die seine Meisterschaft erleichterten. Auch
im Heimatunternehmen wurde sein Meisterwunsch unterstützt.
Als Meister betreut er heute eigenverantwortlich Baustellen in
Deutschland, Frankreich und im Raum Basel.
Mit der Trennung von der Familie kommt er klar. „Meine Frau
wusste es ja von Anfang an und trägt meine Entscheidung mit. Es
hat immer alles zwei Seiten und beruflich bin ich angekommen
und rundum zufrieden.“
... zu allen Meisterkursen, Tel. 0261/ 398-362,
Im Handwerk glücklich: Arian Hosseini möchte Zimmerer werden
„Zum ersten Mal seit
langer Zeit bin ich
wieder glücklich. Be-
ruflich läuft es gerade
sehr gut. Ich fühle
mich angenommen
und wertgeschätzt“,
sagt Zimmererlehrling
Arian Hosseini aus
Simmern.
Der 22-Jährige ist vor fünf
Jahren aus Afghanistan nach
Deutschland gekommen. Von
der Erstaufnahmeeinrichtung
in Trier wurde er in den Huns-
rück vermittelt. Hinter ihm lag
eine Odyssee mit unterschied-
lich langenAufenthalten imIran,
derTürkei,Griechenland, Italien
und Frankreich.
„Ich habe überall Hilfsarbeiten
verrichtet um für meinen Lebens-
unterhalt zu sorgen und Geld zu
sammeln für den weiteren Trans-
port“, so Arian. In Deutschland
angekommen, folgten Sprach-
kurse. Hier erlangte er auch den
Hauptschulabschluss. Über einen
Bekannten,derebenfallsausseiner
Heimat kommt, erfuhr er dann,
dass ein großer Fertighausher-
steller Dachdecker und Zimmer-
erlehrlinge sucht. „Ich habe mich
vorgestellt,einPraktikumgemacht
Arian Hosseini während der Überbetrieblichen Lehr-
lingsunterweisung im Bauzentrum der HwK Koblenz.
und die Zimmererlehrstelle be-
kommen“, freut er sich.
Jetzt ist ArianHosseini imersten
Lehrjahr und besucht zurzeit die
ÜberbetrieblicheLehrlingsunter-
weisung (ÜLU) im Bauzentrum
der Handwerkskammer (HwK)
Koblenz. „Der Austausch mit
den anderen Lehrlingen ist eine
wichtige Erfahrung für mich.“
Die in der ÜLU vermittelten
Inhalte sieht er als Bereicherung.
Informationen zur Lehre im
Handwerk:HwK-Ausbildungs-
beratung, Tel. 0261/ 398-333,
aubira@hwk-koblenz.de