Speed-Dating und flammendes Plädoyer für duale Ausbildung
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Nr. 195
5. Dezember 2015
www.handwerk-special.deVolle Ahr-Akademie
Mehr als 120 Schüler,
Eltern, Betriebsinhaber,
Experten der Agentur für
Arbeit Koblenz-Mayen
sowie der Berufsbildung
von Kammer und Hoch-
schule nahmen an einer
Informationsveranstal-
tung in der Ahr-Akademie
der Handwerkskammer
(HwK) Koblenz teil. Sie
informierten (sich) über
Entwicklungen des Aus-
bildungs- und Arbeits-
marktes wie auch über
Chancen beim und mit
dem Handwerk.
DemImpulsvortragvonProf.Dr.StefanSell,Direktor des Instituts
für Bildungs- und Sozialpolitik
derHochschuleKoblenz–einem
aufDatenbasiertemPlädoyer für
die duale Ausbildung! – schloss
sich eine Podiumsdiskussion so-
wie ein Speed-Dating zwischen
25 Betrieben und potenziellen
Bewerbern auf eine Ausbil-
dung an.
Stefan Sell stellte nicht nur die
Vorzüge der Berufsausbildung
und des dualen Bildungssy-
stems in Deutschland heraus. Er
hatte als Fachmann auch hand-
feste Daten und Fakten dabei:
Die Hochschulreife der rhein-
land-pfälzischenSchulabgänger
ist zwischen 2002 und 2012 von
36,9 Prozent auf 51,7 Prozent
gestiegen. Zugleich ist die Zahl
derStudiengänge inDeutschland
auf sagenhafte 18.000Angebote
gewachsen. „Die Situation an
den Hochschulen ist vor diesem
Hintergrund ziemlich übel.“
Der Ansturm ist stark, und die
Erfindung neuer Studiengänge
habe in Deutschland Hochkon-
junktur. In der Folge entwickle
sich ein „Expertentum“, das
bis in kleinste Nischen reiche.
Als „Musterfall“ stellte Sell
den „Bachelor in Coffeema-
nagement“ vor, der in Hamburg
angeboten wird. „Dahinter
120 Teilnehmer bei Info-Veranstaltung zu Chancen im Handwerk
verbirgt sich ein Studiengang
zum Kaffeerösten“. Inwieweit
dessen Inhalte nationalen oder
internationalen Ansprüchen
standhalte, blieb zwar unbe-
antwortet, doch Sell machte
auch klar: „Eine Ausbildung
zum Kfz-Mechatroniker wird
in Passau, Schleswig, Cottbus
oder Aachen nach einheitlichen
Standards durchgeführt. Ein
Geselle kann anschließend in
jederKfz-Werkstattmitarbeiten,
weil er fachlichdafür ausgebildet
wurde.“
Das sei der große Vorteil der
dualen Berufsausbildung in
Deutschland, „um die uns in-
ternationale Bildungsexperten
beneiden.“Sogehöredemdualen
Studiengang die Zukunft, einer
Kombination aus beruflicher
Ausbildung und Hochschulstu-
dium. „Aktuell gibt es 800 duale
Studiengänge in Deutschland
und vier Prozent aller Studieren-
dennutzendas.“Damit verbindet
sich auch ein großes Potential,
das künftig viel stärker genutzt
werden könne und müsse.
Zusätzlich bietet sich die Mög-
lichkeit desHochschulzuganges
mit Meisterbrief – ebenfalls
ein klarer Pluspunkt für das
Handwerk. Dabei, so Sell, sei
es kein Beinbruch, wenn nicht
der geradesteWeg zurückgelegt
wird. Inzwischen absolvieren
viele Abiturienten oder Studie-
nabbrecher zunächst eine Lehre,
umdanndieweitereLaufbahnzu
planen. Die kann auf beruflicher
oder akademischerEbeneverlau-
fen und später ideal kombiniert
werden.
Einer, der diesen Weg erfolg-
reich eingeschlagen hat, ist
Christoph Müller. Das begon-
nene Studium war eher eine
Gefälligkeit an die Erwartungen
der Eltern und hat sich später
als persönlicher Irrtum heraus-
gestellt. Dem Studienabbruch
folgte ein Praktikum in einer
Kfz-Werkstatt, die schnell das
Potential Müllers erkannte, der
sich beimHandwerk auch selbst
wohl fühlt.DerLehrvertragwur-
de unterschrieben. Heute sind
Betrieb und Lehrling hochzu-
friedenmit dieser Entscheidung.
Müllermotiviertediemehr als50
Schüler in der Ahr-Akademie,
die Chancen im Handwerk zu
nutzen und mit diesem Wirt-
schaftsbereich zu planen. Das
griff Kreishandwerksmeister
Frank Wershofen, selbststän-
diger Handwerksmeister, auf:
„Mit persönlichem Einsatz und
Disziplin kann man es imHand-
werk weit bringen! Wir sind ein
moderner Wirtschaftsbereich,
der auch von menschlicher
Nähe lebt.“
Als direkte Ansprechpartner
waren an diesem Abend auch
25 Unternehmen über Chefs
undMitarbeiter in der Ahr-Aka-
demie vertreten, die sich im
direkten, rotierenden Gespräch
mit den Schülern austauschten.
„Speed-Dating“ einmal anders
und mit wenigen Schritten
ging es von der Fleischer- zur
Tischlerkarriere und weiter zum
Kfz-Bereich.
MehrereObermeisterwieBäcker
Rolf Genn, Fleischerin Dagmar
Groß-Meurer oder Metallbauer
Bernd Klein standen ebenfalls
Rede und Antwort wie auch die
Experten der Arbeitsagentur
oder der HwK. Ein Angebot,
das von den Schülern und ihren
Eltern gern und umfangreich
genutzt wurde und wer weiß,
ob sich nach dem flammenden
Plädoyer des Akademikers Sell
undder Praktiker aus demHand-
werk nicht die ein oder andere
Handwerkerlaufbahn aus dieser
Info-Veranstaltung ergibt.
Weitere Infos zur beruf-
lichen Bildung bei der HwK
Koblenz: Tel. 0261/398-331,
aubira@hwk-koblenz.de,
www.hwk-koblenz.de.
In seinem Vortrag stellte Prof. Dr. Stefan Sell die Vor-
züge von Berufsausbildung und dualem Bildungssys-
tem in Deutschland heraus.
Volles Haus in der Ahr-Akademie, in die zur Info-Ver-
anstaltung „Karrierechancen im Handwerk“ mehr
als 120 Schüler, Eltern, Betriebsinhaber – im Bild
aus der Tischlerei „Die Holzwürmer“ aus Dernau um
Geschäftsführer Maik Rönnefarth – Experten von Ar-
beitsagentur, Handwerkskammer und Hochschulen
gekommen waren.
Hao Liu aus Shanghai lernt in Koblenz
Hao Liu ist von Shanghai
in China zu einem zwei-
tägigen Fortbildungslehr-
gang in das Kunststoff-
zentrum der Handwerks-
kammer nach Koblenz
gekommen.
Die HwK Koblenz führt für
Mitarbeiter der Firma SGL
Carbon, einem internationalen
Hersteller von Produkten aus
Kohlenstoff mit Hauptsitz in
Wiesbaden, eineSchulungzum
Schweißen von hochflorierten
Kunststoffendurch.Dazuzählt
beispielsweise PTFE, bekannt
unter den Handelsnamen Te-
flon®. Aufgrund seiner beson-
deren Werkstoffeigenschaften
nimmt er im Vergleich zu
anderen thermoplastischen
Kunststoffen eine einzigartige
Stellung ein.
Hao Lui, der in China für SGL
Carbon im Montagebereich
arbeitet, möchte „deutschen
Qualitätsstandard und deut-
sches Know-how mit nach
Asien nehmen“. Seine Fortbil-
dung endet mit einer Prüfung.
Ein Zertifikat bescheinigt ihm
die in Koblenz erworbenen
Kenntnisse. In Shanghai hat
er damit innerhalb der Firma
eine einzigartigeQualifikation
vorzuweisen.Dafür nahmer elf
FlugstundenundStrapazender
Anreise gern in Kauf.
Das Kunststoffzentrum der
HwK Koblenz ist seit vielen
Jahren eine internationale
Anlaufstelle, wenn es um die
VerarbeitungundHandhabung
von Kunststoffen geht.
Infos zu Lehrgängen im
Kunststoffschweißen bei der
HwK Koblenz, Tel. 0261/
398-664, schweissen@
hwk-koblenz.de, www.hwk-
koblenz.de.