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Zeitgemäße Infrastruktur für das Mittelrheintal / Interview

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Nr. 193

10. Oktober 2015

www.handwerk-special.de

Wirtschaft fordert Brücke

Ohne zeitgemäße Infrastruktur keine Investitionen, ohne In-

vestitionen kein Wachstum, ohne Wachstum keine Zukunft:

So könnte man die dramatische Botschaft zusammenfassen,

mit denen sich die beiden Koblenzer Wirtschaftskammern nun

an die Öffentlichkeit wenden. Der Vorwurf der Präsidenten

und Hauptgeschäftsführer: Die Landesregierung kümmert

sich zu wenig um das Mittelrheintal, das Gefahr läuft, im Wett-

bewerb der Regionen endgültig abgehängt zu werden.

Kammern stellen Ergebnisse einer aktuellen Umfrage vor

Nachgefragt

zu aktuellen Themen

Die Landtagswahlen 2016 oder auch eine

möglicheBundesgartenschau2031 imMit-

telrheintal sind Themen, die für das Hand-

werkinderRegionvonBedeutungsind.Mit

diesenTerminenverbindetsichauchimmer

die Chance, eigene Vorstellungen in eine

öffentlicheDiskussioneinzubringenundan

Entwicklungsprozessenaktivteilzunehmen.

Welche Vorstellungen das Handwerk dazu

äußert und warum gerade eine Brücken-

querung am Mittelrhein so wichtig für die

künftige Entwicklung dieses Lebens- und

Wirtschaftsraums ist, erklärt Präsident Kurt

Krautscheid im Interview.

Herr Krautscheid, die Forderung nach einer Brücke im

Mittelrheintal ist nicht neu, wird nun aber vehement neu

aufgegriffen. Vor welchem Hintergrund?

Handwerkskammer sowie Industrie- und Handelskammer Koblenz

haben Unternehmen entlang des Mittelrheins befragt, welche Rolle

dieFlussquerungfürihrenAlltagspielt.Wenn77ProzentderAntwor-

ten aus dem Handwerk klarstellen, dass eine Brücke für die weitere

Entwicklung der Betriebe von großer Bedeutung ist, müssen wir als

Handwerkskammerdasnatürlichdeutlichvortragen–insbesonderege-

genüberderLandesregierung,diepolitischdafürVerantwortungträgt.

FürIndustrie,HandelundTourismusentlangdesMittelrheinssiehtdie

Situation nicht anders aus, die sich als dramatisch beschreiben lässt.

DenninderEntwicklungalsLebensraumkämpftdieMittelrheinregion

mitAbwanderung,geradederjungenBevölkerungsschichten.Fürdie

WirtschaftistderRheinwieeineGrenze,derAufträgeaufderanderen

Seite nurmit Auflagenmöglichmacht. DieAuflage heißt Erreichbar-

keit. Wenn Auftragnehmer und ihre Kunden in einer geschäftlichen

Beziehung vom Fährverkehr und dessen Fahrtzeiten abhängig sind,

erinnertdaseheranZuständeimMittelalter.DieForderungnacheiner

Brücke ist insofern schon seit Langemgerechtfertigt und wir müssen

nun auf breiter Front den Druck auf die Landesregierung erhöhen.

Das schließt auch klare Vorstellungen ein, die wir an eine künftige

Landesregierung formulieren.

Das Mittelrheintal ist auch im Gespräch hinsichtlich einer

künftigen Bundesgartenschau. Wie positioniert sich das

Handwerk hierbei?

Natürlich unterstützenwir diese Initiative!Denn damit verbindet sich

einelangfristigeAufwertungdesLebensraumes,damitverbindensich

aber auch konkrete Aufträge für das Handwerk imVorfeld wie auch

eineBühnefürdasHandwerkundseinLeistungsspektrumimRahmen

derVeranstaltung.DieBUGAinKoblenzhatbeeindruckendgezeigt,

wie die genannten Punkte als Ganzes greifen. Koblenz konnte stark

vonderBundesgartenschauprofitierenundhatseinErscheinungsbild

positivverändert.Handwerksbetriebehabendaspraktischumgesetzt,

was die BUGA-Planer theoretisch entworfen haben, und ich erinnere

auchgerneandenPavillondesHandwerksanderBasilikaSanktKastor.

Ich sehe gute Chancen für eine Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte

am Mittelrhein. Nur auch hier gilt: Eine Bundesgartenschau ohne

Brücke ist aus unserer Sicht nicht vorstellbar. Da nützen alle Träume

und Wünsche der Politik pro Gartenschau nichts, wenn an dieser

entscheidenden Stelle keine Entscheidung für eine Brücke durch die

Landesregierung getroffen wird. Damit würde für die Region – weit

über das Mittelrheintal hinaus – aber auch eine gute Chance vertan.

Mit der „Nacht der Technik“ wirft eine HwK-Großveranstal-

tung ihre Schatten voraus. Was erwartet die Besucher?

Am 7. November erwarten wir Besucher aller Altersgruppen zur

„Nacht derTechnik“.DieMischungausWissenschaft,Unterhaltung,

InformationundHandwerkwirdauchbeiderzehntenAuflageüberzeu-

gen und wir haben die Schwerpunktthemen desWissenschaftsjahres

„Zukunftsstadt“unddas„InternationaleJahrdesLichtes“aufgegriffen.

VonWeltraumausflügenbiszuirdischenEntdecker-Touren,vomZug

der Zukunft bis zur Stadt von morgen, die man bei uns bereits heute

erleben kann, ist alles dabei. 70 Einzelveranstaltungen und mehr als

50 Ausstellungsbereiche garantieren ab 13 Uhr ein Programm der

Extraklasse – und das alles bis 1 Uhr nachts!

Foto: P!ELmedia

HwK-Präsident

Kurt Krautscheid

diesem Abschnitten. Diese sind

zwar in den vergangenen Jahren

erweitert worden, doch geht

nachts eben nichts mehr. Das

hat Folgen für Notdienste, wie

sie auch das Handwerk bietet.

„Die Landesregierung eiert

rum“, machte IHK-Präsident

Manfred Sattler mit Blick auf

die lange Diskussion um einen

möglichenBrückenbaudeutlich.

Hintergrund: Die heimische

Wirtschaft fordert die Mittel-

rheintal-Brückebereits seitmehr

als zehn Jahren. Zwar wurden

nach der Landtagswahl 2011

ein Diskussionsprozess und die

Arbeit an einem Masterplan in

Gang gesetzt, doch hat man in

den Wirtschaftskammern den

Eindruck, dass die Brücke aus

taktischen Gründen „wegmo-

deriert“ wird. Denn bekanntlich

sind die Grünen gegen das

Projekt, während man in der

SPD aufgeschlossener ist, sich

jedoch aus Rücksicht auf den

Koalitionspartner nicht nach

vorn wagt. Die Folge: Der Frust

in vielen heimischen Betrieben

wächst.

„Niederschmetternd“:Miteinem

Wort brachte IHK-Hauptge-

schäftsführer Arne Rössel das

Umfrageergebnis auf denPunkt.

Denn die Botschaft der Betrie-

ben, die sich an der Erhebung

beteiligt haben, ist eindeutig:

77 Prozent von ihnen sehen

die fehlende Mittelrheinbrücke

Die Forderung der Koblenzer

Wirtschaftskammern,dieVerkehrs-

verbindungen durch den Bau einer

Rheinbrücke bei St. Goar zu verbes-

sern, ist aktueller denn je. Das zeigt

auch eine gemeinsame Umfrage der

Handwerkskammer (HwK) sowie

der Industrie- und Handelskammer

(IHK) Koblenz, deren Ergebnisse

vor wenigen Tagen vorgestellt

wurden.DasernüchterndeErgebnis:

54 Prozent der Unternehmer, die

mitmachten, sind der Auffassung,

dass die Mainzer Regierung für die

Region kaum etwas erreicht hat.

Handwerk muss lange

Umwege bewältigen

Konkret geht es um den 84

Kilometer langen Abschnitt

zwischen Koblenz und Bingen.

Dieser ist zwar wegen seiner

romantischen Burgen weltweit

bekannt, doch hilft diese Tatsa-

che der heimischen Wirtschaft

nicht, die Probleme des Alltags

zu bewältigen. HwK-Präsident

Kurt Krautscheid brachte es bei

der Präsentation der Umfrageer-

gebnisse auf den Punkt: Es sind

gerade die Handwerksbetriebe,

die langeUmwege überKoblenz

oderWiesbaden inKauf nehmen

müssen, wenn sie außerhalb der

Fährzeiten auf die andereRhein-

seite gelangen wollen. „Es ist

nun mal so, dass oft nachts oder

an Wochenenden etwas kaputt

geht“, betonte HwK-Hauptge-

schäftsführer Alexander Baden

mit Blick auf die Fahrzeiten der

insgesamt siebenRheinfähren in

als Hindernis für die weitere

Entwicklung des Mittelrhein-

tals und fordern genau deshalb

grundsätzlich den Bau einer

festen Brückenquerung.

Beim Blick ins Detail ergeben

sich deutliche Unterschiede.

Während für die Industrie, die

an anderen Standorten deutlich

besser vertreten ist, einBrücken-

bau kein existenzielles Thema

ist, sieht das im Handwerk ganz

anders aus, weil die Mitarbeiter

der Betriebe die Gemeinden

auf beiden Seiten des Rheins

erreichenmüssen. Dazu kommt,

dass die meisten Betriebe ihre

Wachstumspotenziale in der

unmittelbaren Umgebung sehen

–undnutzenwollen.Daverwun-

dert es nicht, dass der Zustim-

mungsgrad für eine Brücke bei

rund 80 Prozent liegt. Gleiches

gilt für das Gastgewerbe, das

von einer guten und schnellen

ErreichbarkeitfürTouristenlebt.

Konstruktion soll

gestalterisch überzeugen

„Wir wollen kein Monstrum“,

betonte Alexander Baden mit

Blickauf diekritischenStimmen

aus den Bereichen Natur- und

Denkmalschutz. Der Hauptge-

schäftsführer erinnerte an die

überschaubaren Lösungen an

der Untermosel, an die sich alle

längst gewöhnt hätten.

AuchmitBlickaufeinemögliche

Bewerbung um die Bundes-

gartenschau 2031 sind sich die

Kammerspitzeneinig.OhneBrü-

cke wird es keine BUGA geben,

weil die privaten Investitionen

ausbleiben werden.

Weitere Ergebnisse der Umfra-

ge zum Thema Mittelrheintal

auf Seite 4.

Kein Monstrum, sondern eine Lösung, die sich harmonisch in das Mittelrheintal

einfügt: So stellen sich die Planer die mögliche Brücke bei St. Goar vor.

Foto: IHK Koblenz/ Roman Schieber