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Ehemalige Synagoge ist heute Ort der Begegnung und des Erinnerns

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Nr. 191

11. Juli 2015

www.handwerk-special.de

Eine Synagoge und ihre Geschichte

Die Geschichte der Sy-

nagoge in Niederzissen:

Es ist die einer jüdischen

Gemeinde, die 1942 end-

gültig ausgelöscht wurde.

Es ist auch die des Hand-

werks, einer engagierten

Bürgerschaft und der Ge-

meinde, die gemeinsam

mit der Restaurierung

einen Ort der Begeg-

nung, des Erinnerns und

Gedenkens geschaffen

haben. Und es ist auch

die von Richard Keuler,

der stellvertretend für die

jüngere Geschichte um

die Synagoge steht, die

jetzt einen bedeutenden

Denkmalpreis erhielt.

Wenn Richard Keuler über

die Niederzissener Synagoge

erzählt, muss der Zuhörer Zeit

mitbringen. Der 65-Jährige ist

nicht nur ein Kind des Ortes in

der Eifel, dem er viele Jahre als

Bürgermeister vorstand. Er ist

auch Vorsitzender des örtlichen

Kultur- und Heimatvereins, der

sichunteranderemderSynagoge

angenommen hat und deren um-

fangreiche Restaurierung durch

die Gemeinde initiierte. Dabei

hat das Handwerk eine wichtige

Rolle gespielt. Doch auch in den

JahrzehntenzuvoristdieHistorie

der ehemaligen Synagoge eng

mit dem Handwerk verbunden.

1840/41 gebaut, verkaufte die

jüdische Gemeinde das Haus

unter staatlichem Druck 1939

andenDorfschmied.Wobislang

gebetet wurde, lodert jetzt das

Schmiedefeuer, werden später

Traktoren repariert.

Vor der ehemaligen Synagoge,

die längst um- und ausgebaut

wurde, erhalten Pferde neue

Hufeisen. Doch mit ihrer Werk-

statt sorgt die Schmiede- und

Schlosserfamilie Blankart auch

für den grundsätzlichen Erhalt

des geschichtsträchtigenGebäu-

des. Bis Mitte der 1990er Jahre

ist der Handwerksbetrieb aktiv,

dann wird er abgemeldet. Das

Gebäude, längst mehr Werk-

statt als Gebetsraum, fällt in

einen Dornröschenschlaf. 2007

ändert sich das, und Richard

Keuler ergreift gemeinsam mit

Vereinsmitgliedern und der

Gemeinde Niederzissen die

Initiative: Die Synagoge soll

wieder in den ursprünglichen

Zustand versetzt werden. Doch

geradlinig ist dieser Weg nicht.

Keuler erzählt über das Auf und

Ab, was sich auch mit diesen

Jüdisches Versammlungshaus in Niederzissen wurde umfangreich restauriert

Jahrenverbindet.EindickesFell,

aktiveMitstreiter und eine große

Portion Idealismus gehörenauch

dazu – wie auch gute Verbin-

dungenundÜberzeugungskraft.

Die Gesamtinstandsetzung und

Restaurierung des Gebäudes

(imEigentumder Ortsgemeinde

Niederzissen) dauert ein gutes

Jahr. 12 Handwerksbetriebe

bringen sich ein.

Was Richard Keuler und die Be-

teiligtendabei erleben, klingt un-

glaublich: Auf dem Dachboden

finden Sie Tausende Seiten aus

Gebetbüchern, Dokumenten der

jüdischen Gemeinschaft, Frag-

mente von Thorarollen, Thora-

mäntel und unzählige profane

und säkulare Gegenstände, die

hier von den Nazis unentdeckt

und durch die Schmiedefami-

lie unangetastet der Nachwelt

erhalten blieben. Ein wahrer

Schatz für die Wissenschaft, die

ebenfalls in die Aufarbeitung

eingebundenwird. Inder ehema-

ligen Landmaschinenwerkstatt

werden die Reste des ritualen

Bades gefunden und freigelegt.

Unter schwarzem Ruß, nach

über 50 Jahren Schmiedebetrieb

allgegenwärtig, wird eine orna-

mentale Farbbordüre entdeckt.

Was niemand für möglich hält

– dieser Ort steht nicht nur für

Geschichte, er hat sie auch in sich

selbst physisch bewahrt.

Einiges davon ist in der heu-

tigen Ausstellung zu sehen. Die

Synagoge ist längst auch Erin-

nerungs- und Begegnungsstätte.

Veranstaltungen, Führungen

oder Vorträge gehören dazu wie

auchdieBesuchevonSchulklas-

sen, die hier Geschichte zum

Anfassen erleben. Und auch

Nachfahren der jüdischen Nie-

derzissener sind Gäste, die sich

nicht nur über dasSchicksal ihrer

Familien informieren, sondern

auch erleben, wie ihnen gedacht

wird. Richard Keuler und seine

Mitstreiter haben ein weltweites

Netz aufgebaut, dessen Fäden

in das Gebetshaus führen und

Menschen zusammenbringt,

die sich für diesen Ort und

seine Geschichte einsetzen, sie

aufarbeiten, vermitteln und so

bewahren.

Mehr Informationen

zur

ehemaligen Synagoge, zu

Ver-

anstaltungen

und

Führungen

gibt der Kultur- und Heimat-

verein Niederzissen:

www.ehem-synagoge-

niederzissen.de

Die ab 2011 vollständig restaurierte ehemalige Synagoge in Niederzissen wurde

jüngst mit dem Sparkassen Denkmalpreis Rheinland-Pfalz 2015 ausgezeichnet.

Ansicht der Schmiede (1949), bis 1938 Synagoge.

Der Ge-

betsraum

vor der

Restau-

rierung

(oben;

Teil der

Schmiede)

und heute

(rechts).

Foto: Kar-Heinz Möseler

Foto: Karl-Heinz Möseler

Foto: Helmut Goldschmidt

Diese Handwerksbetriebe ha-

ben sich in die Restaurierung

der ehemaligen Synagoge

Niederzissen eingebracht:

Holzbau Dahm (Niederdü-

renbach; Dachstuhl), Jürgen

Pech (Burgbrohl; Sanitär,

Wasser), Hans Densing (Nie-

derzissen; Heizung), Mürtz

& Doll (Plaidt; Gerüstbau),

Lehmann (Niederzissen;

Dacheindeckung), Schwarz

Elektrotechnik (Niederzis-

sen; Elektroinstallation),

Mayener Natursteinwerke

(Kottenheim; Basaltarbeiten),

Otmar Klein (Mendig; Putz-

und Malerarbeiten), Bernd

Dott (Urmitz; Estricharbei-

ten), Kurt Gerhartz (Wehr;

Fenster, Türen, Treppen

und Frauenempore), Haroß

(Mendig; Fußbodenanstrich),

Schiele Maschinenbau (Nie-

derzissen; Metallarbeiten

Außengeländer). Außerdem

haben sich Vereinsmitglieder

mit 1.500 Stunden ehrenamt-

licher Eigenleistung einge-

bracht.

Richard Keuler.