Handwerk im Winter vom 13. Dezember 2008 - page 3

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Mit den
Händen
sehen
Bürsten- und Pinselmacherin Susanne Linscheid versteht ihr Handwerk
Geschickt zieht Susanne Linscheid aus
Winden im Rhein-Lahn-Kreis die Bors-
ten und Fasern in einen Rohling.
Die Naturmaterialien wer-
den zuvor von ihr gereinigt,
geschnitten, sortiert und ge-
bündelt. Susanne Linscheid ist
Bürsten- und Pinselmacherin. Ihre
HändesindihrwichtigstesWerkzeug.
Die 22-Jährige, die von Geburt an
so gut wie nichts sieht, hat sich im
Oktober letzten Jahres selbstständig
gemacht. „Mein größter Wunsch ist,
dass mir das eine Prozent Sehkraft
auf dem rechten Auge bleibt“, sagt
sie. Und sie sagt es voller Hoffnung
und Zuversicht.
Nach einer dreijährigen Ausbildung
an der Landesschule für Blinde und
Sehbehinderte in Neuwied,
die sie mit der Prüfung als
Bürsten-undPinselmacherin
abschloss, war sie zunächst
erst einmal arbeitslos. „Die
inder Produktion imAkkord
geforderten 2000 bis 3000
Loch,dieamTagmitBorsten
zuversehen sind, schaffe ich
nicht. 1000 Loch sind für
mich leistbar. Und für eine
Einrichtung der Lebenshilfe
kam ich mit Gesellenbrief
nicht in Frage“, erklärt sie.
Als Susanne Linscheid von
einer Firma in Ulm in Ba-
den-Württemberg hörte, die
Aufträge zur Bürsten- und
Besenherstellung an Gesel-
len vergab, entschloss sie
sich zur Selbstständigkeit.
Ein Raum im Kellerge-
schoss des Elternhauses
dient ihr nun als Werkstatt.
„Hier kann ich ohne Stress
kostendeckend arbeiten.
Ich denke, dass ich weitere
Kunden gewinnen kann.“
Zwei Bündelabteilmaschinen und
eine elektrische Schneidemaschine
hat sie zum Teil aus dem Nachlass
aufgelöster Einrichtungen gekauft.
Rosshaar, Zie-
genhaar, Schweineborsten, Kunstfa-
sern,Kokosfasern,Pissava(elastische
Palmfasern) und mehr verarbeitet
SusanneLinscheidzuHaus-undStra-
ßenbesenundallendenkbarenPinseln
und Bürsten. „Eine Pferdemähne
muss für einen 1,60 Meter großen
Besen schon herhalten.“ Ihre Pro-
duktpalette ist groß. Sie reicht vonder
Toilettenbürste bis zumRasierpinsel.
Schweineborsten werden für Tier-,
Nagel- oder Badebürsten verwendet.
Aus feinem Ziegenhaar
werden unter anderem butterweiche
Babybürsten hergestellt. Rohlinge
undBorstenkauft SusanneLinscheid
im Großhandel. Die fertigen Pinsel
und Besen müssen gut in der Hand
liegen und vielen Beanspruchungen
standhalten. 10 Euro kostet ein Stra-
ßenbesen, 20Euro bezahlt der Kunde
für einen von Susanne Linscheid an-
gefertigten Hausbesen. Sie vertreibt
sie auf Märkten und hat selbst einen
kleinenVerkaufsraum imElternhaus
eingerichtet. Nach Feierabend ist sie
gern mit Freunden zusammen und
kümmert sich um Hund, Hasen und
Meerschweinchen. Eine junge Frau,
die imHandwerk trotzHandicap eine
Erfüllung gefunden hat.
Steckbrief: Susanne Linscheid, Winden
Gegründet im Jahr 2007
|
Besen, Bürsten und Pinsel aus Ross-, Ziegenhaar
oder Kokosfasern in verschiedenen Ausführungen
|
Tel.: 02604/ 942465
Susanne Linscheid lässt sich von nichts
aufhalten. Trotz Handicap hat sie sich
selbstständig gemacht.
Ergebnis fleißiger Arbeit:
Susannes Bürsten warten
auf ihre neu-
en Besitzer.
Stuten und
Stutenschmuck
Keramikgestalterin Birke Gelhard setzt auf das besondere Etwas fürs Zuhause und fürs Pferd
„Ich habe ein Faible für ausgefallene,
schöne Dinge. Als passionierte Rei-
terin kam mir die Idee, Schmuck
für mein Pferd zu kreieren“,
erzählt Birke Gelhard aus
Ransbach-Baumbach.
Die 26-jährige Gestalterin
undAbsolventinderStaat-
lichen Fachschule für
KeramikinHöhr-
Grenzhausen
arbeitet im
elterlichen
B e t r i e b .
Dort wer-
den haupt-
s ä c h l i c h
Kachelöfen
gebaut. Je-
der Ofen ist
ein Unikat und
wird genau nach
Kundenwunsch
geplant undgebaut.
Birke Gelhard ent-
wirft die ausgefallenen
Stücke per CAD und
koloriert sie von Hand.
Die Liebe zum Pferd hat sie
früh entdeckt. „Seit meinem 6.
Lebensjahr ist esmeinWegbeglei-
ter. Die Dynamik undKraft der edlen
Tiere faszinierenmich immer wieder
aufsNeue“,sagtsie.Undesliegtnahe,
dass dieKeramikgestalterinnicht nur
Pferdeplastiken modelliert, sondern
auch Schmuck aus Keramik für ihr
Pferd entworfen hat. Der Schmuck
soll die edle Kopfform des Pferdes
betonen und dem Reiter jeden
Tag Freude bereiten. „Auch
die anderen Reiter aus
meinem Stall waren
sehr von dem ‘Stu-
tenschmuck’ angetan,
weil es so etwas Spezi-
elles und Persönliches
bisher noch nicht gab.“
Es gibt die unterschied-
lichsten Satteldecken,
Gamaschen und
anderes Reitzu-
behör in allen Farben und Formen,
aber imBereichdes Stirnriemens gibt
es nochvielmehrMöglichkeiten.Der
Schmuck wird am Pferdekopf ange-
passt. Fast alle Wünsche können er-
fülltwerden. „Jeder ‘Stutenschmuck’
ist einUnikat. Er ist unverwechselbar
undwird auf Bestellung angefertigt“,
so die Keramikerin. „Die Mädels
im Reitstall möchten z. B. einen
Schmuck in rosa oder violett mit
Sternen oder er soll zur Satteldecke
passen. Auf jeden Fall ist es ein Hin-
gucker im normalen Stallalltag
oder auf demReitturnier“,
schmunzelt sie.
Birke Gelhard
formt
den
nächsten
Pferde-
schmuck.
Birkes Pferd zeigt, wie der
Schmuck getragen wird. Je
nach Anlass und Stimmung
kann unter verschiedenen
Varianten gewählt werden.
Bringt Pferd und Reiter
auf Trab
Sattlermeister Stefan Luchmann fertigt Westernsättel in Hightech-Design
Er wohnt und arbeitet in Zehnhau-
sen, einem der kleinsten Dörfer
im Westerwald und hat sich durch
seine Arbeit bei Westernreitern
weltweit einen Namen gemacht.
Stefan Luchmann ist Sattlermeister.
Betritt man seine Werkstatt „High
Horse Saddle“, glaubt man in einem
Saloon zu sein. Flackerndes Feuer im
Kaminofen, großer Holztisch, Felle,
Leder, Pferdehaare, Oldtimersättel,
Beschläge aus Messing, wohin das
Auge blickt. Der 45-Jährige hat sich
auf den Bau von Westernsätteln
spezialisiert. Seit 15 Jahren ist er
selbstständig. Den Namen „High
Horse“ erhielt Stefan Luchmann
1995, als er nach langjähriger
Freundschaft von einer indianischen
Familie vom Stamme der Oglala-
Dakota adoptiert wurde. Sie sind
Nachfahren des legendären „High
Horse“ und tragen heute wesentlich
zum Erhalt indianischer Traditionen
auf der Pine-Ridge-Reservation im
südwestlichen South Dakota bei. Die
Oglala sind ein nordamerikanischer
Indianerstammund gehören zu
den Lakota.
Westernreiter, vom Frei-
zeitsportler bis zum
Profi, zählen zu den
Kunden des sechs-
k ö p f i g e n „H i g h
Ho r s e “ - Te ams .
Luchmann, selbst
Pferdenarr und
„besessen“ von
seinerArbeit,
bietet Service rund ums Pferd. Das
Design der von ihm und Wolfgang
Fey entwickelten Sättel der Marke
„equieflex“ ist nicht nur funktionell,
es erfüllt auch höchste künstleri-
sche Ansprüche. „Der mit Rohhaut
überzogene Sattelbaum ist nicht aus
Holz wie bisher üblich, sondern aus
Kunststoff. Er ist flexibel und passt
sich denBewegungen des Pferdes an.
Als Überzug kommen nur pflanzlich
gegerbte Leder und Schaffelle zum
Einsatz“, beschreibt er „equieflex“.
In Zusammenarbeit mit einer
Firma auf der Schwäbischen Alb
produziert und vertreibt er die
Sättel bis nach Amerika. „Maß-
gefertigte Konfektion“, nennt
er die Kleinserie. Alle
Sattelbeschläge wie D-
Ringe, Schnallen und
Schrauben, ja selbst
Nägel sind aus Edel-
stahl. Lediglich bei
Oldtimersätteln er-
setzen Beschläge aus
Bronze undSchrauben
ausMessingdenmoder-
nen Werkstoff.
Anpassen vor Ort ge-
hört zum Service des
Sattlermeisters wie
Satteländerungen, die
durch Muskelzuwachs
erforderlich werden.
„Komfort und Pass-
formfür PferdundReiter
stehen im Vordergrund.
Und: Nur wer für seinen
Beruf Leidenschaft mit-
bringt, kann darin Erfül-
lungfinden.“Luchmann
gibt sein Wissen gern
an seine Lehrlinge
weiter. Der 17-jährige
Johannes Faußt und
der 19-jährige Leon
Schardt können sich
keinen abwechslungs-
reicherenBerufvorstellen
als Reitsportsattler in der
Fachrichtung Westernsattler.
Liegevergnügen für
Vierbeiner
Sattlerin und Feintäschnerin mit Herz für Tiere, Biker und vielem mehr ...
„Ich wollte für unsere Hunde
passend zum Ambiente unserer
Wohnung einen bequemen und
pflegeleichten Liegeplatz kreieren“,
beschreibt Martina Stapper aus Ober-
haid/Westerwald das Hundesofa.
Es ist neu in der breit gefächerten
Angebotspaletteder40-Jährigen.Seit
April dieses Jahres ist die Sattlerin
undFeintäschnerin selbstständig.Mit
ihrerFirma„SEATS-and-MORE“hat
sie sichnicht spezialisiert. Sie ist
offen für die unterschiedlichs-
ten Aufgaben und „ständig
auf der Suche, Nischen zu
entdecken und zu nutzen“.
Das „Liegevergnügen für
den Vierbeiner“ zählt dazu.
„Ich bin sicher, dass das
Sofa von Hundelieb-
habern für ihr Haus-
tier angenommen
wird.“
Es wird in drei
unterschied-
lichen Größen
angeboten.Der
Kundekannin-
dividuell aus 10
verschiedenen
Ma t e r i a l i e n
in den unter-
schiedlichsten
Farben wäh-
len. „Der
r o b u s t e
Holzkorpus
ist innen weich gepolstert und auch
außen mit Schaumstoff ummantelt.
Die Liegefläche besteht aus 60 mm
softweichem Schaum, 30 mmNatur-
kokos und weiteren 60 mm Schaum-
stoff“, erklärt Martina Stapper den
Aufbau. Die gelernte Schneiderin,
die als Zuschneiderin und Abtei-
lungsleiterin in einer Firma jahrelang
Erfahrungen bei Neuentwicklungen
von beispielsweise Stühlen und
Kinderwagen für behinderte Kinder
sammeln konnte, hat selbst
für Hunde, die unter Gelen-
kerkrankungen wie Hüft-
dysplasie oder Arthrose
leiden, eine „Sofavariante“
im Angebot. Dann kommt
Viskoseschaumstoff zum
Einsatz. „Er ist atmungs-
aktiv und antiallergisch
und wird durch seine
ergonomische An-
passungsfähigkeit
unter anderem im
orthopädischen Bereich als druck-
entlastende Matratze verwendet“,
sagt sie.
Alles paletti fürs Outfit
Auch Biker sind bei Martina Stap-
per, die selbst eine 500er Kawasaki
fährt, an der richtigen Adresse. Ob
Auf-, Ab- und Umpolsterung von
Motorradsitzbänken, Neubezügemit
Einsteppungen, Einstickungen, Nie-
tenverzierung oder Geleinlagen, die
begeisterte Bikerin gestaltet Sitzbän-
ke, die sich vom Standard abheben.
„Weil sich die Komfortsitzbänke gut
versenden lassen, habe ich mir damit
schon über die Grenzen hinaus einen
Namengemacht“, freut sie sich.Auch
Stühle,Eckbänke,Therapieliegenund
FitnessgerätelässtdieSattlerinwieder
zuEyecatchernwerden.Die optimale
Beratung der Kunden steht für Mar-
tina Stapper immer
obenan.
Stefan Luchmann
an einem seiner
Westernsättel.
Alles entsteht
in Hand-
arbeit bei
„High Horse
Saddle“.
Martina Stappers Hunde genießen
schon die Annehmlichkeiten des
neuen Hundesofas.
Steckbrief: „SEATS-and-MORE”, Oberhaid
Gegr. April 2008
|
Auto, Motorrad, Sitzmöbel, Reparaturen, Proto-
typen, Design
|
Tel.: 02626/ 142855
|
Steckbrief:„HighHorseSaddle“,Zehnhausen
Gegr. 1993
|
4 Mitarbeiter, 2 Lehrlinge
|
Westernsättel
in hand
werklicher Ver-
arbeitung, individuelles Design
|
Telefon: 06435/ 5123
|
Steckbrief: B. Gelhard, Ransb.-Baumbach
Forsthaus Rembserhof gegr. 1975
|
13 Mitarb., 1 Lehrl.
|
Gestaltung v. Bä-
dern, Kachelöfen, Zierkeramik
|
Tel.: 02623/ 2648
|
1,2 4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,...16
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