Handwerk Special Nr. 124 vom 6. September 2008 - page 18

Handwerk integriert Migranten – Gemeinsam für die Zukunft
Nr. 124
6. September 2008
Willensstärke
Als Alexey Dubs vor knapp sechs Jahren mit seiner Frau
und zwei Kindern von Russland nach Deutschland kam,
sah seine berufliche Perspektive nicht rosig aus.
Der damals 25-jährige
Traktorist fand eine Wohnung
inBoppardund jobbte
in verschiedenen Firmen.
Eine Lehrstellenan-
zeige der Tischlerei Neiser
weckte sein Interesse.
Ein Vorstellungsgespräch
folgte. Nach drei Wo-
chen Praktikum stand
für beide Seiten fest: Ale-
xey Dubs beginnt eine
Tischlerlehre. „Wir haben
AlexeyMut gemacht,
weil uns seine Geschicklich-
keit, vor allem aber
sein Wille und sein Engagement
überzeugt haben“,
so Tischlermeister Martin Nei-
ser und Ehefrau
Renate. „Ich wusste, dass es finanzi-
ell eng wird.
Trotzdemhatmich die Fürsprachemeines
Chefs und
seiner Frau ermutigt, beruflich noch einmal
von vorn
anzufangen“, erzählt Alexey Dubs. Es
hat sich
gelohnt: Er schloss die Tischlerlehre mit sehr
g u t e n
Ergebnissen ab.
Sein Gesellenstück, ein Küchenturm, belegte im
Innungswettbewerb „Die gute Form“ den zweiten Platz. D a s
Wichtigsteaber:AlexejDubswurdevonTischlermeisterNeisernach
derLehreübernommen.HeuteergänzterdasachtköpfigeTeam.„Ich
binüberglücklich.DieChemiehatvonAnfangangestimmt.Ichhabe
mich menschlich vom ersten Augenblick angenommen gefühlt“,
Alexey Dubs überzeugte durch Leistung
Initiative „HiM” bei der HwK Koblenz
47 Betriebsinhaber stell-
ten Jugendlichen mit
Migrationshintergrund
einen Praktikumsplatz
zur Verfügung.
55 Jugendliche wurden im
Rahmen von HiM individuell
beraten. 30 ausländische Ju-
gendliche bereiten sich in den
HwK-Berufsbildungszentren
in Koblenz, Bad Kreuznach
undHerrstein inverschiedenen
Maßnahmen auf ihre Integrati-
on in die Berufs- und Arbeits-
welt vor. Die Maßnahmen der
Pädagogischen Anlaufstelle
(PA) werden von den örtlichen
ArbeitsagenturenundARGEN
finanziell gefördert.
Infos zu HiM bei der Päda-
gogischen Anlaufstelle der
HwK Koblenz, Tel.: 0261/
398-324, Fax: -989, E-Mail:
Steckbrief: Tischlerei Neiser, Boppard
Gegr. 1982 | neun Mitarbeiter | Türen, Fenster, Treppen, Möbel |
Tel: 06742/ 4950 | Internet:
Erfolgreiches Miteinander
Narin Tahsin kam vor 24
Jahren nach Deutsch-
land. Inzwischen hat
der Kurde ein eigenes
Bauunternehmen in Diez.
Seit August ist Weyss Hamawar
aus Afghanistan sein Lehrling.
„Ich habe nach Fähigkeit und
Geschicklichkeit ausgewählt.
VonWeyss bin ichüberzeugt. Er
weiß, was er will, engagiert sich,
ist fleißig und sehr lernwillig“,
urteilt er über den 17-Jährigen.
„Ich wollte meine Chance auf
Erster Interkultureller Tag der Begegnung bei der HwK
bildung sind der Schlüssel für
die erfolgreiche Integration“,
betonte Alexander Baden, Mit-
glied der Geschäftsführung der
HwK Koblenz, zur Eröffnung
der Veranstaltung. Er verwies
auf die Initiative „Handwerk
integriertMigranten“ (HiM), die
die Kammer vor einem Jahr ge-
startet hat. Betriebsgründungen
von Migranten zu unterstüt-
zen, jugendliche Migranten
in ein Ausbildungsverhältnis
zu integrieren, Fachkräfte zu
qualifizieren und vor allem die
Öffentlichkeit für die Situation
Jugendlicher mit Migranten-
hintergrund zu sensibilisieren
sind die Ziele der Initiative.
„Es besteht Fachkräftemangel,
dennoch findenMigranten nicht
Maurerlehrling Weyss
Hamawar.
so der Kommentar des 31-jährigen Tischlergesellen. Die Arbeit
in der Tischlerei fordert ihn und macht viel Spaß. „In der breiten
Angebotspalette liegt unsere Stärke“, weiß Martin Neiser.
Er ist Fachmann für individuellen Innenausbau, Türen, Fenster,
Treppen, Fußböden, kann aber auch auf hervorragende Referenzen
im Ladenbau, Bürobau und bei Wintergärten verweisen. Jüngster
AuftragistdieAusstattungfürdas„KomischeMuseum“inFrankfurt.
„Wir bauen alle Vitrinen und verkleiden die Wände mit schwarz
gefärbten, ausgefallenen Holzpaneelen.“ Auch die Stadthalle in
Boppard wurde von den Mitarbeitern der Tischlerei Neiser bereits
neu „eingekleidet“.
Alexey Dubs (l.) konnte seinen Lehrmeister
Martin Neiser mit seinem handwerklichen Ge-
schick und seinem Einsatz von sich überzeu-
gen. Heute ist er als Geselle in der Tischlerei
Neiser in Boppard fest angestellt.
eineMaurerlehrstelle unbedingt
nutzen“, soWeyss. „Weil so früh
noch kein Bus fährt, bin ich 14
Tage täglich die 16 Kilometer
zum Betrieb mit dem Fahrrad
gefahren. Ich wäre auch gelau-
fen, damit ich pünktlich um 6
Uhr mein Praktikum beginnen
kann“, sagt er.
Narin Tahsin, Weyss Hama-
war sowie Tutoren, die sich in
Koblenz und Umgebung für
die Integration von Migranten
einsetzen, Ausländerbeiräte und
BetreuerausJugendhilfeeinrich-
tungen folgten der Einladung
der HwK Koblenz zum ersten
„Interkulturellen Tag der Be-
gegnung“.„Sprachbeherrschung
und eine qualifizierteBerufsaus-
genügend Ausbildungsstellen.
Mit HiM wollen wir auch vor
dem Hintergrund des demogra-
fischen Umbruchs das Potenzial
vonjungenMenschenausMigra-
tionsfamilienbesser nutzen.Wir
müssen die Leidenschaft in den
jungen Menschen für ein Ziel
wecken. Das Handwerk nimmt
die Herausforderung an“, so
Baden. Narin Tahsin gehört zu
denacht ausländischenBetriebs-
inhabern, die, um ausbilden zu
können, bei der HwK den Aus-
bildereignungsschein erworben
haben. „Ich freue mich, dass ich
jungen Menschen eine Ausbil-
dungschance geben kann. Die
Nationalität ist dabei egal.“
Maria Weber, Beauftragte der
Landesregierung für Migra-
tion und Integration, verwies
darauf, dass „die Integration
bereits im Kindergartenalter
beginnt“. „Integration umfasst
die frühe sprachliche Phase, die
allgemeinbildende Schule und
den Übergang in eine Berufs-
ausbildung und reicht bis zur
Begleitung nach der Lehre.“
Die Rolle der Eltern hob auch
RalfMannebach, Schulleiter der
Goethehauptschule in Koblenz,
hervor. „Ohne die Mithilfe der
Eltern geht es nicht“, bekräftigt
der Pädagoge.
Am „Interkulturellen Tag der Begegnung” der HwK trafen sich alle, die sich mit
dem Thema Integration von Migranten beruflich oder privat auseinandersetzen.
Eine bulgarische Folk-
loredarbietung rundete
das Programm ab.
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