Handwerk Special Nr. 124 vom 6. September 2008 - page 27

Künstlerisches aus der Edelsteinregion um Idar-Oberstein
Nr. 124
6. September 2008
Wenn Graveurmeis-
ter Arthur Szulkow-
ski aus Rötsweiler
bei Idar-Oberstein
mit sehr viel Fein-
gefühl und künst-
lerischem Touch
Buchstaben, Wap-
pen, Widmungen
und vie­les
mehr in
Gold, Silber,
Zinn und an-
dere Metalle
graviert,
bekommen
sie Per-
sönlichkeit.
Einkleinwenig verrückt ...
„In unserem Beruf muss
man schon verrückt sein
und ein klein bisschen
spinnen, um Unge-
wöhnliches zu wagen“,
ist Michael Peuster,
Edelsteingraveurmeister
und staatlich geprüfter
Schmuckgestalter aus
Idar-Oberstein/Tiefen-
stein, überzeugt.
Edelsteingraveurpaar Peuster arbeitet grenzenlos
ruhigen Hand, Konzentration
und zeichnerischem Talent, um
die unterschiedlichsten Motive
auf die Steine zu übertragen“,
ergänzt er.
Der 41-Jährige und Ehefrau
Claudia, ebenfalls Edelsteingra-
veurmeisterin,„experimentieren,
probieren, zeigen und verkaufen
eigenes Design auf der ganzen
Hanna Herzsprung, die sich bei
der Verleihung des Bayrischen
FilmpreisesmitOhrringenMade
by Peuster schmückte.
„Wir sind dem Schwung des
Jugendstils verfallen, er spie-
gelt sich in unseren Objekten,
unserem Schmuck und gemal-
ten Kristallen wider“, so die
Peusters. Für beide ist es der
absolute Traumberuf. Kreativi-
tät auszuleben ist ihr Credo. Im
Team ergänzen und beflügeln
sie sich.
Königsbüste
aus Marmor
Eine überlebensgroße Marmor-
büste des thailändischen Königs
zählt zu den ungewöhnlichen
Aufträgen des Graveurehe-
paares. Als Vorlage dienten ein
Gipsmodell der Büste und meh-
rere Fotos des Herrschers König
Bhumibol Adulyadej Rama IX.
Ein Spezialist wählte den pas-
senden Marmorblock aus dem
berühmten Steinbruch Carrara
in Italien aus und lieferte das
2.200 Kilo schwere
Stück nach Tiefen-
stein. Knapp zwei
Jahrehabendie
Peusters an
dem Stein
gearbeitet.
„Die Büs-
t e wi eg t
6 5 0 K i -
l o g r amm
und wurde
mit einem
S p e z i a l -
t a n s p o r t
nach Thai-
land geflo-
gen. Eine
A u d i e n z
beim zu-
friedenen
König war
für uns die
besondereAuszeichnungfüreine
schwierige Arbeit“, so Claudia
Peuster.
„ReinweißesMaterialhatkeiner-
leiSchattierungen.Gesichtszüge
hinzubekommen ist deshalb sehr
kompliziert“, erinnert sich Mi-
chael Peuster. Er verweist auf die
Durchbrüche bei denBortenund
Orden an derUniform, wo jeder-
zeit etwas irreparabel abbrechen
konnte. „Wir haben uns mit dem
Werk sehr weit vor gewagt, sind
aber damit unserer Auffassung
von der Arbeit gerecht gewor-
den“, erklären beide.
Steckbrief: Michael u. Claudia Peuster, Idar-O.
Gegr. 1991 | 2 Meister, 2 Lehrl. | Edelsteingravuren, Schmuck, ge-
malte Kristalle | Tel.: 06781/ 36318 | E-Mail:
I
nfos
Handwerk pur
Graviertechnik
Das Verzieren von Gegenständen durch das Einritzen von Mus-
tern findet sich schon in der Urzeit. Später wurden die eigenen
Werkzeuge gekennzeichnet und Zahlungsmittel in Form von
Münzen hergestellt.
In der Antike entstand im Mittelmeerraum eine erste Blütezeit
künstlerischen Schaffens, das mehrere Arbeitstechniken mitein-
ander verband. In späteren Epochen erfolgte die Spezialisierung
in die Berufe des Metalldrückers und des Ziseleurs.
Bei der HwK Koblenz sind zwölf Graveurbetriebe eingetragen.
... bei der Handwerksrolle, Tel.: 0261/ 398-261,
E-Mail:
Steckbrief: Arthur Szulkowski, Rötsweiler
Gegr. 1988 | 2 Meister, 1 Lehrl. | Wappen, Monogramme, Siegel,
Schmuck, Prägewerkzeuge | Tel. : 06787/ 1541 |
Graveurmeister Arthur Szulkow­
ski bearbeitet eine Reliefgravur.
„Wir transportieren unsere
Gefühle in den Schmuck und
spielen mit dem Material“, be-
tont er. „Wir lösen uns von der
konventionellen Edelsteingra-
vur, lassen unser Herz sprechen
und die Faszination der Steine
wirken. Dann bedarf es einer
Welt“. Prominente aus Kultur
undGesellschaft, unter ihnendie
japanischePrinzessin, der Sultan
vonOmanoder die thailändische
Königsfamilie, besitzen Porträt-
gravuren und Gemmen aus Tie-
fenstein. Sir Elton John bestellte
ebenso wie die Schauspielerin
Edel­
stein­
graveur­
meister
Michael
Peuster
wagt in
seiner
Arbeit
gerne
Unge­
wöhn­
liches.
Edel­
steingra­
veurmeis­
terin Claudia
Peuster gibt
der Marmorbüste
ein Gesicht.
Stichelei gefragt
Graveurmeister ritzt Persönliches
Dann sind „Sticheleien“ beispielsweise als Ausdruck von Sym-
pathie und Freundschaft in Schmuckstücken als individuelles
Geschenk gewünscht. Ein Name oder ein Datum ist dann im
Sinne des Wortes geritzt. „Zu meinen Aufgaben gehört neben
den Handgravuren auch das Anfertigen von Prägewerkzeugen
für die Münz- und Medaillenprägung, das Herstellen von Stem-
pelwerkzeugen zum Einprägen, Einbrennen und Drucken sowie
die Anfertigung von Modellen jeglicher Art“, erklärt Szulkow-
ski.
Seit 20 Jahren ist der 49-Jährige selbstständig. „Unsere Arbeit
ist so gut wie unvergänglich. Jeder Stich ist ein Original. Auf
Einfallsreichtum und handwerkliches Geschick kann in unserem
Beruf trotz aller Technisierung in vielen Bereichen nicht ver-
zichtet werden. Das macht natürlich Spaß, zumal ein eigener Stil
geprägt werden kann“, so Szulkowski.
Seine in Relief- und Flachgravurtechnik gefertigten Arbeiten
sind über die Grenzen hinaus gefragt. Dazu gehören beispiels-
weise auch Siegelringe, Prägestempel für Silbermünzen und
Orden.
Seit 1. August bildet er im Verbund mit einem Industrieunter-
nehmen aus Idar-Oberstein einen Lehrling aus. „Während der
junge Mann dort unter anderem an computergesteuerten Gra-
viermaschinen arbeitet, steht bei mir die Handgravur mit dem
Sticheln im Vordergrund“ erklärt der Handwerksmeister.
1...,17,18,19,20,21,22,23,24,25,26 28,29,30,31,32
Powered by FlippingBook