Handwerk Special Nr. 100 vom 1. September 2004 - page 5

1. September 2004
Nr. 100
Interview zum Messestandort Koblenz
Messepremiere 1987:
Ministerpräsident Dr.
Bernhard Vogel signiert das
Messelogo mit dem
Schlusspunkt.
Messerundgang 1993: Minister-
präsident Rudolf Scharping mit
HwK-Präsident Karl-Heinz
Scherhag und Hauptgeschäfts-
führer Karl-Jürgen Wilbert.
Kurt Beck mit Messelogo am
Revers: Der Minister-
präsident suchte auf der
Messe gern das Gespräch mit
Ausstellern und Besuchern.
Koblenzer Messelandschaft im Umbruch
Karl-Jürgen Wilbert über die Messeabsage und Perspektiven des Messestandorts Koblenz
„Das Erfolgsrezept der Messe“,
so Wilbert, der sich als Ge-
schäftsführer der Messe immer
auch persönlich in das Messe-
geschehen einbrachte, war ihre
„Vielseitigkeit, die Mischung
aus Information, Unterhaltung
und Handwerk zum Anfassen.
Und doch mussten wir uns kri-
tisch mit der Entwicklung des
MessestandortsKoblenzundmit
der Handwerksmesse auseinan-
dersetzen.“ Im Interview erläu-
tert Wilbert die Situation und
gehtaufPerspektivendesMesse-
standorts Koblenz ein.
Über die Einstellung der
Handwerksmesse Koblenz
ist seit der Pressekonferenz
am 21. Juni viel spekuliert
worden. Mit ein wenig
Abstand: War es die richti-
ge Entscheidung?
Wilbert: Ja, sie war richtig im
Sommer 2004 für die Veranstal-
tung 2005 und folgende. Vor
rund 20 Jahren hatten sich die
Gremien der Kammer nach in-
tensiver Erörterung, auch nach
Gesprächen mit der Landesre-
gierung und der Stadt Koblenz,
entschlossen, für denNordendes
Landesmit derMesse einenwirt-
schaftspolitischenAkzentzuset-
zen. Die Handwerksmesse Ko-
blenz wurde zum großen Erfolg,
getragen von der HwK Koblenz
Nach langen, intensiven Beratungen hat die Handwerkskammer Ko-
blenz als Träger der MESSE AM RHEIN: Handwerksmesse Ko-
blenz vor mehr als zwei Monaten entschieden, die Handwerksmesse
nicht mehr durchzuführen. „Eine Entscheidung, die uns nicht leicht
gefallen ist, doch die konsequent und richtig ist“, so Dr. h.c. Karl-
Jürgen Wilbert, der als HwK-Hauptgeschäftsführer und Geschäfts-
führer der Messe GmbH maßgeblich diese 20-jährige Erfolgsstory
prägte und 1987 die Idee einer Handwerksmesse an Rhein und Mo-
sel in die Tat umgesetzt hatte. Ergebnis war die MESSE AM RHEIN:
Handwerksmesse Koblenz, die schnell zu einer regionalen wie auch
internationalen Topadresse in Sachen Handwerk wurde.
undder Solidargemeinschaft des
Handwerks.DieMärktefürMes-
sen dieser Art haben sich indes
geändert, nicht nur in Koblenz.
Die finanziellen Risiken sind
größer geworden und die öffent-
lichenMitstreiterhierzulandeha-
ben sich zu unserem Bedauern
aus der gemeinsamen Verant-
wortung für eine solche Wirt-
schaftsmesseverabschiedet.Dies
ist bei vergleichbaren Messen in
Deutschland nicht gängige Pra-
xis. Anderswo ist man sich der
gemeinsamen Verantwortung
für die wirtschaftliche Entwick-
lung, die sich immer aus solchen
Messen ergibt, bewusster. Für
uns konnte es keine andere Ent-
scheidung geben. Mit einem fi-
nanziellen Defizit wollten wir
die 10. Messe am Rhein in 2005
nicht durchführen.
Verbinden Sie damit auch
das Aus für den Messe-
standort Koblenz?
Nein, wirmüssen über neue For-
men nachdenken und die Häupt-
linge in der Region sollten es
auch tun. Den Dialog haben wir
über Jahre gesucht, denn es ging
uns nicht nur umdieHandwerks-
messe in Koblenz, sondern um
ein schlüssiges Gesamtkonzept
für den Messe- und Kongress-
standortKoblenz.Wirhabendies
sehr früh in einemKatalog deut-
lich gemacht und Möglichkei-
ten aufgezeigt. Die Themen-
schwerpunktereichtenvonAuto,
Freizeit und Vergnügen über
Hochschulen, Kultur und Medi-
en bis hin zu Wellness. Dabei
ging es nicht nur um klassische
MessenundAusstellungen, son-
dern immer auch um die damit
verbundenen Tagungen und
Kongresse.
Kann Koblenz nicht ein-
fach darauf verzichten?
Nicht, wenn Koblenz Profil ha-
ben will. Sonst nützt keine Bun-
desgartenschau, kein Weltkul-
turerbe, keine Museen und kein
Wirtschaftsstandort,keinZentral-
platz mit internationalem Flair,
auch kein Vulkanpark. Koblenz
braucht ein Messe- und Kon-
gresszentrum.DieVeranstaltun-
gen in der Halle auf dem Ober-
werth, Gastvisiten des Zirkus
Krone, Rhein in Flammen und
Verbraucherausstellungen rei-
chen nicht aus. Es sei denn, man
will es so.
Jetzt gibt es die Messe
„Rheinland-pfälzischen
Frühling: Leben, Bauen,
Wohnen, Freizeit“ in Ko-
blenz. Ist dies nicht der
Weg Richtung Zukunft?
Ich bewundere, mit welcher
Schnelligkeit eine Verbraucher-
ausstellung auf dem Messege-
lände mit viel Happiness und
fröhlicherBuntheithervorgezau-
bert wurde. Dies verspricht Ab-
wechslung, Besucher und Un-
terhaltung. Zum Erfolg will ich
gerne beitragen. Aber mit der
LösungdesungelöstenProblems
oderderRückkehrzumursprüng-
lichen Messegedanken hat dies
nichts zu tun. Das Handwerk
wird sich beteiligen. Aber für
das Profil einer Region, in der
sich überregional Wirtschaft,
Wissenschaft und Kultur treffen
können, braucht man ein paar
Zutaten mehr.
Ein Wort zur Finanzie-
rung: Das Land hat sich
doch in der Vergangenheit
finanziell beteiligt?
Ein Schelm, der das leugnete.
Aber man wird jetzt und in Zu-
kunft dennoch nicht auf diese
Unterstützung verzichten kön-
nen. Ein Blick innerhalb und
außerhalb des Landes beweist
das. Die vorschnell geäußerten
offiziellen Argumente sollten
noch einmal überdacht werden.
Das Landwird durch eine Betei-
ligung ja nicht zu einem Messe-
veranstalter. Es bleibt dabei: Es
geht darum, welche Art der För-
derung man einer Region ange-
deihen lassen will oder nicht.
Sie haben vor einigen
Wochen gesagt, die Ent-
scheidung der Kammer
könne für das Messe- und
Kongresswesen auch zu
einem positiven Impuls
werden.
Vielleicht. Möglicherweise for-
mieren sich alle Interessierten;
Heute, Morgen, Übermorgen.
Die öffentliche Hand kann sich,
auch wenn sie es möchte, nicht
zurückhalten. Die Frage des
Standortes muss neu überlegt
werden: Im Stadtgebiet oder am
Mittelrhein. Koblenz, Neuwied,
Mayen, Lahnstein oder Monta-
baur müssen sagen, was sie an-
streben. Auch die Wirtschafts-
organisationen sollten zusam-
menarbeiten, die Messe-Einzel-
interessen sollten zurückgestellt
MESSE AM RHEIN:
Handwerksmesse Koblenz
Zahlen & Fakten
Premiere: Die erste MESSE
AM RHEIN fand vom 29.
April bis 3. Mai 1987 statt.
Rund 52.000 Besucher ka-
men. Schnell wird deutlich:
Besucher- und Ausstellerzu-
spruch verlangen nach einer
Fortsetzung der Erfolgsstory.
Die Messe findet ab dann alle
zwei Jahre Ende April, An-
fang Mai an sieben Tagen
statt. Die Ausstellerzahlen
sind beachtlich: Zur 9. Messe
2003 sind es über 500 Aus-
steller aus 20 Nationen auf
einer Fläche von 30.000 qm.
Mehrere Sonderschauen
bereichern seit Jahren die
Messe, hinter der viele Orga-
nisationen des Handwerks
stehen: Innungen, Kreishand-
werkerschaften und Fachver-
bände stellen mit verstärktem
Engagement regelmäßig aus.
werden. Die HwK hat ihr risiko-
reiches Engagement zurückge-
zogen, ohne den Blick für die
Region zu verlieren, mehr nicht.
Noch ein persönliches
Wort: Die Messe war stets
eng mit der Kammer und
hier mit ihrem Namen ver-
bunden. Welche Gedanken
gingen Ihnen am Tag der
Absage durch den Kopf?
Natürlich lässt sich hier das Per-
sönliche nicht ganz vomDienst-
lichen trennen. Davon hat auch
die Messe selbst gelebt, denn
der Einsatz aller Beteiligten, be-
sonders der HwK-Mitarbeiter,
war stark geprägt vom persönli-
chen Engagement über den nor-
malen Dienst hinaus. Das hat
sich auch in der Messe widerge-
spiegelt, die einem hohem An-
spruch auch im Erscheinungs-
bild gerecht wurde und deren
Durchführung selbst für viele
eine Herausforderung war, die
sie gerne angenommen haben.
Dafür steht auch Handwerk
special. Das Magazin kam je-
weils zum Messestart mit Re-
kordseitenumfängen heraus und
dann mit aktuellen Bildern und
Berichten ein zweites Mal wäh-
rend der Messe. In der Beurtei-
lung der Messe als solches dür-
fen Emotionen jedoch nicht die
Oberhand gewinnen, hier muss
der verantwortungsvolleEinsatz
von Kammermitteln imVorder-
grund stehen. Der Kopf muss
entscheiden.
Herr Wilbert, vielen Dank.
Regelmäßig beim
Handwerk auf der
Handwerksmesse:
Wirtschaftsminister
Hans-Artur Bauckhage.
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