Handwerk Special Nr. 92 vom 12. März 2003 - page 12

Vom Umgang mit dem Geld der Handwerker
12. März 2003
Nr. 92
Handwerksmesse Koblenz
MESSE AM RHEIN:
29. April bis 5. Mai
Normalität: Zahlungs-Unmoral
Auftrag, Arbeit - und kein Lohn: Wenn die
Auftrag, Arbeit und dann kommt der
Lohn - so sollte es eigentlich sein. Doch
das „gute Geld für gute Arbeit“ bleibt in
dieser Dreiecksbeziehung häufig auf der
Strecke, ob kommunaler, gewerblicher
oder privater Auftraggeber. Das ergab
eine Exklusiv-Umfrage der HwK Ko-
blenz unter selbstständigen Handwerks-
meistern und Handwerksverbänden im
nördlichen Rheinland-Pfalz.
Nicht die schlechteAuftrags-
lage besonders im Baube-
reich stelle das größte exis-
tenzielle Problem dar, gibt
HwK-Präsident Karl-Heinz
Scherhag seine Erfahrung
aus Gesprächen mit Hand-
werkskollegen wieder, son-
dern die mangelhafte Zah-
lungsmoral. „Alles muss
fristgerecht laufen, die Handwerksarbeit
muss ‘1a’ sein. Geht es aber um die Bezah-
lung, werdendieseWerte aufgehoben.“
Vor diesemHintergrund, unterstreicht
Scherhag, veranstaltet dieHwKüber
ihren umfassenden Beratungsser-
vicehinausam12.AprilimHwK-
City-Büro amKoblenzer Fried-
rich-Ebert-Ring 31 einen In-
formationstag zum Thema:
„Haben Sie ihre Außenstän-
de im Griff? - So kommen
Sie an Ihr Geld“. Dabei gibt
es zahlreiche Informationen
- vom richtigenVertrag über
das Mahnwesen bis hin zum
Thema Zahlungsaufschub.
Eine Feststellung des deutschen
Städtetages ist ernüchternd:
Die Kommunen sehen sich
Ende 2003 voraussichtlich
einemDefizit von 9,9Mil-
liarden Euro gegenüber.
Die desolate Lage öff-
net einem „kreativen“
Umgangmit derBezahlung
vonAufträgen Tür und Tor - bei
30.000 öffentlichen Auftraggebern
jährlich, die nach Auskunft des rheinland-
pfälzischen Wirtschaftsministeriums Auf-
träge im Wert von 280 Milliarden Euro
(rund ein Viertel des Bruttoinlands-
produkts!) vergeben. Es ist nicht zuerst die
schlechteAuftragslage, die denMittelständ-
lern zu schaffenmacht. Jede vierteBetriebs-
aufgabe, so offizielle Schätzungen, war im
Jahr 2002 verursacht durch den Zahlungs-
verzug der Auftraggeber.
Zahlungseinbehalte
„Aus unserer Sicht befindet sich die Zah-
lungsmoral auf einem Tiefststand, ob es
sich um öffentliche, private oder gewerbli-
che Auftraggeber handelt“, bestätigt Her-
mann Diekmann, Obermeister der Sanitär-
und Heizungstechnik-Innung Ahrweiler.
Zusätzlich belastet die Betriebe der harte
Preiskampf auf dem Bausektor: „Wir wol-
len qualitativ hochwertige Arbeit leisten“,
so Diekmann. „Die hat allerdings ihren
Preis.“ Treffen ruinöser Wettbewerb und
mangelnde Zahlungsmoral aufeinander,
drohen vielen Handwerksunternehmen
fremdverschuldete Finanzprobleme, die
schlimmstenfalls im Konkurs enden.
Bezahlung auf die ganz lange Bank geschoben wird
Die Arthur Richter GmbH aus Koblenz ist
ein solcher Fall. Der Betrieb, spezialisiert
aufKlimatechnik, wartete u.a. aufGel-
der des Staatsbauamtes Nordrhein-
Westfalen - vergebens. „Es wurden
unwesentlicheMängel zumAnlass für
Zahlungsverweigerungen genommen.
Hinzu kam, dass zuständige Sachbe-
arbeiter in Urlaub waren oder wech-
selten und wichtige Ansprechpartner
aufBehördenseite fehlten.Absprachen
wurden so erschwert und damit schon
im Vorfeld Probleme geschaffen“, so der
Finanzbuchhalter Gerhard von Benthen.
lastet“, so Gerhard Becker. „Am Ende der
Kette stehen wieder die Handwerksbetrie-
be, die auf ihr Geldwartenmüssen.“ ImFall
des Koblenzer Münzplatzes waren es
Schwierigkeiten imBauablauf, die das Pro-
jekt eines Altstadtdomizils beinahe zu Las-
ten der beteiligten Handwerker gestoppt
hätten. Zahlungen wurden immer wieder
aufgeschoben, da die Wohnungen nicht so
schnell verkauft werden konnten wie ur-
sprünglich geplant. Mittlerweile ist sicher,
dass die Handwerker ihr Geld erhalten wer-
den. Möglich war dies durch eine enge Ko-
operation der Beteiligten, bei der inAbspra-
che mit der Sparkasse Koblenz die Haupt-
geschäftsführer derHandwerkskammerKo-
blenz, Karl-Jürgen Wilbert, und der
Kreishandwerkerschaft Mittelrhein, Karl-
heinz Gaschler, die Interessen der Hand-
werker wahrnahmen.
Rahmenbedingungen verbessern
Der Unsitte der mangelnden Zahlungsmo-
ral könnte mit einer Verbesserung der
Sicherungsrechte für Zahlungsansprüche
der Betriebe entgegen getreten werden, die
vom Handwerk seit langem gefordert wird.
Die derzeitigen Regelungen basieren noch
auf dem „Gesetz zur Sicherung von Bau-
forderungen“ aus dem Jahre 1909. Zwar hat
der Gesetzgeber mit dem „Ge-
setz zur Verbesserung der Zah-
lungsmoral“ bereits Neuerun-
gen zum Vorteil der Betriebe
eingeführt, diese reichen je-
doch nach übereinstim-
mendem Urteil des
Handwerks noch nicht
aus.
Helmut Brand, Obermeis-
ter der Baugewerks-Innung
Cochem-Zell und seit 18 Jah-
ren als Sachverständiger tätig,
mahnt zudem: „Gerade kleine-
re Betriebe verzichten oft auf
genaue vertraglicheRegelungen
mit den Auftraggebern. Ich rate
aber dringend dazu, da dies Kom-
plikationen bei der späteren Abnahme von
vornherein ausschließt.“
Beratungsangebote der Handwerkskammer
Ein umfangreiches Beratungsangebot bietet die Handwerkskammer Koblenz an.
„Gründer und Neulinge sollten unbedingt die einzelbetriebliche Beratung in Anspruch
nehmen, sich den Arbeitskreisen zu dieser Problematik anschließen oder unsere
speziellen Seminare besuchen“, erklärt Stefanie Binge, Leiterin der HwK-Betriebs-
beratung. „Wir informieren darüber, wie Verträge mit den Bauherren aussehen sollten,
und weisen auf eventuelle Fußangeln hin. Dabei arbeiten wir eng mit unserer
Rechtsberatung zusammen.“ Bei unbekannten Auftraggebern und großen Projekten
sollte eine vorherige Beratung auch für „alte Hasen“ Pflicht sein: „Sonst fallen
Kalkulationen so knapp aus, dass es bei Zahlungsverzug wirklich eng für die Handwer-
ker wird“, weiß die Betriebsberaterin. Sollte der Negativ-Fall trotz aller Vorsichtsmaß-
nahmen eingetreten sein, die Zahlungen auch nach mehrmaliger Mahnung ausbleiben
und ist auch auf Verhandlungsebene nichts mehr zu erreichen, bleibt nur noch der
Rechtsweg. „Auch in diesen ‘Notfällen’ unterstützen wir in Zusammenarbeit mit
unseren Juristen die Betriebe“, so Binge.
Informationen bei der HwK-Betriebsberatung:
Tel.: 0261/ 398-251, Fax: 0261/ 398-994
E-Mail:
ternet:
„Dies war nicht der einzige Grund, weshalb
wir in nicht mehr zu bewältigende finanzi-
elle Probleme gerieten, aber in wirtschaft-
lich schwierigen Zeiten kann so etwas das
Fass zum Überlaufen bringen. Dann bleibt
nur noch der Gang zum Insolvenzgericht.“
Mangelnde „Bearbeitungsmoral“
Zahlungenmit demHinweis auf angebliche
Mängel zu verweigern oder damit den Preis
zudrücken, beschreibt auchReinholdHorre,
Geschäftsführer des Fachverbandes Sani-
tär-, Heizungs- und Klimatechnik Rhein-
land-Rheinhessen: „Das hat sich mittler-
weile zu einemregelrechtenVolkssport aus-
gewachsen.“ Selbst in Betrieben, die die
vorbildliche Zahlungsmoral der Auftragge-
ber herausstellen, sind Probleme mit Sach-
bearbeitern eine bekannte Erscheinung.
„Über die Zahlungsmoral der Auftraggeber
können wir uns nicht beklagen, man kann
aber von einer mangelnden ‘Bearbeitungs-
moral’ seitens einzelner Sachbearbeiter spre-
chen. Hier fehlt es an Problembewusstsein.
Ist ein Sachbearbeiter krank, verzögern sich
Zahlungen, und die Betriebe können schon
durch solch banale Umstände in Schwierig-
keiten geraten“, so Gerhard Becker, Proku-
rist beimStraßenbauer-BetriebHorst Schulz
in Koblenz.
Manchmal sind es auch bürokratische Ver-
fahrensweisen, die Handwerker in Finanz-
nöte bringen: „Wenn das Aufmaß dreimal
mit kleinsten Änderungen zurückgegeben
wird, wartet man noch auf die erste Ab-
schlagszahlung, wenn der Rohbau fertigge-
stellt ist. Andere Auftraggeber verfahren
nachderDevise ‘abwarten’ und zahlennicht,
weil sie befürchten, dass ein Betrieb die
Bauzeit des Projektes nicht überlebt. Ich
warte derzeit auf 45.000 Euro, verursacht
durch derlei Hinhaltetaktik“, so
Friedhelm Schmitz, Obermeis-
ter der Installateur- und Hei-
zungsbauer-InnungMittelrhein/Mosel.
Fallbeispiel Münzplatz
Probleme für dieBetriebe er-
geben sich auch durch
Abstimmungsschwierig-
keiten mit zuständigen
Ingenieurbüros: „Die-
se sind häufig über-
Viel zu oft laufen die Handwerker ihrem Geld hinterher und geraten da-
durch mit ihrem Betrieb in eine finanzielle Schieflage.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16,17,18
Powered by FlippingBook