Handwerk Special Nr. 84 vom 21. November 2001 - page 20

Axel Krahe und seine derzeitige
„Schulbank“, die neu eingerich-
tete Ausbildungswerkstatt für
das Tischlerhandwerk im HwK-
Bauzentrum in Koblenz.
Junge Handwerker und warum der Meisterbrief ihnen wichtig ist
21. November 2001
Nr. 84
Die 21-jährige Ingrid Glanz
aus Gerbach erzählt über ih-
renWerdegang in einem „typi-
schen“ Männerberuf:
Eine ungewöhnliche Entschei-
dung war schon meine Lehre
zur Straßenwärterin, die ich von
1997 bis 2000 absolvierte. Die
abwechslungsreicheTätigkeiten
im Freien, von der Grünpflege
bis zur Erhaltung von Straßen,
waren es, die denBeruf fürmich
attraktiv machten. Natürlich ist
diese für eine Frau selteneWahl
nicht überall auf Begeisterung
gestoßen. MeinVater beispiels-
weise hatte damals Bedenken,
da man ja doch Gefahren, etwa
bei Arbeiten an stark befahre-
nen Straßen, ausgesetzt ist.
Mittlerweile hat sich
das aber gelegt und
auch meine Familie
sieht, dass die Ar-
beit genau das Rich-
tige für mich ist. Al-
lerdings wollte ich
auf meinem bisheri-
gen Wissensstand
nicht stehen bleiben.
Dass ich einmal eine
Weiterbildung ma-
chen werde, war da-
her schon von An-
fang an klar, eigent-
lich seitdem ich die
Schule absolviert
habe. Als ich dann
beimeinemkommu-
nalen Arbeitgeber in Worms
sah, dass dort händeringend
nach Straßenbauermeistern ge-
sucht wird, entschloss ichmich,
die Meisterakademie der Hand-
Ingrid Glanz bringt Frauen-
Power auf die Straße
werkskammer zu besuchen, da
sich dadurch neue berufliche
Perspektiven eröffnen.
Jungen Frauen, die ähnliche
Zukunftspläne wie ich haben,
kann ich nur raten, sich nicht
entmutigen zu lassen. Natürlich
ist es nicht immer einfach, die
einzige Frau in der Berufsschul-
oderMeisterklasse zu sein.Man
sollte die Fähigkeit besitzen,
sich durchzusetzen, auch wenn
mal der eine oder andere
„Spruch“ fällt. Bei uns ist der
Zusammenhalt in der Klasse
sehr gut und ich habe nicht den
Eindruck, dass es eine Rolle
spielt, dass ich erst die zweite
Frau bin, die in Koblenz ihren
Meister inunseremBerufmacht.
Auch ein bisschen körperliche
Fitness ist gefordert; die kann
man aber auch ganz „weiblich“
bei Aerobic oder Gardetanz er-
langen, wie ich es mache.
Tischler Axel Krahe:
„Kein Millionär, aber frei und unabhängig“
Sein Leben soll nicht nur
von Arbeit bestimmt sein,
wenn das Wetter gut ist,
möchte er auch mal sa-
gen, ohne zufragen: Jetzt
mach ich Feierabend.
Einen schönen Ur-
laub im Jahr will
er sich leisten, ei-
nen Porsche
nicht. Axel
Krahe
ist
Tischler, zur
Zeit bereitet er
sich bei der
HwK-Meister-
akademie auf die
Meisterprüfung
vor.
Er ist einer von 18 jungenHand-
werkern im Meisterkurs für
Tischler - einer mit ganz indivi-
duellen Zielen, Vorstellungen
vom Leben und der Rolle des
Berufes in diesemLeben.Wann
und warum fiel der Entschluss,
Handwerker zu werden, warum
will er jetzt Meister werden?
Will er anschließend ein Unter-
nehmengründen,welcheErwar-
tungen verbindet er damit?
Praktikum hilft mit
1970geboren, fällt dieEntschei-
dung für einen Handwerksbe-
ruf recht früh: der Vater ist Kfz-
Techniker, der Bruder Maler.
Nach einem Schulpraktikum
weiß Axel Krahe: „Ich will
Tischler werden!“, auch wenn
der Vater ihm empfiehlt, Metz-
ger, Bäcker oder Koch zu wer-
den - „Gegessen wird immer!“.
Ausgebildet wird der junge
Handwerker aus Sinzig in der
Tischlerei Nürenberg in Rema-
gen, zu der er bis zum heutigen
Tag ein gutes Verhältnis hat und
die auch in der Zukunftsplanung
eine wichtige Rolle spielt. Par-
allel zur Arbeit legte der Meis-
ter in spe die Teile III & IV der
Meisterprüfung (Wirtschaft,
Recht und Pädagogik) ab. „Die
Doppelbelastung war hoch, auf
der Schulbank hatte ich oft noch
die Arbeit im Kopf.“
Logische Konsequenz: Die
fachpraktischen und -theoreti-
schen Teile I & II absolviert er
nun in Vollzeit bei der HwK
Koblenz. Kein Zuckerschle-
cken, so Krahe, denn die fachli-
chen Ansprüche sind hoch, die
finanziellen Belastungen eben-
so. „Ich habe Meister-Bafög
beantragt und auch erhalten.“
In 25 Berufen Vollzeit
Info-Tel.: 0261/ 398-400
In 25 Berufen bietet die
HwK-Meisterakademie
Vorbereitungslehrgänge auf
die fachpraktischen und
fachtheoretischen Teile
(I&II) der Meisterprüfung in
Voll- und Teilzeit an.
Infos und Anmeldung bei
der HwK-Meisterakademie:
Tel.: 0261/ 398-400
Fax: 0261/ 398-990
E-Mail:
Internet:
HwK-Meisterkurs
Er lobt die gute Bearbeitung
seinesAntrages durch dieKreis-
verwaltung Ahrweiler, die ihm
bei Problemen auch mal half.
„Mit einem normalen Arbeits-
lohn kann die Förderung aller-
dings nicht mithalten.“ So lebt
der 31-Jährige unter anderem
vomErsparten. Undmacht deut-
lich, dass der Entschluss zur
Meistervorbereitung auch des
Geldes wegen nicht spontan
kommen kann, sondern gut
überlegt sein will.
Der Weg zum Lebenstraum
Bereut hat er die Entscheidung
trotz alledem nicht, dafür sind
seine Ziele und Erwartungen,
die sich mit dem Meisterbrief
verbinden, zu konkret. Nach
dem Abschluss Anfang März
will er die HwK-Qualifizierung
„Restaurator in der Denkmal-
pflege“ absolvieren. Darin sieht
er einen wichtigen Bestandteil
seines künftigenUnternehmens-
konzeptes, das sich um die Auf-
arbeitung und Reparatur histo-
rischer Holz-Objekte dreht.
Doch auch hier weiß er um die
Mühe, die sich damit verbindet:
Weite Strecken im nördlichen
Rheinland-Pfalzwird er auf sich
nehmen, um ins HwK-Zentrum
fürRestaurierungundDenkmal-
pflege nach Herrstein zu kom-
men. Und doch ist das Ziel loh-
nenswert, bringt ihm seinen
Lebenstraum näher.
Auf die Frage, wo er sich und
sein Unternehmen in zehn Jah-
ren sieht, antwortet Axel Krahe
sehr konkret: „Ein fester Kun-
denstamm ist mir wichtig, Auf-
träge, die den Erfolg des Unter-
nehmens sichern, aber nicht die
Arbeit Tag und Nacht zur Folge
haben. Ein bis zwei Mitarbei-
ter, einen Lehrling.“ Er will
langsam wachsen, aus der wirt-
schaftlichen Situation des Be-
triebes heraus. Bei den ersten
Schritten dahin wird ihn sein
ehemaliger Ausbildungsbetrieb
unterstützen, der einen Teil der
Arbeiten an den Jungunter-
nehmer abgeben wird.
Beruf und Unternehmen sind
fester Teil seines Lebenstrau-
mes, sagt Krahe. Sie werden
viel Engagement vomHandwer-
ker fordern, als Lohn seiner
Arbeit werden sie ihmaber auch
Möglichkeiten eröffnen, die
dem jungen Mann wichtig sind.
„Ich bin mein eigener Chef.
Meine Freizeit ist mir wichtig,
hier will ich frei und unabhän-
gig sein.“Millionär, sagt er, will
er gar nicht werden...
Die angehende Straßenbauermeis-
terin Ingrid Glanz aus Gerbach
Erfinderclub Junges Handwerk
1999 rief die HwKKoblenz den
„Erfinderclub Junges Hand-
werk“ ins Leben. Er spricht
Handwerkslehrlinge undGesel-
len an, die Freude am Experi-
mentieren, Physik und Technik
haben, die Betriebsabläufe in
ihrem Handwerksunternehmen
optimieren und ihre Ideen und
Erfahrungen austauschenmöch-
ten.
Ziel des bundesweit einmaligen
Projektes zur Förderung junger
Talente im Handwerk ist die
Erarbeitung von Patenten und
Innovationen, die betrieblich
umsetzbar sind. Mit viel Enthu-
siasmus gehenHandwerker ver-
schiedener Berufsgruppen un-
ter sachkundiger Leitung eines
Teams von HwK-Experten an
neue reizvolleAufgaben. So ent-
wickelten Teilnehmer eine Fer-
tigungsanlage im Modell mit
Hilfe einer Programmierspra-
che, die erstmalig für die
Steuerungsprozesse angewen-
det wurde. Acht Elektrotechni-
kerlehrlinge, die parallel zur
Lehre eine Zusatzqualifikation
zum „Betriebsassistenten im
Handwerk“ absolvieren, treffen
sich regelmäßig und beschäfti-
gen sich im Team mit Fragen
der Robotertechnik.
Informationen
zum „Er-
finderclub Junges Handwerk“,
Tel.: 0261/ 398-531,
Fax: -988, E-Mail:
1...,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19 21,22
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