Handwerk im Sommer vom 30. Juni 2000 - page 8

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„Das hört sich lustig an, ist es aber nicht“, so
Reinhold Scherer, Landesinnungsmeister des
Kfz-Handwerks. Wenn sich Sommer für Som-
mer eine oft abenteuerliche Karawane ihren Weg
in die Urlaubszentren bahnt, sind einige „Last-
schiffe“ dabei, deren Insassen „beim Einpacken
den Verstand ausgepackt haben. Die Verkehrssi-
cherheit muß mit auf die Reise gehen. Das setzt
auch die technische Sicherheit des Fahrzeuges
voraus.“ Das dabei das Kfz-Handwerk dem
Autofahrer mit einfachen Mitteln unter die Arme
greift, sollte noch mehr genutzt werden. „Unse-
re Werkstätten bieten einen kompletten Sommer-
check. Das kostet nicht viel und erhöht die Si-
cherheit.“ Der Handwerksmeister empfiehlt eine
rechtzeitige Fahrzeugüberprüfung: „Das erspart
den Werkstätten und den Autobesitzern Streß.“
Fährräder, Koffer, Badering, Tennisschläger, Lieblingspuppe, sechs Paar Schuhe.
Lieber zu viel als zu wenig Kleider, man weiß´ja
nie, wie das Wetter wird. Kinder, Hund oder Katze.
Alles rein. Es geht in den Urlaub. Mit dem Auto. Da wird
mancher Hausmann zum Verpackungskünstler und schafft es,
die vom Hersteller angegebene Literzahl an Laderaum hier
und da zu überbieten. Der Anblick des „Transporters“:
Die Räder verschwinden in den Radkästen,
der Motor hat plötzlich nur noch die “halbe Leistung”
und beschleunigt das geliebte Auto nicht so, wie sonst.
Und im Rückspiegel, da wo sonst die Straße zu sehen ist,
schaut die Puppe freundlich aus einem Konglomerat Gepäck beim Autofahren zu.
...der Reifendruck nicht stimmt?
Grundsätzlich, so Scherer, müsse der Reifendruck den Fahran-
sprüchen gerecht werden. “Im Türinnenrahmen oder Tankdeckel
sind die Reifendrücke bei den meisten Fahrzeugen ablesbar, anson-
sten informieren auch die Tankstellen und Kfz-Werkstätten: Wie-
viel Druck bei wieviel Zuladung.” Stimmen die Reifendrücke nicht,
droht im schlimmsten Fall der “Plattfuß”. Aber auch ohne dieses
Fiasko wird die Reise zum Schlingerkurs. “Unterschiedliche Drük-
ke führen zu instabilen Fahreigenschaften, das Bremsverhalten
ändert sich, der Benzinverbrauch erhöht sich um ca. fünf Prozent.”
Wichtig: Auch Reifendrücke des Ersatzrades und von Anhängern
prüfen.
...die Ölkontrollampe aufleuchtet?
Fällt der Öldruck des Motors ab, warnt die rote Kontrollampe im
Armaturenbrett: Öl nachfüllen! “Es kann begrenzt weitergefahren
werden, denn wie bei der Benzinwarnlampe ist noch eine Reserve
vorhanden”, so Scherer. Für den Weg an die nächste Tankstelle
reicht es. “Schlimmstenfalls verbrennt die Zylinderkopfdichtung,
erkennbar an viel Qualm aus dem Aufpuff.” Wichtig: Ölsorte notie-
ren, denn “Mischen unterschiedlicher Öle ist möglich, nicht aber
empfehlenswert.”
Wichtig ist auch...
...daß
die Bremsanlage vor Fahrtantritt kontrolliert wird. Ist die
Bremsflüssigkeit in Ordnung und aufgefüllt, sind die Bremsklötze
und Bremsscheiben o.k., die Leitungen dicht. Daran denken, daß
sich der Bremsweg im beladenen Zustand verlängert!
...daß
die Scheibenwaschanlage funktioniert. Durch Insektenflug
wird die Autofahrt ansonsten schnell zum Blindflug.
...daß
das Gepäck sicher verladen wird. Fahrräder gehören nicht
aufs Dach, sondern in einen Fahrradständer am Heck des Wagens.
Lieber mehr Verzurrung von Dachgepäck, als zu wenig. Die Regeln
zum Gepäcktransport in den Reiseländern beachten.
...daß
autospezifische, kleine Ersatzteile mitgenommen werden,
u.a. Lampen und Keilriemen.
...daß
der Verbandskasten und das Warndreieck schnell erreichbar
sind. Nicht im Kofferraumboden unterm Gepäck lagern. Der Ver-
bandskasten muß vollständig sein - kostenlose Kontrollen bieten die
Apotheken.
Auf den ersten Blick, so scheint es,
paßt hier einiges nicht zusammen. Eine
Werkstatt, in der große Industrienäh-
maschinen stehen. Ein Lager mit Leder-
fellen und Stoffen. Eine geräumige, helle
Halle mit Autos, ein 190er Mercedes aus
den 60er Jahren, noch schön rund und
ausladend, gleich daneben eine Rarität
imMiniaturformat, ein englischer Mini-
Kombi, an derWand eine Couch, die auf
ein neues Outfit wartet und auf dem gro-
ßen Arbeitstisch eine Plane, die geflickt
werden soll. Trotzdem gehört alles zu-
sammen - und in dieWerkstatt eines jun-
gen Meisters, der ein heute eher seltenes
Handwerk ausübt: die Autosattlerei.
Als wir ihn dort imWallers-
heimer Weg in Koblenz besu-
chen, ist Jürgen Ottke, gerade
einmal 29 Jahre alt, dabei, das
Verdeck eines Cabrios zu repa-
rieren. „Im Frühling und Früh-
sommer ist in der Autosattlerei
am meisten zu tun,“ erläutert
Ottke. „Dann holen die Oldie-
Liebhaber ihre guten alten Stük-
ke aus der Garage und entdek-
ken, daß z. B. das Cabrioverdeck
oder die Sitzpolster erneuert
werden müssen.“
Dieser „Boom“ käme ihm
durchaus willkommen, denn
dieAuftragslage läßt knapp ein
halbes Jahr nach Einrichtung
der Werkstatt eben noch zu
wünschen übrig, „manchmal
weiß man da montags wirklich
nicht, was man die Woche über
machen wird“. Aber damit hat
er gerechnet, als er sich nach
seiner Meisterprüfung im No-
vember 98 selbständig machte,
eineAnlaufphase von rund zwei
Jahren einkalkuliert.
Mit einem Motorradsitz
fing’s an: Eigentlich, erzählt er,
sei er auf einem Umweg zur
Autosattlerei gekommen. Zu-
nächst hatte er ein Studium als
Bauingenieur begonnen, aber
dann gab es eines Tages einen
Motorradsitz, der neu bezogen
werden mußte, „ und da bin ich
in einer Autosattlerei gelandet.
DieArbeit dort hat mich so fas-
ziniert, daß ich gefragt habe, ob
ich mal zugucken dürfte. Statt-
dessen durfte ich meine Jacke
ausziehen und gleich dableiben.“ Für
Autos besaß er ohnehin ein Faible, und
daß ihm ausgerechnet die Autosattlerei
soviel Spaß machte, hing vielleicht auch
damit zusammen, „daß ich schon immer
gerne mit der Nähmaschine meiner Oma
und mit Stoff gearbeitet habe“.
Dabei war es nicht zuletzt die Viel-
falt derAutosattlerei, die ihmgefiel. Dank
ihr vertragen sich denn auchAutos, Cou-
ches und Planen sehr gut. Schließlich
lernt ein Autosattler u. a. richtiges Pol-
stern, selbst mit „alten“ Materialien wir
Roßhaar; ein Teil seiner Berufsausbil-
dung verläuft parallel zu derjenigen der
Raumausstatter.
Ob Schultaschen oder schadhafte
Auto- und Motorradsitze, ausgesessene
Sofapolster, zerschlissene Boots- und
Zeltplanen oder ausgeleierte Spann-
bänder für Druckereien - vieles kann in
der Werkstatt eines Autosattlers landen.
„Man sollte einfach Spaß am Gestalten,
ein Gefühl für Form und Schönheit und
ein gewisses handwerkliches Geschick
mitbringen,“ kommentiert der Meister
dieAnforderungen in seinemHandwerk.
Am meisten Spaß macht es ihm,
wenn er der Lust am Gestalten freien
Lauf lassen kann wie bei maßgeschnei-
derten Motorradsitzen, oder wenn es
knifflige Aufgaben zu lösen, ausgefal-
lene Sonderwünsche zu erfüllen gilt.
Selbst die defekte Mechanik eines Ca-
brioverdecks wäre für Jürgen Ottke kein
unlösbares Problem, „aber bis man ei-
nen Hunderttausend-Mark-Oldtimer re-
staurieren darf, das dauert trotzdem erst
eine ganze Weile, dafür braucht man
Empfehlungen und Erfahrung.“
Die sammelt Autofan Ottke in sei-
ner Werkstatt nebenbei an eigenen Ob-
jekten, wie demMini-Kombi. Ein Selbst-
import aus England, den er als Firmen-
wagen aufbauen will. „Nach dem dre-
hen sich die Leute doch eher um als nach
einem ganz normalen Lieferwagen!“
HandwerklicheVielfalt
Jürgen Ottke näht die Cabrioverdecke sel-
ber und montiert denWetterschutz. Auch die
Mechanik repariert der Handwerksmeister.
Was passiert wenn...
Der nächster Meistervorbereitungskurs für Kfz-Techniker
beginnt im November 1999 in Vollzeit. Infos bei der HwK-Meisterakademie:
Tel.: 0261/398-404, Fax: -990, e-mail:
Internet:
Freie Lehrstellen im Kfz-Handwerk
gesucht? Gibt es! In der topaktuellen Lehrstellen-
börse der HwK Koblenz. Anrufen: 0261/398-331.
Im Internet abfragen unter:
Oder vorbeischauen: HwK Koblenz.
Die Berufe des Kfz-
Handwerks - dazu gehören Me-
chaniker und Elektriker - gehört zu den be-
liebtesten Handwerksberufen überhaupt:
Mehr als 1.300 Unternehmen gibt es im nördli-
chen Rheinland-Pfalz. In ihnen wurden zum
Jahresbeginn 1809 Lehrlinge ausgebildet,
darunter 31 Mädchen. Infos zum Beruf und
zu freien Lehrstellen gibt die Pädagogische
Anlaufstelle der Handwerkskammer Koblenz.
Tel.: 0261/398-331, Fax: 0261/398-989,
e-mail:
ternet:
Idee und Verantwortung: Karl-Jürgen Wilbert
Redaktion: Jörg Diester, Markus Gaida, Beate Holewa,
Janet Kölschtzky, Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach
Layout:
Jörg Diester
Herausgeber: Handwerkskammer Koblenz
56063 Koblenz, Tel.: 0261/398-0, Fax: -398
e-mail:
Internet:
in Verbindung mit dem Mittelrhein-Verlag Koblenz
Fotos:
FOCUS Foto-Studio, G. Juraschek, HwK Koblenz
Anzeigen:
Rudolf Speich, Informa, RZ-Anzeigenservice (Tel.:
0261/892-457), 56070 Koblenz
Technische Herstellung: Druckhaus Koblenz
Wer ist Deutschlands bester Junghand-
werker im Kfz-Mechaniker- und Kfz-
Elektrikerhandwerk? Diese Frage be-
antworten die Teilnehmer des Prak-
tischen Leistungswettbewerbs für Nach-
wuchshandwerker. Interesse?
Anrufen! HwK Koblenz:
0261/398-641, Fax: -991
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