Handwerk Special Nr. 67 vom 17. März 1999 - page 8

Start der Patentrecherche: Handwerker der Region haben mehr als 200 Patente entwickelt.
Erfinderisch:
Reinhold Brück als
junger und alter
Handwerksmeister:
1951 und ´99.
erie:
Patentinhaber &
ihre Erfindungen
Bereits kurz nach Beginn der Recherchen beim Bundespatentamt
steht fest: Handwerker im nördlichen Rheinland-Pfalz halten
mehr als 200 Patente! Mit einer neuen Serie wird „Handwerk
special“ künftig diese Patente und die Menschen, die dahinter
stehen, vorstellen. Entwicklungen im Handwerk beginnen bei der
Optimierung betrieblicher Abläufe und reichen bis zum
patentierten Endprodukt - mit viel Köpfchen und einem sicheren
Händchen bei der Umsetzung. Höhepunkt des Erfinderreichtums
ist das Patent.
Die Handwerkskammer Koblenz unterstützt u.a. mit dem
„Erfinderclub junges Handwerk“ diese Entwicklung, die durch
HwK-Technologieexperten und die High-Tech-Ausrüstung in
den HwK-Zentren abgerundet werden.
In dieser Ausgabe startet die Serie „Patentinhaber & ihre
Erfindungen“, in der es nicht nur um Entwicklungen aus
Vergangenheit und Zukunft geht, sondern auch um die
Menschen, die hinter den Patentschriften stehen.
Patentinhaber & ihre Erfindungen: Handwerksmeister Reinhold Brück
„Wenn wir wüßten, wie kurz
das Leben ist, würden wir uns
mehr Freude machen...“ - so
der eingerahmte Zeitungsaus-
schnitt an der Zimmerwand.
Darunter sitzt Reinhold Brück,
Handwerksmeister aus Eichel-
hardt im Westerwald, und
blättert in Unterlagen, die 50
Jahre Arbeitsleben widerspie-
geln: zahlreiche Verträge mit
Herstellern von Landmaschi-
nen, Umbaupläne seines Be-
triebes, Meisterbriefe. Auch
dabei Schriftstücke des Bun-
despatentamtes: Reinhold
Brück gehört zu den Handwer-
kern, die nicht nur in jungen
Jahren ihre Meisterprüfung
ablegten und sich anschlie-
ßend selbständig machten -
über seine tägliche Arbeit
hinaus hat er ein Patent ent-
wickelt, angemeldet und zuge-
sprochen bekommen.
Der Zeitungsauschnitt an der
Wand paßt eigentlich nicht zu
dem gestandenen Handwerker,
der darunter sitzt: Reinhold
Brück ist fast 72 Jahre alt - von
kurzem Leben also keine Spur.
In dieser Zeit hat er einiges er-
lebt,seineBiogra-
fie liest sich film-
reif-mitallem,was
zu einem guten
Drehbuch gehört:
himmelhochjauch-
zend und tiefbe-
trübt. 1927 gebo-
ren, raubt ihm der
zweite Weltkrieg
einenGroßteilseinerJugend.Die
Sinnlosigkeit der Kriegsjahre spie-
gelt sich in seinem Einsatz wi-
der: mit 16 Jahren „zieht“ Rein-
hold Brück zum Partisanen-
kampf in die Karparten. Und
überlebt dieses Himmelfahrts-
kommando. Nach dem Krieg
beginnt er, „seinemLeben Freu-
de zu geben.“ 1951 besteht er als
24jähriger die erste Meisterprü-
fung als Schmied, zwei Jahre
später folgt Meistertitel Num-
mer zwei als Landmaschinen-
mechaniker. 1955 übernimmt er
von seinem Vater das 1809 ge-
gründeteFamilienunternehmen.
DasBetrieb vonReinholdBrück
entwickelt sich von der klassi-
schen Schmiede zur erstenWahl
für Landmaschinenreparatur,
Wartung undVerkauf.Mit meh-
reren namhaften Herstellern
schließtBrückVerträge ab, noch
heute unterhält er ein riesiges
Ersatzteildepot.
Mit Blick auf die Zukunft seines
Unternehmens freut sich Ehe-
mannBrück über dieGeburt sei-
ner drei Kinder - zwei Söhne
und eine Tochter. Doch gerade
in dem für den Westerwälder so
wichtigen familiären Bereich
spielen sich mehrere Tragödien
ab: ein Sohn stirbt an Leukämie,
der zweite bei einem Verkehrs-
unfall. Reinhold Brück: „Er hat-
te gerade die Meisterprüfung
zumWerkzeugmacher abgelegt
und sollte die 150jährige Fami-
lientradition fortführen.“ Im Win-
ter ´88 stürzt seine Ehefrau auf
einem verschneiten Bürgersteig
und stirbt an den Folgen. „Trotz
dieser Schicksalschläge habe ich
den Betrieb weitergeführt.“
Der eigene Lebensmut und die
Lebensfreude haben Reinhold
Brücknieverlassen. Er lernt eine
neue Lebensgefährtin kennen.
EineglücklichePartnerschaft bis
zum heutigen Tag, von der er
sagt, sie habe ihn viel Leid ver-
gessen lassen. Neben der Arbeit
im Unternehmen engagiert sich
bauen oder für den Transport
mitwenigenHandgriffenzusam-
menbauen.“WeitereVorteile für
die Abnehmer: Das System ist
gegenüber herkömmlichen Ge-
hegen enorm preiswert.
Noch heute beliefert der Hand-
werksmeister seine Kunden -
weit über den Westerwald hin-
aus. „Ich habe die Angebotspa-
lette kontinuierlich erweitert.
Heute biete ich auch Futterreini-
gungsmaschinen oder Sitzstan-
genhalter, damit es den gefie-
dertenMitbewohnern gut geht.“
Reinhold Brück im handwerkli-
chen Ehrenamt und arbeitete im
Vorstand der Landmaschinen-
mechaniker-Innung mit. Außer-
dem begleitet er Jugendliche als
LehrlingswartindenBeruf-auch
heute noch.
Bereits in den 70iger Jahren be-
ginnt er an der Umsetzung einer
Idee zu arbeiten, die später in ein
Patent mündete. „Zu den Hob-
bys meiner Kinder gehörte die
HaltungvonVögeln.Als gelern-
ter Schmiedwar klar, daß ich die
Käfige baute. Abends im Bett
entstand die Idee zu einem Bau-
kastensystem.“ Dieses System
mündet 1982 in die Patentschrift
DE 22 64 143 C 2.
Das Besondere an den Volieren
ist die beliebige Zusammenset-
zung einzelner Wände. Standar-
disierte Maße erlauben mittels
Vierkantsteckmodul den pro-
blemlosen Umbau oder die Er-
weiterung bereits bestehender
Käfige. „Meine Kunden können
ihre Gehege quasi unbegrenzt
erweitern, neue Elemente ein-
Reich ist Reinhold Brück mit
seinem Patent nicht geworden -
„der Patentinhaber investiert in
seine Idee vor der Offenlegung
erst einmal kräftig, von der Ver-
marktung hängt später ab, ob
sich der Aufwand lohnt.“ Doch
der reine Gewinn spielte für den
Westerwälder eine untergeord-
neteRolle. „Das Patentwar nach
den schicksalhaften Jahren Mo-
tivation, nach vorne zu blicken,
weiterzumachen.Werschläft,der
rostet-dasgiltauchfürdenKopf.”
DenBeweisdieserTheoriebleibt
der rüstige Handwerker nicht
schuldig: zur Zeit arbeitet er an
einem neuen Patent. Ein Stück
Freude, das er sich am Ende sei-
nes Berufslebens - die Firma hat
er an zwei Mitarbeiter verpach-
tet -machenmöchte.Getreudem
den Worten „Wenn wir wüßten,
wie kurz das Leben ist, würden
wir uns mehr Freude machen.“
Der tausendfach gedruckte Text
kommt aus der Feder von Rein-
hold Brück. Nicht nur Worte -
DIELebensmaximeeines 72jäh-
rigen, der einiges erlebt hat.
Seit 1809 betreibt die Familie Brück im Westerwälder
Eichelhardt ihr Familienunternehmen. Reinhold Brück
schaffte etwas in der Tradition Einmaliges: Er entwickelte
ein Patent.
Das
„Bauka-
stensy-
stem“ für
Volieren
ließ der
Handwer-
ker
patentieren
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...26
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