Handwerk Special Nr. 171 vom 29. Juni 2013 - page 6

Außergewöhnliche Leistung: Meisterkurs in Gebärdensprache
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Nr. 171
29. Juni 2013
Ohne viel Worte zum Titel
Jörn Vöcking erklärt
Lehrling Christian Auel,
was zu tun ist. Zu Beginn
will er aber wissen, wie
das letzte Wochenende
war. Christian, 20 Jahre
alt, berichtet über seinen
Ausflug in einen Freizeit-
park.
Dann nehmen sich beide die
bereitliegenden Hölzer vor und
besprechen die anstehenden Ar­
beiten. Nach fünf Minuten legt
LehrlingChristian los. Bisher ist
kein Wort gefallen. Alles, was
hier ausgetauscht wurde, wech­
selt in Gebärdensprache, denn
Jens Vöcking ist gehörlos.
Jetzt will er trotzdemeineHürde
nehmen, die für ihn noch höher
ist, als für andere: Die Meister­
prüfung schaffen! Zum arbeits­
pädagogischen Teil zählt auch
dieAusbildungJugendlicherund
der Dialog zwischen Vöcking
und Auel gehört zur Prüfung.
Gehörloser Tischler Jörn Vöcking ist auf Meisterkurs
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selbst das Lob für ein gelun­
genes Ergebnis – die gesamte
Prüfung wird in Gebärden­
sprache abgelegt. Damit der
Prüfungsausschuss weiß, was
hier „gesprochen“ wird, sind
zwei Dolmetscherinnen dabei,
die simultan übersetzen.
„Für uns ist das natürlich auch
etwas Besonderes“, macht Prü­
fer Michael Wallwey von der
Handwerkskammer (HwK)
Koblenz klar, bei der die Meis­
tervorbereitung durchgeführt
wird.GestikundZeichensprache
dominieren und Jörn Vöcking
strahlt Leidenschaft und kör­
perliche Präsenz bei seinen Er­
läuterungen aus. Auch Lehrling
Christian – imwirklichen Leben
und nicht nur jetzt bei der Prü­
fung Lehrling – muss den Alltag
mit Handicap meistern. Beide
haben ihre berufliche Heimat im
Heinrich-Haus Neuwied, einer
sozialen Einrichtung der ka­
tholischen Josefs-Gesellschaft,
die Dienstleistungs- und Un­
terstützungsangebote für junge
und erwachsene Menschen mit
Behinderung sowie für Senioren
bereithält.
„Ich wusste“, übersetzt die Dol­
metscherin für Jörn Vöcking,
„dass es schwerwird.Doch jetzt,
wo die Prüfungen der Teile III
und IV hinter mir liegen, weiß
ichauch:Daskannichschaffen!“
Haben andere Teilnehmer der
Meistervorbereitung eher mit
Fachfragen zu kämpfen, sind
die Herausforderung für den
39-jährigen gehörlosen Tischler
wesentlich komplexer. Alles,
was im Unterricht erklärt wird,
übersetzteinDolmetschersimul­
tan. Fragen, die Jörn hat, werden
ausGebärdenspracheinPhonetik
umgesetzt. Insbesondere dann,
wenn es um Fachbegriffe geht,
auch für den Dolmetscher eine
Herausforderung.
„Die soziale Akzeptanz ist groß
und ich werde gut unterstützt“,
erklärt Jörn Vöcking. Dozenten,
Mitschüler, Betreuer der HwK
– alle wollen, dass man ge­
meinsam die Herausforderung
Meisterprüfung schafft. Und
Jörn ist einer von ihnen – zwar
einer mit Handicap, aber auch
einer mit besonderen Fähig­
keiten. Denn das, was er nicht
hören kann, sieht er. „Ich habe
die Sinne meiner Ohren in den
Augen zusammengefasst.“
Ganz ohne Worte spricht das
Strahlen in Jörn Vöckings Ge­
sicht nach diesem Teil der Mei­
sterprüfung Bände: Geschafft!
Prüferin Sieglinde Straeten und
Dozent Wolfgang Eschenauer
sind begeistert. Die wenigen
Nachfragen imAnschluss an die
„Ausbildungssituation Vöcking
– Auel“ hat er gut beantwortet,
die fachlicheBewertung ist ohne
Tadel. Nun warten die Teile
I und II auf den angehenden
Tischlermeister.
Fachgespräch in Gebärdensprache zwischen Jörn
Vöcking (rechts) und Lehrling Christian Auel.
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