Handwerk Special Nr. 156 vom 28. Januar 2012 - page 7

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Nr. 156
28. Januar 2012
Wie ein handwerkliches Seil entsteht
AlsHandwerkszeug benötigt der Seiler eineRegistrierplatte, mit der
mehrere Fäden zur so bezeichneten Litze zusammengefügt werden
können. Jeweils drei bis vier Litzen werden dann in ein Leitholz an
dreiodermehrereHakeneingehängt.DasVerdrehenderFaserstränge
geschiehtmittels eines Seilerrades.DieFasersträngewerden solange
gedreht bis sie zu dicken Strängen werden. Je stabiler ein Seil sein
soll, desto mehr Litze braucht der Handwerker. Er muss manchmal
Kilometer entlang der Seilerbahn zurücklegen.
Der Seiler und die Reeperbahn
Beim Wort Seiler denkt
jeder wohl hierzulande
zuerst an ein Seil und
den Handwerker, der es
herstellt. Wohl kaum sieht
man eine Verbindung zur
Reeperbahn in St. Pauli,
dem berühmten Stadtteil
von Hamburg. „Es gibt sie
aber“, lacht Seilermeister
Horst Dreißig aus Kirch-
berg im Hunsrück.
Er sagt auch, warum: „Das Sei-
lerhandwerkwird indenKüsten-
städten Norddeutschlands als
Reepschlägerei bezeichnet. Um
Schiffstaueherstellenzukönnen,
benutztendieReepschlägerlange
Reeperbahnen. In Hamburg, wo
dieZunftseit1345nachgewiesen
ist, erledigten die Reepschläger
ihre Arbeiten in St. Pauli, eben
auf der Reeperbahn“, weiß er.
Bei den Reeperbahnen handelt
es sich umgerade Gänge, wo die
Reepschläger,ohnejemandenins
Gehege zukommen, Schiffstaue
spinnen konnten.
HorstDreißig ist einer der letzten
Seiler in Rheinland-Pfalz. Ob-
wohl das Seilerhandwerk heute
nach wie vor ein Ausbildungs-
beruf ist, steht das Handwerk als
solches kaum noch imBlickfeld
der Öffentlichkeit. So finden
die Vorführungen des Hand-
Horst Dreißig aus Kirchberg im Hunsrück: Beispiel für gelebtes Handwerk
werksmeisters im Ruhestand
bei Jubiläums- und Stadtfesten
großen Anklang. „Ich würde
immer wieder Seiler werden,
weil es ein Berufsstand ist, bei
demmanimSinnedesWortesdie
FädeninderHandhat,undsoviel
VerantwortungfürdieSicherheit
von Mensch und Tier trägt“,
zieht der 65-Jährige einFazit aus
seinem Handwerkerleben.
Von armdick
bis fingerdünn
In dem 1864 gegründeten Fami-
lienbetrieb war die Arbeit seit
eh und je mit den Hunsrücker
Bauern verbunden. Auf der
Seilerbahn amRande desDorfes
in Kirchberg wurden von der
Kordel bis zum Seil alle Arten
hergestellt. Hanfseile für jeden
Zweck: Zugtaue, Ackerleinen,
Wäscheleinen, Viehstricke,
Bindfäden, Grabenstricke, Seile
für Bau- und Lastenaufzüge,
Glockenseile und Netze für den
Hausgebrauch.
„Das Seil war und ist eines
der wichtigsten technischen
Hilfsmittel der Menschen.
Höhlenzeichnungen aus der
Steinzeit deuten auf seine frühe
Bekanntheit hin. Das bisher mit
3.300 Jahren älteste Seil wurde
bei Ausgrabungen in Ägypten
gefunden. Aber auch in späterer
Zeit hatte das Seil eine wichtige
Stellung im Arbeitsleben. Ein
Seilermeister Horst Dreißig in seinem Element: An der etliche Meter langen Seilerbahn spannt er die
Schnüre ein, die anschließend zu einem festen Seil zusammengefügt werden.
Seil steht für gebündelte Kraft,
das den Menschen die Arbeit
erleichtert“, erzählt Seilermeis­
ter Dreißig.
In einem umfangreichen Ordner
hat er alles über sein Handwerk
gesammelt. „Die Aufgabe der
Seiler bestand im Wesentlichen
darin, mit der Seilermaschine
sowohl armdicke Taue als auch
fingerdünne Seile zu drehen.
Die Seilerbahnen waren unter-
schiedlich lang. Für Bewegung
war reichlich gesorgt.“
Dreißig spricht in der Vergan-
genheit. Man spürt die Wehmut
in seinen Worten. Denn schon
seit den 60er Jahren werden 90
Prozent aller Seile voll automa-
tisch aus Kunststoff geschla-
gen und geflochten. „Sie sind
langlebiger und preiswerter als
die Seile aus Naturfasern aber
halt weniger schön fürs Auge“,
Weiterbildungskurse in Simmern
In der Hunsrück-Akademie der Handwerkskammer Koblenz
in Simmern, Vor dem Tor 2, starten im Frühjahr folgende
Qualifizierungslehrgänge:
Internetauftritteselbstmanagenmit „Joomla!“:
Voraussetzungen und
Installation – Menü-/Navigationspunkte – Einfügen von Bildern – Seiten-
layouts: 4.2., sa, 8-15 Uhr, 4 Tage
FachwirtinfürkaufmännischeBetriebsführungimHandwerk,Modul
Betriebswirtschaft:
Rechnungs- und Mahnwesen – Betriebsabrechnung
– Kostenrechnung – Planung und Organisation: 9.2., do, 17-21 Uhr & sa,
8-13 Uhr, 4 Monate
Dämmtofftechniker:
Schwachstellen-Diagnose–Beratung–fachgerechte
Sanierung – technischeMöglichkeiten der Thermografie undLuftdichtheits-
messung: 24.2., fr, 16.30-19.45 & sa, 8.30-12.45 Uhr, 4 Wochen
Telefontraining:
Stimme und Sprache – Ebenen imTelefonat – Fragetech-
niken – Reklamationen – Telefonpartner: 25.2., Sa, 9-16 Uhr, 1 Tag
Rhetorik:
Gestik – Körpersprache – freies Reden – Videotechnik – freie
Kommunikation: 10.3., Sa, 9-16 Uhr, 1 Tag
Kommunikation:
Körpersprachliche Signale –Stimme –Auftreten –Feed-
back: 24.3., Sa, 9-16 Uhr, 1 Tag
EffektiveArbeitstechnikenimBüro:
PostundAblageeffektiv,zeitsparend
bearbeiten – Zeit- und Stressmanagement: 5.3., mo, 18-21 Uhr
BarrierefreiesBauenundModernisieren:
grundlegendeAnforderungen
–Marketingtipps–Wohnberatung–Finanzierungs-undFördermöglichkeiten:
5.5., Sa, 8.30-16 Uhr
Weitere Informationen und Anmeldung bei der HwK-Weiterbil-
dung, Tel.: 0261/ 398-415, Fax: -990, E-Mail: bildung@hwk-ko-
blenz.de, Internet:
schätztDreißig ein. Gern führt er
indernochexistierendenSeilerei
Schülern sein Handwerk vor.
Wenner seingelebtesHandwerk
gegenwärtigerlebbarmacht,blit-
zen seine Augen und jeder spürt
die Freude des Meisters.
Bei seinen Präsentationen weist
Dreißig darauf hin, dass die
technischeEntwicklung der Sei-
lermaschinen dazu geführt hat,
dass viele manuelle Tätigkeiten
nicht mehr notwendig sind. Die
traditionellen handwerklichen
Seilerbetriebe haben sich als
Drahtseilfabrik oder Netzfabrik
spezialisiert oder verarbei-
ten Faser- beziehungsweise
Stahlseile. „Das Seil ist für die
gewerbliche Wirtschaft, die
Schifffahrt, den Sport oder den
allgemeinen Gebrauch dennoch
nach wie vor gefragt“, plädiert
der Handwerksmeister für das
Seilerhandwerk.
Seltenes Handwerk: Was macht eigentlich ein Seiler?
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