Handwerk Special Nr. 151 vom 30. Juli 2011 - page 6

Herausgeputzt: Traditionsreiches Fachwerkhaus rundum saniert
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Nr. 151
30. Juli 2011
. . . zum Schwan gemausert
„Die Wohnatmosphäre ist
unbeschreiblich schön“,
so Diplom-Ingenieurin
Ines Aengenheyster aus
Bullay/Mosel. Die 40-
Jährige wohnt in einem
Fachwerkhaus aus dem
18. Jahrhundert, das nach
seiner Restaurierung ein
Schmuckstück im Ort ist.
Es ist eines von fünf imOrtskern
noch bestehenden historischen
Gebäuden. Den Organisatoren
des rheinland-pfälzischenTages
der Architektouren fiel dasHaus
als ein gelungenes Beispiel für
junges Wohnen in einem alten
Gemäuer nach Kernsanierung
auf.
„Alte Häuser erzählen Ge-
schichten, regen zum Träumen
an. Wer mag hier wie gelebt
haben“, erklärt die Bauherrin ihr
Faible für das Fachwerkhaus, in
dem sie inzwischen wohnt und
arbeitet. Sie fand heraus, dass
ihr Haus einmal als Wohnung
für „arme Leute“ gebaut wurde
und später als erste urkundlich
erwähnte Schule in Rheinland-
Pfalz fungierte. Das liegt lange
zurück und der Zahn der Zeit
nagte ammehrfachumgenutzten
und inzwischenelf Jahre leer ste-
henden Gebäude. Eine Zeit lang
sah es so aus, als seien die Tage
des Hauses in Bullay gezählt.
„Weil es ein Schandfleck war,
wollte die Gemeinde das fast
verfallene Objekt eigentlich ab-
reißenlassen.Einemglücklichen
Umstand war es zu verdanken,
dass sich Käufer fanden. Sie
haben später das Gebäude al-
lerdings erneut weiter verkauft
mit der Auflage, es zu sanieren.
So kam ich ins Spiel“, erinnert
sich Ines Aengenheyster.
Die gelernte Tischlerin
und studierte
Architektin
Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert erstrahlt in neuem Glanz
hat selbst viel Hand ans Haus
angelegt und gemeinsam mit
den Handwerkern vor Ort dafür
gesorgt, dass sich das hässliche
Entlein zu einem Schwan ge-
mausert hat.
Beim Erwerb des Hauses war
Ines Aegenheyster noch Stu-
dentin. Für die Bauherrin und
angehende Architektin war die
Restaurierung eine besondere
Herausforderung. Mit Förder-
mitteln im Rahmen der Dorfer-
neuerung ging sie ans Werk. Sie
nutzte jede freie Minute zum
Entkernen des alten Fachwerks.
Zusätzliches Wissen eignete sie
sich beimBesuch desWeiterbil-
dungsseminars „Lehmbau“ im
Zentrum für Restaurierung und
Denkmalpflege der Handwerks-
kammerKoblenzinHerrsteinan.
„Ich erlag einfach dem Charme
des alten Gemäuers“, schätzt sie
rückblickend ein.
Sahnehäubchen
im Alltag
Maurermeister Guido Mussetti
aus Alf setzte seinen Sachver-
stand und seine Erfahrung beim
TrockenausbaudesMauerwerks
ein. Das alte Fachwerk wurde
originalgetreu rekonstruiert
und die Gefache mit Lehmstein
ausgemauert, Decken neu beto-
niert und Estrich gelegt. „Ohne
Mühe und Zeitaufwand geht es
beimErhaltenundErneuernalter
Bausubstanznicht“, soMussetti.
Als „Sahnehäubchen“ in der
Alltagsarbeit bezeichnet der 39-
Jährige den gesamten Umbau.
Stuckateurmeister Klaus Busch
aus Zell-Barl stimmt dem zu.
Er ersetzte den Zementputz
und verputzte das freige-
legte Fachwerkgefache
mit Lehm und Rein-
kalk und dämmte
anschließend das
ausgebaute Dachgeschoss
komplett. Die Instandset-
zung historischer Gebäude
gehört zu den Aufgaben
der Firma Busch. 1986 hat
er sie von seinem Vater
übernommen. Über 100
restaurierte Häuser tragen
dieHandschrift des 61-Jäh-
rigen. „Alle sind Unikate“,
bekennt er stolz.
Dialog zwischen
Alt und Neu
Eine schlichte barocke
Holztreppe verbindet
die Schwere des Erdge-
schosses, das geprägt ist
durch massige Wände und
niedrige Decken, mit der
Leichtigkeit des Ober-
geschosses. Eine luftig
wirkende freitragende
Treppenkonstruktion führt
in das modern gestaltete licht-
durchflutete Dachgeschoss.
Beide Treppen stammen aus der
Werkstatt von Tischlermeister
Heinz Bastian aus Morbach.
„DieBesonderheitbestanddarin,
Neues und Altes zu verbinden“,
so der Treppenspezialist. Er fer-
tigte von Hand neue Setzstufen
und Außenwangen an und fügte
sie in die aus der Barockzeit vor-
handenen Freiwangen und das
Eichengeländer passgenau ein.
Auch eine freitragende Treppe
in einem winkligen Gemäuer
maßgerecht zumontieren, ist ein
ausgefallener Auftrag, dem sich
das Team aus Morbach stellte.
„BauenundErhaltenhaben auch
mit Herz und Gefühl zu tun und
mit Aufmerksamkeit und Liebe.
Man braucht sehr viel Engage-
ment dazu, um ein altes Haus zu
sanieren. Es hat halt Schrägen“,
betont Bastian.
Tischlermeister Lothar Busch
aus Bengel berichtet, dass
auch das Einpassen der neuen
Fenster in das alte Bruch-
steinmauerwerk, meisterliches
Können abverlangte. „Die Ver-
glasungsleisten mussten in das
Konstruktionsgebälk einzeln
eingefügt werden. Das geht nur
in geduldiger Handarbeit.“ Der
komplett verglaste Giebel ist
nun lichtdurchflutet.DieFenster
vermitteln dem Raum Gebor-
genheit und Wärme. In ihrer
weißen Farbe passen sie sich der
Fassade an, sehen anheimelnd
aus und verraten Gemütlichkeit
dahinter. Auch die Eingangstür
kommt vomHandwerksmeister.
DieBauherrinhat siemit demihr
Als der Schwan noch ein häßliches Entlein war:
Das Bullayer Fachwerkhaus vor den umfang-
reichen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten.
Foto: privat
Das fertig restaurierte Fachwerkhaus aus dem 18. Jahr-
hundert ist ein wahres Schmuckstück im Moselort Bullay.
Wichtig für jeden Baufortschritt: Ines Aengenheys­
ter traf sich regelmäßig mit den beteiligten Hand-
werkern – hier Stuckateurmeister Klaus Busch (M.)
und Maler Andreas Binz –, um die nächsten Arbei-
ten zu besprechen.
eigenenhandwerklichfundierten
Können liebevoll verziert.
Maler Andreas Binz aus Zell-
Kaimt hat der Fassade mit
Mineralfarben ein freundliches
Gesicht gegeben und im Innen-
bereichdiverseSpachtelarbeiten
vorgenommen. „Das Vorher–
Nachher meiner Arbeit treibt
mich an. Wenn wir die Arbeit
beendet haben, erstrahlt alles in
neuem Glanz“, freut er sich.
Es strahlen
nicht nur Sterne
Es lohnt sich, alte Bausubstanz
zu erhalten und behutsam mit
ihr umzugehen. Nicht nur der
Eigentümerin gefällt ihr Haus.
115 Quadratmeter Wohnfläche
erstreckensichvomErdgeschoss
mit Büro und Eingangsbereich,
über das Obergeschoss mit
Küche und Bad bis zum Dach-
geschoss.HieristderWohnraum
mit klarer Farbgebung verspielt
rustikal eingerichtet. Fazit aller
Beteiligter: Ein echtes Juwel
strahlt in Bullay an der Mosel.
Die im Text benannten Fir-
men sind nur Beispiele für die
Leistungen des Handwerks.
Sie stehen stellvertretend für
alle am Objektbau beteiligten
Unternehmen.
Einige der mitwirkenden Handwerker:
Bauunternehmung Guido Mussetti
, Alf/Mosel, Tel.: 06542/
962017,
Stuckgeschäft Busch
, Zell-Barl, Tel.:
06542/ 41170,
Schreinerei Heinz
Bastian GmbH
, Morbach, Tel.: 06533/ 93840 |
Busch Bauele-
mente
, Bengel, Tel.: 06532/ 2288 |
Andreas Binz und Andreas
Thielen GbR
, Zell-Kaimt, Tel.: 06545/ 911564
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