Handwerk Special Nr. 145 vom 11. Dezember 2010 - page 5

Zum Vernaschen: Schokolade in Handwerk und Wissenschaft
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Nr. 145
11. Dezember 2010
Schokolade in der Kunst
Wenn Nahrungsmittel zu Kunstobjekten werden, wenn Kunst-
objekte eigentlich Nahrungsmittel sind … die Verwandlung
setzt Materialien voraus, die sich für beide Bereiche gleicher-
maßen eignen. Schokolade gehört dazu und hat gestalterisch
einiges mehr zu bieten, als nur leckeres Naschwerk zu sein …
Dr. Küsels ungewöhnliche „kunstgeschichtliche Materialprüfung“
Lust auf Schokolade
Sie ist Konditorenmeiste-
rin aus Leidenschaft. Und
„Konditoren Kunst“ zu
kreieren, ist ihr Anspruch.
Tatjana Herborn, 43 Jah-
re, Bad Emserin und Inha-
berin der Auftragskondi-
torei „kunstgenuss“. „Ich
liebe es, mit den frischen
Zutaten zu spielen, dabei
meine Fantasie auszule-
ben und sehe mich durch-
aus als Zuckerkünstlerin“,
begründet sie die Na-
mensgebung.
Nach Familienphase und jah-
relanger Arbeit in unterschied-
lichen Konditoreien wagte
die Beste ihres Handwerks im
Meisterjahrgang 2002 im ver-
gangenen Jahr den Schritt in
die Selbstständigkeit. Torten,
Konditorenmeisterin mit außergewöhnlichen Kreationen
Steckbrief: Tatjana Herborn, Kemmenau
Gegr. 2009 | 1 Meisterin | Auftragskonditorei, „Schokolädchen“ |
Tel.: 02603/ 5077228 |
Pralinen, Schokoladen und
Schaustückewerdenseitdemvon
derMeisterinnachindividuellem
Kundenwunsch gefertigt. Die
InteressentenbesuchendieKon-
ditorin in ihrerBackstube, lassen
sichberatenundbesprechen ihre
Wünsche oder sie bestellen über
die Idee, ausgefallen, individuell
und immer schokoladig frisch“,
beantwortetTatjanaHerborndie
Frage nach der Besonderheit
ihrer Geschäftsidee. „Die
besten Ideen kommen beimir
sozusagen aus dem Bauch.
Nachts habe ich immer
Block und Stift auf dem
Nachttisch liegen, sodass
nichts anEinfällenverlo-
ren geht“, lacht sie.
Schokoladen-
Oase in Bad Ems
Um den Kunden ein ständiges
Warenangebot sowie weitere
Produktideen präsentieren und
live anbieten zu können, hat sie
Mitte November in Bad Ems
das „Schokolädchen“ eröffnet.
Viele witzige Präsente in Scho-
koform sind hier neben wah-
ren Kunstwerken aus Biskuit,
Früchten, Sahne, Cremes und
handmodellierten Figuren aus
Zucker, Marzipan oder Scho-
kolade zu finden. „Schokolade
galt schon bei den Azteken als
Speise der Götter. Ich biete die
köstliche Versuchung in vielen
Kreationen, ob als kleine Le-
ckerei und Nascherei zu Kaffee
und Tee oder zur individuellen
Dekoration. Foto- und Logo-
pralinen werden auf Bestellung
angefertigt“, beschreibt die
Meisterin ihre Angebotspalette.
Zur Vorweihnachtszeit steht für
die 43-Jährige das Backen von
typischem Weihnachtsgebäck
wie Dominosteine, Spekulatius,
Vanillekipferl und Lebkuchen
obenan. Auch Weihnachtska-
lender mit Pralinen, made by
Herborn, versüßen die besinn-
liche Zeit.
„Einen Renner unter meinen
Produkten gibt es (noch) nicht.
Ichbin ständig auf der Suche und
offenfürNeues.MeinHandwerk
ist spannend, ist aufregend und
macht immer wieder Lust auf
Schokolade!“
Fertigt leckere
Aufträge ganz
nach Kunden-
wunsch: Konditoren-
meisterin Tatjana Her-
born.
Schokoladen-Duo „Handwerk – Wissenschaft“: Kon-
ditorenmeister Jean-Paul Warnecke fertigte die frisch
promovierte Constanze Küsel als Schoko-Konterfei,
diese schenkte dem Handwerksmeister ein Exemplar
ihrer Doktorarbeit „Schokolade in der Kunst“.
Die Kunsthistorikerin
ConstanzeKüselarbeitetseit
1999 bei der HwK Koblenz
im Zentrum für Restaurie-
rung und Denkmalpflege
Herrstein. Ihr Interesse an
dem Erhalt kultureller Er-
zeugnisse war es auch, das
sie bewog, nebenberuflich
an der Universität Kas-
sel über das Material der
Schokolade in der Kunst zu
promovieren.
Was für den Konditor zum
alltäglichenGeschäftgehört,
stellt den Kunstbetrieb vor
enormeHerausforderungen:
der Umgang mit verderblichen
Nahrungsmitteln. In ihrer kürz-
lich erschienenen Dissertation
geht Constanze Küsel der Frage
nach, wann der Künstler zum
Konditor, der Konditor zum
Künstler wird.
Mit ihrer vielschichtigen Form-
barkeit und fragilen Materialität
steht Schokolade aber auch für
die Veränderlichkeit und Ver-
gänglichkeit von Kunst. Hier
stellt sich nicht zuletzt die Frage
nachdemeinzigartigenOriginal,
sondern auch nach der Authenti-
zität einesKunstwerkes,wennes
altert oder in Gänze zerfällt.
EinweitererinteressanterAspekt
beiKunstwerkenausSchokolade
ist dieMöglichkeit des Verzehrs
der Objekte. Stellt sich der ein
oder andere Schokoladenlieb-
haber ein in Serie geschaffenes
Konditorwerk als Erinnerungs-
stück in die Vitrine, so werden
die Kunstwerke mitunter auf
Wunsch der Künstler von den
Ausstellungsbesuchernverzehrt.
Die Grenzen zwischen Kunst
und Handwerk verschwimmen
zunehmend. Kaum ein anderes
Material zeigt dies deutlicher als
die Schokolade.
Das Buch von Dr. Constanze
Küsel „Schokolade in der Kunst
– eine kunstgeschichtliche Ma-
terialprüfung“ beschreibt diese
Themenvielfalt auf 432 Seiten
unterhaltsam, informativ und
spannend und kostet 42 Euro.
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