Handwerk Special Nr. 145 vom 11. Dezember 2010 - page 4

Handwerk und Handwerkskammer engagieren sich für Integration
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Nr. 145
11. Dezember 2010
Die Motivation zählt – nicht die Nationalität
Wenn über Menschen mit
Migrationshintergrund
berichtet wird, dann
oftmals im negativen Zu-
sammenhang. Stichwort
Ehrenmord, Zwangsehe,
Jugendgewalt oder Ter-
rorismus. Eine Studie des
SINUS-Marktforschungs-
instituts widerlegt viele
hierzulande verbreitete
Negativ-Klischees.
Faktorenwie ethnische Zugehö-
rigkeit, Religion und Zuwande-
rungsgeschichte beeindrucken
zwar dieAlltagskultur, sind aber
Projekt „Handwerk integriert Migranten“ verweist auf langfristige Erfolge
Teil 2
Gelungene Integration
Fortsetzung
von Seite 3:
David Severin:
„Mein
Vater ist Spanier, mei-
ne Mutter Deutsche.
Ich bin in Deutsch-
land geboren, habe
aber einige Jahre in
Barcelona gelebt. Bei
mir war es nie Thema,
dass ich spanische Wurzeln habe. Jungen Leuten mit
Migrationshintergrund rate ich, sich mit der Kultur der
Menschen, in deren Land man lebt, auseinanderzuset-
zen. Viele Widerstände lassen sich durch Gespräche
ausräumen. Gespräche sind auch für den Zusammen-
halt der Familie wichtig. Weihnachten ist vor allem
ein Familienfest.“
Johannes Weib:
„Verständnis im
Team zählt. Mir ist egal, ob mein
Kollege eine andere Nationalität
hat. Alle müssen an einem Strang
ziehen. Auf Weihnachten freue ich
mich. Allerdings war als Kind noch
mehr Vorfreude dabei.“
Es hat Spaß gemacht, mit den jungen Fliesen-, Platten-
und Mosaiklegern in spe zu sprechen. Ihnen nimmt
man ab, dass Integration gelungen ist. Bei den überbe-
trieblichen Lehrgängen im Bauzentrum in jedem Fall!
Die Brüder Recai und Kfz-Meister Recep Simsek (v.l.) bil-
den Zafer Kücüktas zum Kfz-Mechatroniker aus.
HiM-Berater Acar Birdal (r.) berät Gas- und Wasserinstallateur
Erkan Akin (l.)und dessen zukünftigen Lehrling Ercan Ergötz.
TeamderHwK-Ausbildungsbe-
rater.Acarwurde inDeutschland
geboren. Seine Eltern kamen
1968 als Gastarbeiter von An-
talya nach Koblenz. Er hat hier
die Schule besucht, eine Stu-
ckateurlehre erfolgreichbeendet
und das Abitur nachgeholt. Er
ist Betriebswirt des Handwerks
und besucht derzeit die Meister-
schule. Das Projekt „Handwerk
integriert Migranten“ ist für ihn
Herzenssache.
„Für mich ist der emotionale
Zugangzuden jungenMenschen
undausländischenBetriebsinha-
Handwerk integriert Migranten
Nach über 400 Betriebs-
kontakten arbeiten etwa
150 Tutoren eng mit dem
Projekt HiM zusammen.
Über 450 Jugendliche mit
Migrationshintergrund
(Mh) wurden informiert
und beraten.
lifizierung (AdA-Schein) zu
absolvieren.
Der Erfolg des Projektes
spricht für sich, sodass HiM
auch im Jahr 2011 fortgeführt
wird. Das Projekt wird geför-
dert aus Mitteln des Landes
Rheinland-Pfalz (Minis­terium
fürWirtschaft, Verkehr, Land-
wirtschaft undWeinbau sowie
Ministerium für Arbeit, Ge-
sundheit, Familie und Frauen)
und der Europäischen Union
(Europäischer Sozialfonds).
Infos zum Projekt „Hand-
werk integriert Migranten“
bei der Pädagogischen
Anlaufstelle der HwK, Tel.:
0261/ 398-324, Fax: -989, E-
Mail:
Der Mädchenanteil liegt bei
rund 40 Prozent. Außerdem
wurden über 100 Eltern in-
dividuell beraten. Rund 150
Praktikums- und 120 – größ-
tenteils zusätzliche – Ausbil-
dungsplätzekonntenakquiriert
werden.
Dies gelangauchdadurch, dass
etwa 80 Betriebsinhaber mit
Mhüberzeugtwerdenkonnten,
eine Ausbildereignungsqua-
seinen Job versteht, kommt vo-
ran“, betont Recep Simsek, der
auch als Kfz-Sachverständiger
aktiv ist.
Für ihn zählen als Basis für die
Ausbildung Fleiß, Motivation,
Interesse an der Arbeit und
Deutschkenntnisse.DieNationa-
lität spielt keineRolle. „Wir sind
alle nur Gäste auf dieser Erde“,
ist der aus Istanbul kommende
Handwerksmeister überzeugt.
Mit seinem türkischen Lehrling
Zafer Kücüktas gibt es keine
Probleme. „Hier wird nicht über
Integration geredet, hierwird sie
gelebt“, freut sich HiM-Berater
Acar über den Kfz-Mechaniker-
meister, der auch als Tutor im
Projekt arbeitet.
Alltag schaut er, ob
die Ausbildung op-
timal läuft, beant-
wortet Fragen und
führt Gespräche
mit Lehrling und
Ausbilder bei even-
tuell auftretenden
Kon­flikten. „Dann
spreche ich schon
mal türkisch mit
dem Jugendlichen,
um zu zeigen: ‘Ich
verstehedeineMen-
talität,ichweiß,wie
du tickst’“, verrät
er.
gen mit Migrationshintergrund,
ebensozuhandeln“,betontAkin.
Und Chef Erkan will auch beim
LerneneinVorbildfürPraktikant
Ercan sein. Sogreift einRädchen
in das andere.
Gäste auf
der Erde
Kfz-Mechanikermeister Recep
Simsek aus Bad Kreuznach
ist Meister im Familienbetrieb
seines Bruders Recai. Seit
1970 lebt der 46-Jährige in
Deutschland. „Mein Onkel war
der erste türkische Gastarbeiter
in Deutschland“, erzählt er.
Die Simsek-Brüder haben sich
integriert. „Wer leistungsbereit
ist, kann sich hocharbeiten. Wer
nicht milieuprägend und
auf Dauer nicht identitäts-
stiftend. Das Negativimage
abzubauen und die Sensibi-
lisierung der Öffentlichkeit
für die Situation Jugend-
licher mit Migrantenhin-
tergrund ist ein Ziel des
Projektes „Handwerk inte-
griert Migranten“ (HiM),
das die HwKKoblenz 2007
gestartet hat.DieBotschaft:
ImHandwerkzähltMotiva-
tion, nicht Nationalität!
Esgilt,Betriebsgründungen
vonMigrantenzuunterstüt-
zen, jugendlicheMigranten
in ein Ausbildungsver-
hältnis zu integrieren und
Projekt trägt
Früchte
DenGas-undWasserinstallateur
Erkan Akin aus Bad Kreuznach
hat Acar unterstützt, sich selbst-
ständig zumachen. „NachAble-
gen einer Sachkundeprüfungha-
beichdieAusnahmebewilligung
mitderAuflage,denMeisterbrief
zu erwerben, erhalten. Ich habe
Jahre als Schweißer in einem
Unternehmen gearbeitet und
wollte wieder zum Handwerk
zurück und mein eigener Chef
sein“,erzähltder32-Jährige.Den
Ausbildereignungsschein hat er
bereits in der Tasche. Jetzt büf-
felt er für den fachtheoretischen
und fachpraktischen Teil der
Meisterprüfung.
Der 18-jährige Ercan Ergötz
macht derzeit bei ihm ein Prak-
tikumundwird2011 seineLehre
bei „AKINInstallationstechnik“
beginnen. Auch bei der Vermitt-
lung des Praktikums war HiM-
BeraterAcar aktiv. FürBetriebs-
inhaber und Praktikant trägt das
Projekt Früchte. „Ich möchte
einem türkischen Jugendlichen
eine Ausbildungschance geben
und appelliere an meine Kolle-
Fachkräfte zu qualifizieren.
Mit HiM-Berater auf
Betriebstour
Birdal Acar spricht fließend
deutsch und türkisch. Er ist
türkischer Staatsbürger. Seit
2007verstärktder32-Jährigedas
bern einfacher, weil ich selbst
einen Migrationshintergrund
habe“, ist BirdalAcar überzeugt.
Bei der Arbeit zählt für ihn Pro-
fessionalität, in der Freizeit der
Spaß und ansonsten Toleranz.
AlsDJkenntAcarauchdiemusi-
kalischenVorliebenvielerseiner
Schützlinge. Im beruflichen
Lehrlinge
sprechen über
ihr Miteinan-
der und über
Weihnachten.
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