Handwerk Special Nr. 121 vom 12. April 2008 - page 5

Im Interview: HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag
Nr. 121
12. April 2008
Stichwort
Demografische Entwicklung
Der Anteil von
Kindern und
Jugendlichen in
der Gesellschaft
sinkt kontinu-
ierlich. Das hat
Auswirkungen
auf den Ausbil-
dungsmarkt.
Diedemografische
Entwicklung zeigt
fürDeutschlandei-
ne klare Tendenz:
Langfristig wird
es einen Bevöl-
kerungsrückgang
von derzeit 82
Mio. auf ca. 74 bis
69Mio.Menschen
I
nfos
im Jahre 2050 geben. Und: Das Durchschnittsalter wird steigen,
denndieZusammensetzungderBevölkerungverschiebtsichweiter
in Richtung älterer Menschen. Der Anteil der 65-Jährigen und
Älteren von aktuell 19,3 % wird nach Berechnungen des Bundes
auf ca. 33 % im Jahr 2050 steigen. Zugleich wird sich der Anteil
der Hochbetagten (80 Jahre und älter) fast verdreifachen. Neu ist
die demografische Alterung Deutschlands allerdings nicht und
schon seit über 100 Jahren im Gange. Die Ursachen finden sich
in der langfristigen Veränderungen der Geburtenhäufigkeit – vor
allem die Geburtenrückgänge um 1900 und um 1970 – und der
kontinuierliche Anstieg der Lebenserwartung.
Aktuell und „kurzfristig“ mit Blick auf die nächsten fünf Jahre
wird ein Rückgang der Schulabgänger erwartet, ausgelöst durch
schwacheGeburtenjahrgängeMitteder1990erJahre.Damitverän-
dert sich auch die Situation auf demAusbildungsmarkt. Bereits in
dreibisvierJahrensindmehrLehrstellenzubesetzen,alsBewerber
dafür vorhanden sind. Schon seit Jahren sensibilisiert die HwK
Koblenz deshalb ihre Mitgliedsbetriebe, die Fachkräfte von mor-
gen heute auszubilden und sich frühzeitig auf diese Entwicklung
einzustellen. Eine wichtige Rolle bei der Nachwuchssicherung
werden künftig Jugendliche mit Migrationshintergrund spielen
- ebenfalls ein Thema, das die HwK Koblenz bereits heute über
verschiedene Projekte anpackt, so mit der Initiative „Handwerk
integriertMigranten“, indie sichgerade ausländischeHandwerker
besonders stark einbringen, die im nördlichen Rheinland-Pfalz
heimisch geworden sind.
zum HwK-Projekt „Handwerk integriert
Migranten” unter Tel.: 0261/ 398-342
„Handwerk setzt Signale!”
Die Lehrstellenbörse der Handwerkskammer Koblenz meldet
ein deutliches Plus bei den freien Ausbildungsstellen für
das Jahr 2008 und sichert sich langfristig so den fachlichen
Nachwuchs. Das schafft Perspektiven für die Jugendlichen
wie auch die Unternehmen. Eingebettet in einen gesamt-
wirtschaftlichen konjunkturellen Abschwung, in dem das
Handwerk allerdings wesentlich besser abschneidet als
andere Bereiche, ergibt sich eine klare Botschaft: Die
Handwerksunternehmen im Norden des Landes stellen
jetzt die Weichen und setzen mit ihrer Lehrstelleninitiative
und wirtschaftlicher Stabilität eigene Signale. Und: Ohne
Handwerk geht es nicht, auch in Sachen Ausbildung.
Präsident Scherhag zu Ausbildungssituation und Konjunktur
Wie wichtig gerade die Siche-
rung eines fachlich qualifi-
zierten Nachwuchses ist, macht
nicht zuletzt ein Blick auf die
demografische Entwicklung
deutlich: Für die kommenden
Jahre werden deutlich weniger
Schulabgänger erwartet, die als
Lehrlinge im Handwerk einen
Beitrag leisten können. Zur
aktuellen Situation äußert sich
HwK-Präsident Karl-Heinz
Scherhag im Interview.
Herr Scherhag, die Azu-
bi- & Studientage Ko-
blenz 2008 zeigen gerade
deutlich, wie attraktiv das
Handwerk für Jugendli-
che ist. Der Andrang beim
Handwerk ist riesig – und
trotzdem wird mit einem
Lehrlingsmangel gerech-
net. Woran liegt das?
Scherhag:
Die Azubi- & Stu-
dientage in der Sporthalle
Oberwerth, bei denen sich
das Handwerk mit mehreren
Ausstellungsflächen als größter
Einzelaussteller spannend und
interessant – ich nenne stellver-
tretenddielebendenWerkstätten
– als der Besuchermagnet prä-
sentiert, stehen für das Interesse
der Jugend am Handwerk. Das
Handwerk ist so interessant,
weil es für eine Vielfalt der be-
ruflichen Selbstverwirklichung
steht. Natürlich überzeugen die
Karrierechancen.Hier kannman
als Meister sein eigenes Unter-
nehmen führen. Wenn es also
mehr freie Lehrstellen gibt, liegt
das nicht amsinkenden Interesse
Jugendlicher am Handwerk,
sondern an einemRückgang der
Schulabgänger.Wir beobachten
diese Entwicklung seit langem,
zu der es ja auch heute bereits
klare Zahlen für morgen gibt
und steuern mit einer Vielzahl
von Initiativen und Aktionen
gegen, so auch jüngst mit dem
Grundschulfest oder der Helle-
WecKs-Aktion. Für den Erfolg
diesesEngagements stehennicht
zuletzt steigende Zahlen neu
abgeschlossener Lehrverträge
zum Jahresende 2007. Zu die-
sem Zeitpunkt standen 10.550
Jugendliche in einer handwerk-
lichen Ausbildung. Das ist ein
Plus von 250 im Vergleich zum
Vorjahr.
Die Zahl abgeschlossener
Lehrverträge steigt, die
der freien Ausbildungs-
plätze auch. Wohin
steuert das Handwerk?
Die geburtenschwachen Jahr-
gänge ab Mitte der 1990er Jahre
schlagen durch – auch beim
Handwerk. Dochwir redennicht
von einem Fachkräftemangel
und legen die Hände in den
HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag: „Ein Blick
über die Grenzen lohnt, denn die Wirtschaftsräu-
me, auch für das Handwerk, verändern sich!”
schaft der Unternehmen. Na-
türlich wissen wir, dass sich die
Nachwuchssituation ändert und
in drei, vier Jahren der Anteil
ausländischer Jugendlicher im
Handwerk deutlich höher sein
wird als heute. Also bereiten wir
uns, unsere Betriebe, darauf vor
und verstehen es als Chance.
Ein wichtiges Argument,
Jugendliche für das
Handwerk zu gewinnen,
ist die Wirtschaftskraft.
Wie beurteilen Sie diese
mit Blick auf den jüngsten
Konjunkturbericht?
Die Stimmungslage des Hand-
werks imnördlichenRheinland-
Pfalz ist grundsätzlich positiv,
auch wenn die Zahlen etwas
verhaltener ausfallen, als vor
einemJahr.DasGrosunsererBe-
triebe beurteilt die Wirtschafts-
lage durchaus positiv, Tendenz
steigend. Zuversicht – und diese
teilen immerhin drei Viertel der
befragten Handwerkskollegen
– ist ein starker Antrieb für die
Berufsplanung Jugendlicher
mit dem Handwerk. Zuversicht
ist auch der Antrieb, dass der
Beratungsservice der Kammer
bietet zusätzliches Know-how
für unsere Betriebe – auch für
den Weg ins Ausland.
Das ist also keine Zu-
kunftsmusik, sondern
Teil des handwerklichen
Hier und Heute?
Es ist Teil eines sich verän-
derndenWirtschaftsraumes,sich
verändernder Anforderungen
Schoß, sondern begegnen dieser
Entwicklung aktiv. Dafür steht
auch die Präsentation des Hand-
werks, der HwK in Kooperation
mit der Kreishandwerkerschaft
Mittelrhein und fünf Innungen,
bei den Azubi- & Studientagen.
Dafür steht die tägliche Arbeit
der Ausbildungsberater der
HwK, die Initiativen der Kam-
mer zusammen mit Partnern der
Wirtschaft und Politik, dafür
steht die Ausbildungsbereit-
Konjunkturmotor weiter rund
läuft. Und doch ist es gerade
jetzt wichtig, einen Blick über
die Grenzen hinaus zu werfen.
Das Handwerk muss sich weiter
öffnen. Internationale Märkte
gilteszunutzen.DieHandwerks-
kammer hat über ihre internati-
onalen Partnerschaftsprojekte
Brücken gebaut und damit
eine gute Ausgangslage für das
HandwerkimKammerbezirkge-
schaffen. Nutzen wir diese! Der
an das Handwerk. Wir leben in
einer modernen Gesellschaft,
prägen als modernes Handwerk
moderne Wirtschaft. Die Kam-
mer hilft den Unternehmen mit
umfangreichen Beratungs- und
Bildungsleistungen, flexibel auf
solcheAnsprüchedesMarkteszu
reagieren. Dabei gehen wir auf
die Betriebe zu und bauen die
regionalePräsenzaus,aktuellmit
derAhr-Akademie,damitwirauf
kurzem Weg erreichbar sind.
Prozent (Anteil an der Gesamtbevölkerung)
Jahr
25
50
2000
2025
2050
65 Jahre und mehr
15 - 20 Jahre
Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland zwi-
schen 2000 und 2050; Anteil der 65-Jährigen und
Älteren / der 15 bis 20-Jährigen
1,2,3,4 6,7,8,9,10,11,12,13,14,15,...36
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