Handwerk im Frühjahr vom 8. März 2008 - page 4

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Humanitäre
Hilfe
von
Herzen
Hörgeräteakustikermeister Hilgert-Becker engagiert sich über die Grenzen hinaus
„Die strahlenden Augen der Kin-
der, die wieder hören können, kann
ich nicht vergessen und schon gar
nicht beschreiben. Wenn sie in die
Hände klatschen und sich riesig
über das Geräusch freuen, berührt
es das Herz“, so Hörgeräteakusti-
kermeister Dan Hilgert-Becker,
Fa. Becker Hörakustik Koblenz.
Gerade ist er aus Plovdiv/ Bulgarien
zurück. Dort hat er 7 Kindern an
der Gehörlosenschule fabrikneue
Hörgeräte angepasst. 200 zusammen
mit Herstellerfirmen gesponserte
Hörgeräte hatte er insgesamt im
Gepäck. „Wir haben den Kindern
erstmals ermöglicht, zu hören und
lautsprachlich zu kommunizieren.
Das macht glücklich und erfüllt
uns auch mit Stolz“, bringt er die
ehrenamtliche Arbeit des Teams auf
den Punkt. Gemeinsam mit Ärzten,
Architekten und Lehrern war er zum
zweitenMal vorOrt umzuhelfen, die
vorhandene räumliche Ausstattung
der Schule weiter zu verbessern und
die Kinder zu versorgen.
„Bei meinem ersten Besuch in Plov­
div habe ich gesehen, was es heißt,
als gehörloses Kind in einem Heim
aufzuwachsen. Die Eltern interessie-
ren sich nicht für ihre Kinder. Die
Zustände in der Gehörlosenschule
sind katastrophal. Zwei Drittel der
Schüler leben im Internat. Die Zim-
mertemperatur im Winter beträgt
Opas
Hörtrichter
ist passé
Hörgeräteakustiker ist Architekt des Hörens
„Wir sehen uns als Architekten des
Hörens, als Partner zur Planung und
Anpassung individueller Hörsysteme.
Die Ästhetik eines Hörgeräts spielt
dabei eine wichtige Rolle“, so Hörge-
räteakustikermeister Gerhard Grüne-
wald aus Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Opas Hörgerät, dieser klobige,
fleischfarbeneBolzen,hatausgedient.
Hörgeräte von heute bestechen durch
ausgefeilte Technik im modernen
Outfit. Grünewald beschreibt die
neue Generation der Hörgeräte als
„designt, kosmetisch angepasst bis
fast unsichtbar und weit ab vom Pro-
thesencharakter“.Mit EhefrauUrsula
führtder48-Jährigeseit10Jahrensein
Hörstudio in der Kurstadt. „Unsere
Mission besteht darin, Menschen
zum besseren Hören zu verhelfen.
Verständnis für den Kunden, eine
auf seine Bedürfnisse abgestimmte
Beratung und ein ganz besonderes
Feeling sind dafür unerlässlich“, so
Grünewald.
Hören live erleben
Für Gerhard Grünewald ist der Beruf
Leidenschaft. „Es ist ein schönes
Erlebnis, wenn Menschen mit fast
unsichtbaren Hörsystemen relaxed
in der Gesellschaft kommunizieren
können“, sagt er. Aktuelle Hörsys­
teme der neusten Chiptechnologie
verbessern insbesondere das Verste-
hen in lärmvollerUmgebung. Ebenso
ist das lästige Rückkopplungspfeifen
keinThemamehr. In einemakustisch
perfekten Raum (Kubus) werden die
Hörsysteme vom Hörgeräteakusti-
kerteam Grünewald elektroakus-
tisch unter Be-
rücksichtungen
der subjektiven
Em p f i n d u n g
des Kunden an-
gepasst. „Die
Kunden erleben
Hören live“, so
der Fachmann.
nachAngaben der Schul-
leitung ungefähr fünf
Grad“, schildert Hilgert-
Becker seine Eindrücke.
„Ich habe Messungen
und Ohrabformungen
vorgenommen. Dabei
konnte ich feststellen,
dass viele Kinder noch
über ausreichendes Rest-
hörvermögen verfügen,
sich in der Schule aber
ausschließlich über Ge-
bärdensprache verstän-
digen. Hörgeräte ermög-
lichen, dass dieKinder lautsprachlich
aufwachsen“, berichtet er und erklärt
die Dringlichkeit der Geräte.
Zahlreiche Projekte realisiert
Die Unterstützung von Schulen für
behinderte Kinder in Bulgarien und
auf dem Balkan geht auf eine Initia-
tive von Dr. h. c. mult. Karl-Jürgen
Wilbert, Hauptgeschäftsführer der
HandwerkskammerKoblenz,zurück.
FürihnpersönlichistdasEngagement
in Südosteuropa Herzenssache, weit
ab von jeglichem Diktat. Seit über
15 Jahren besteht die Zusammenar-
beit zwischen der Kammer Koblenz
und bulgarischen Organisationen
des handwerklichen Mittelstandes.
Neben der Wirtschaftsförderung
werden auch Projekte impolitischen,
Keine kleinen Erwachsenen
Seit über 25 Jahren arbeitet Grüne­
wald auf dem Gebiet der Kinderver-
sorgung. 2001 erfolgte seine Ausbil-
dungzumPädakustiker.LautStatistik
haben von 1.000 Neugeborenen
etwa zwei bis drei eine höhergradige
Schwerhörigkeit. Oft wird diese erst
im zweiten oder dritten Lebensjahr
erkannt. Die Folge: Das Kind kann
sein Hör- und Sprachvermögen nur
unvollständig ausbilden. Auch die
soziale Entwicklung verzögert sich.
„Hier sind kindgerechte Ausstattung
und Prüfmethoden erforderlich, um
die Anpassung von Hörsystemen
vorzunehmen. Es bedarf eines beson-
derenEinfühlungsvermögens.Kinder
sind keine kleinen Erwachsenen“,
so Grünewald. Er verweist auf die
interdisziplinäreZusammenarbeitmit
HNO-Kliniken, Ärzten, Therapeuten
und pädaudiologischen Beratungs-
stellen.
Beratung und Nachsorge
Einweiterer Schwerpunkt ist dieBera-
tungundHerstellungvonindivi­duellem
Gehörschutz und technischen Hilfs-
mitteln. „Es werden beispielsweise
spezielleTelefone,optischeSignalanla-
gen, Tür-Telefon, drahtloseKopf­hörer
für Fernsehen und Lichtblitzwe-
cker angeboten“, erklärt Grünewald.
Auch die Nachsorge nach erfolgter
Hör­systemanpassung wird bei den
„Architekten des Hörens“ groß
ge­schrie­ben. „Regelmäßige Inspektio­
nenundNachjustierungderHörsysteme
sindunerlässlich.ModerneHörsysteme
könnenheutedurchneueSoftwarepro-
gramme upgedatet werden.“
wissenschaftlichen und kulturellen
Bereich realisiert. So leistendieHwK
Koblenz, der Rotary Club Koblenz
und das Honorarkonsulat von Bul-
garien in Rheinland-Pfalz vor Ort
humanitäre Hilfe. Beispiel dafür ist
dieRenovierungundAusstattungder
Kinderklinik im Sofioter Kranken-
haus „Alexandrovska“.
Die Spenden zu Wilberts Geburtstag
waren der Beginn des humanitären
Projektes in Plovdiv. Ein Schwer-
punkt hier ist die Einführung moder-
ner pädagogischer Konzepte für die
Arbeit mit gehörlosen und hörbehin-
dertenKindern. Ziel ist es, dieGebär-
densprache nur dann zu lehren, wenn
es unmöglich ist, die Lautsprache zu
nutzen. Hierzu werden die Kontakte
der Schule für gehörlose Kinder in
Neuwiedgenutzt. Für dieFortbildung
der Lehrer sind Praktika und Hos-
pitationen in Deutschland geplant.
Die rheinland-pfälzische Landesre-
gierung hat ihre
Unterstützung
zugesagt.
Dan Hilgert-Becker, Hörgeräteakustikermeister.
Eine kleine
Patientin ist
erstaunt, was
sie nun alles
hören kann.
Moderne
Hörsysteme
verbinden
Ästhetik
und Funkti-
onalität.
Hörgeräteakustikermeister
Gerhard Grünewald.
Hörakustik Grünewald, Bad Neuenahr-Ahrw.
Gegr. 1998
|
3 Mitarbeiter
|
Pädakustik (Kinderversorgung), 2007 nach ISO 9001
zertifiziert, Mitglied DGA
|
Tel.: 02641/ 200613
|
An die
100 Jahre
alt ist
dieser
Hörtrich-
ter aus
Opas
Zeiten.
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12
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