Handwerk Special Nr. 85 vom 30. Januar 2002 - page 6

Selbstständigkeit: Ein Fall aus der Praxis & Tipps zu den Todsünden
30. Januar 2002
Nr. 85
@
Der ganz
persönliche Krimi
Auf den HwK-Internetseiten das Ideal-Unternehmen gefunden
Maurer 15.4. Koblenz
0261/398-400
Bei der HwK-Meisterakade-
mie beginnt am 15. April ein
Meistervorbereitungskurs in
Vollzeit für Maurer.
Infos und Anmeldung bei
der HwK-Meisterakademie:
Tel.: 0261/398-400
Fax: 0261/398-990
email:
Internet:
k-
HwK-Meisterkurs
Der Bildschirm des Computers
flimmert, spuckt Daten über
Unternehmen aus. Mitarbeiter-
zahlen, Ausstattung, Größe.
Guter, solider Kundenstamm
vorhanden. Der Mann vor dem
Rechner studiert die Angaben,
vergleicht. SeinMotiv:EineUn-
ternehmens-Übernahme.Under
wird fündig...
Das hört sich nach einem Wirt-
schaftskrimi an. „Krimi schon.
Dochehereinpersönlicher“,sagt
Michael Riedl, Maurermeister
aus Fischbach bei Idar-Oberst-
ein. Immerhin übernimmt man
nicht alle Tage einen Betrieb,
der über 40 Jahre alt ist und sich
über die Region hinaus einen
guten Namen erarbeitet hat. Das
bedeutet Verantwortung - ge-
genüber dem Image, den Mitar-
beitern, denKunden. Und natür-
lich auch gegenüber der eigenen
Familie.
Handwerksmeister Riedl ist 36
Jahre alt, verheiratet. Den Meis-
terbrief hat er mit 25 Jahren ge-
schafft. Mit ihm verband sich
immer der Traum vom eigenen
Unternehmen. Doch Riedl ist
kein Mann überstürzter Ent-
scheidungen, schon gar nicht als
Kenner der Baubranche. Er stu-
dierte den Markt, checkte genau
seine Chancen als Existenz-
gründer ab - immer auch mit
Blick auf die Baukonjunktur.
UntermStrich reiftedieErkennt-
nis: Lieber ein gut geführtes Un-
ternehmen übernehmen als bei
Null anfangen. Bei seiner Suche
landete Riedl sehr schnell auf
den Internetseiten der HwKKo-
blenz
In der Betriebsbörse, die Ange-
bote und Nachfrage von der Ma-
schine über Gewerbeflächen bis
zumganzenUnternehmen koor-
diniert und online - wie in der
EinleitungdesArtikels beschrie-
ben - abrufbar ist, wurde der
Handwerksmeister fündig.
Auf einer „Wellenlänge“
Zwei Unternehmen kamen in
Frage. Im Frühjahr 2000 began-
nen dieGesprächemit demBau-
unternehmenBaerdgesausFisch-
bach. Beide Handwerksmeister,
der aus Altersgründen ausschei-
dende Vorbesitzer und sein
Nachfolger, kamen schnell zu
einer Lösung. Geschäftlich und
auch persönlich fand man eine
„Wellenlänge“, bereits drei Mo-
nate später entschieden Michael
RiedlundEhefrauSusanne:„Wir
wollendiesenBetriebweiterfüh-
ren!“
DieVorbereitungläuftaufHoch-
touren, in enger Zusammenar-
beitmit derBetriebsberatungder
HwKKoblenz wird einKonzept
zur Übernahme erarbeitet. In
HwK-Experten Michael Fuhr
finden die Handwerksmeister
einen Partner, mit dessen Hilfe
sechs Monate später die Über-
gabe „in trockenen Tüchern ist“.
„Es lief überraschend glatt“
Fragt man heute Michael Riedl
nach seinen guten und schlech-
tenErfahrungen, die sich aus der
Übergabe ergeben haben, über-
legt er lange und kommt dann zu
dem Ergebnis: „Eigentlich gab
es keine ernsthaften Probleme –
es lief ziemlich glatt. Ich würde
alles genau so wieder machen.“
Zu den positiven Erfahrungen
zählt auch das gute persönliche
Verhältnis zum Vorbesitzer:
„Klemmt es mal, reicht ein An-
ruf und er hilft.“ Auch mit sei-
nen neun Mitarbeitern und dem
Vor dem Startschuss: Tipps aus der
Praxis der HwK-Betriebsberatung
1. Mangelnde Vorbereitung
Schlüssiges Gesamtkonzept erarbeiten, viele Informationen ein-
holen und kompetente Partner suchen, die unterstützen.
2. Nicht unter Zeitdruck handeln
Eine gute Vorbereitung braucht ihre Zeit. Nicht durch vermeint-
lich günstige Gelegenheit verleiten lassen. Vorsicht bei soge-
nannten Vorverträgen.
3. Unterschätzung des Finanzierungsbedarfes
Kostenvoranschläge für genaue Ermittlung der Anfangsfinan-
zierung einholen. Vorfinanzierung von Aufträgen nicht unter-
schätzen, da sonst sofort Finanzierungslinien ausgenutzt sind.
4. Keine Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln
Vorteil öffentlicher Mittel u.a.: in den ersten Jahren muss nicht
der volle Kapitaldienst geleistet werden. Um Liquiditätsengpäs-
se zu vermeiden, diese Mittel unbedingt nutzen.
5. Verzicht auf Haftungsfreistellungen
Bei gutem Gründungskonzept ohne ausreichende Sicherheit für
die Finanzierung kann u.U. eine Haftungsfreistellung oder eine
Bürgschaft beantragt werden.
6. Notwendigkeit zusätzlicher Qualifizierung
Erfolg
Ihrer
Gründung hängt im wesentlichen von Ihrer Person
ab. Im Vorfeld kaufmännische Kenntnisse aneignen, denn jetzt
ist noch Zeit für eine maßgeschneiderte Weiterbildung
7. Fehlende persönliche Voraussetzungen
Was mein Chef kann, kann ich auch... Unterschätzen Sie nicht
die persönlichen Anforderungen. Bin ich bereit, meine Freizeit
zu opfern? Ist meine Familie bereit, mich aktiv zu unterstützen?
8. Prüfe, wer sich bindet
Mit einem Partner in die Selbstständigkeit kann Vorteile brin-
gen - allerdings nur, wenn es der richtige Partner ist. Klärende
Gespräche & vertragliche Regelungen sind wichtiges Fundament.
9. Billiger als die Konkurrenz
Die Strategie, zunächst billiger als die alteingesessenen Betriebe
zu sein, dann die Preise zu erhöhen, kann ins Auge gehen. Kun-
den, die nur auf den Preis achten, wandern sofort wieder ab.
10. Verlockende Großaufträge
Zusammenarbeit mit einem Kunden, der Großaufträge oder
kontinuierliche Aufträge erteilt, bietet Vorteile
und
Risiken, so
Abhängigkeit oder bei einem Forderungsausfall Finanzlöcher.
Nachgefragt
Die 10 Todsünden: Was Existenzgründer vermeiden sollten
Lehrling, den er über eine BÜE-
SondermaßnahmederHwKken-
nenlernte, ist Jungunternehmer
Riedl sehr zufrieden. Zu dem
Verhältnis zählt er nicht nur die
gemeinsame Arbeit, sondern
auch ein privates Umfeld. „Ich
halte beispielsweise viel von ei-
nemgemeinsamenWeihnachts-
essen, zu dem auch die Ehefrau-
en eingeladen werden.“
Die Auftragslage beurteilt der
„neue Chef“ als gut. „Wir über-
nehmen jedenAuftrag, auch sol-
che, für die andere nicht losfah-
ren.“ Spezialisiert hat sich der
Betrieb auf Passivhäuser, die so
wärmeisoliert gebaut werden,
dass sie keine Heizung benöti-
gen.OhneEhefrauSusanne, sagt
Riedl, wäre alles viel schwieri-
ger geworden. Sie kümmert sich
in der Freizeit um den ganzen
„Schriftkram“. Doch wichtiger
ist der Rückhalt, den sie ihrem
Chef undEhemanngibt undüber
den sie sagt, er sei der beste
Chef, den sie bisher hatte....
Betriebsübernahme ohne
Umleitung: Maurermei-
ster Michael Riedl fand
sein Unternehmen in der
Betriebsbörse der HwK
Koblenz. Zusammen mit
der HwK-Betriebs-
beratung bereitete der
Handwerksmeister die
Übernahme vor, die
„unproblematisch in
kürzester Zeit klappte“.
HwK-Beratungsservice für
Handwerker & ihre Kunden
unter einem Dach im
Friedrich-Ebert-Ring 31, Tel.:
0261/398-180.
Und 24 Stunden im Internet:
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