Handwerk im Herbst vom 30. Oktober 1999 - page 10

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Herbstzeit ist Zeit der Weinlese, undWeinlese bedeutet auch end-
lich wieder frischen Federweißen. Das Traditionsgetränk verbin-
det sich seit jeher mit einem „Traditionsgebäck“ - dem Zwiebelku-
chen. Doch Zwiebelkuchen ist nicht gleich Zwiebelkuchen - jeder
Bäcker variiert die Zutaten und entwickelt über Jahre hinweg eige-
ne Rezepte, die an die nächste Generation weitergegeben werden.
Über diese „Geheimrezepte“ spricht man normalerweise nicht
gerne, doch „Handwerk im Herbst“ wollte es genau wissen. Was
gehört in einen guten, handgemachten Zwiebelkuchen?
Der Zwiebelkuchen von Bäckermeister Ludwig Bauer aus Zell/
Kreis Cochem-Zell gilt als Geheimtip. Täglich 30 Zwiebelkuchen
gehen über seinen Ladentisch. Bestellungen aus dem gesamten
Bundesgebiet treffen bei ihm ein. Zu seinen Stammkunden zählen
auch Kunden aus Hamburg. „Die Leute haben den Kuchen wäh-
rend des Urlaubs bei mir gegessen und bestellen ihn seitdem re-
gelmäßig. Übrigens, jeder hat sein Spezialrezept und lässt sich
nicht gern in die Karten schauen.“
Hier der Rezepttip:
Der Zwiebelkuchen enthält nur naturbelassene
Inhaltsstoffe. Die Masse setzt sich zusammen aus holländischem
Gouda, Würfeln von Hinterschinken, Zwiebeln, Eiern und Sahne.
Der dünne Kuchenboden ist ein Mischteig aus einem Hefe- und
einem Baguetteteig. Ab in den Ofen und ca. 35 Minuten bei 250
Grad backen. GutenAppetit!
AmAnfang ist ein Eichenstamm.
Jahrhunderte alt, bietet er die be-
steVoraussetzung dafür, dass in
seinemHolz auch guterWein al-
tern und reifen kann. Vorausge-
setzt natürlich, dass aus dem
Stamm ein Fass wird. Für die
Erfüllung dieser Voraussetzung
sorgt seit vier Generationen und
mehr als hundert Jahren die
Holzküferfamilie Hösch in Hak-
Holzküfer –
ein altes
Handwerk
imAufwind
kenheim, einem kleinen Ort in
der Nähe von Bad Kreuznach,
einer von drei Holzküferbetrie-
ben, die in der Holzküferinnung
inWorms zusammengefasst sind.
Urgroßvater Johann Adam Hösch
war vor 100 Jahren der erste Kü-
fer der Familie; heute arbeiten
drei Generationen unter einem
Dach zusammen, vom Jüngsten,
Andreas, 24 Jahre alt, über Hans
junior (52) bis zu Hans senior,
82 Jahre alt, der den Betrieb nach
dem Krieg in Hackenheim wie-
der aufbaute und heute noch die
Fässer mit Schnitzereien verziert.
ImHof, hinter derWerkstatt, la-
gern rund 25.000 Kubikmeter
Eichenholz zumTrocknen,mäch-
tige Stämme, im Spiegelschnitt
zersägt. Nur gut abgelagertes
Holz lässt sich zu guten Fässern
verarbeiten. Pro Zentimeter Dik-
ke braucht das Holz ungefähr ein
Jahr zum Trocknen; die Bretter
für die Dauben, praktisch die
Spanten der Fässer, sind bis zu
fünf Zentimeter dick. Sie wer-
den, je nach Fassgröße, auf die
entsprechende Länge zugeschnit-
ten, auf denMillimeter abgerich-
tet und gesteift. Nebeneinander
gestellt, schließen sie an einer
Seite ab, an der anderen könnte
man bequem eine Faust hin-
durchstecken.
Dass aus dem Ganzen ein Fass
wird, das garantiert keinen Trop-
fen des köstlichen Getränks
durchlässt, dafür sorgen Spann-
ringe aus verzinktemEisen oder,
seit einiger Zeit zunehmend ver-
wendet, hochwertigstem Edel-
stahl. Der ist mindestens ebenso
langlebigwie das Eichenholz und
ermöglicht, auf eine ansonsten
notwendige regelmäßige Erneue-
rung der Spannringe zu verzich-
ten. Die Spannringe pressen die,
je nachVolumen, 30 bis 70 Dau-
ben eines Fasses kreisförmig
zusammen.
„Feuer undWasser müssen’s bie-
gen“. Das gilt auch heute noch.
Feuer, das im Fassinneren ange-
zündet wird und das Eichenholz
erhitzt, Wasser, das es wieder
abkühlt und weicher macht, sor-
gen für die Formbarkeit des Hol-
zes. Ganz nebenbei verleiht das
„Toasten“ dem Fass und damit
demin ihmgelagertenWeinmög-
liche zusätzlicheGeschmacksnu-
ancen.Wie es denn überhaupt die
spezifischen Eigenschaften des
Holzes sind, die Fässer aus die-
semMaterial so wertvoll für den
Winzer machen. Holz lässt nicht
nur Sauerstoff hindurch und da-
mit dem Wein atmen, sondern
gibt, bei der Rotweinherstellung
besonders geschätzt, u. a. Tan-
nin an den Rebensaft. Eigen-
schaften, wegen derer Winzer
heutzutage Holzfässer wieder
mehr und mehr schätzen.
„Ein bisschen hängt das mit der
gesamten Entwicklung imWein-
sektor in den letzten Jahren zu-
sammen,“ kommentiert Hans
Hösch junior. „DieWinzer muss-
ten erkennen, dass sie mit nor-
malemTafelwein, für den sie pro
Liter nur noch 40 Pfennig be-
kommen haben, nicht leben kön-
nen.Was dieQuantität nichtmehr
bringt, muss jetzt die Qualität
bringen, und da kommt man
praktisch ohne Holzfässer nicht
mehr aus.“ Kein Wunder also,
dass die Holzküferei, anders als
in den 60er Jahren, wo die Kunst-
stofffässer das Allheilmittel zu
sein schienen, regelrecht „boomt“,
so dass Hösch gar meint, alle drei
Küferbetriebe der Innung wüss-
ten nicht, wie sie dieArbeit schaf-
fen sollten. Wer imHerbst 2000
ein Fass braucht, sollte dies tun-
lichst schon jetzt bestellen, „wir
haben zwar noch keine Liefer-
fristen wie manche Autofirma,
aber eine Zeit lang muss man
doch auf sein Fass warten“.
Und die Nachfrage wächst wei-
ter, vor allemauch nach den größ-
ten, den 5000-Liter-Fässern.
Zusammenmit seinemSohn, der
bei ihm lernte und den Prakti-
schen Leistungswettbewerb auf
Bundesebene (!) gewann, setzt
Hösch alles daran, umseineKun-
Vom 10. bis 13. Dezember findet in Dijon (Frankreich) die Ausstellung Kunsthandwerk-
und Nahrungsmittel statt. Die Handwerkskammern Burgund laden dazu Betriebe des Nah-
rungsmittel- und Kunsthandwerks aus Rheinland-Pfalz als Ehrengäste ein. Mit mehr als 120
französischen Kunsthandwerkern können die deutschen Teilnehmer rund 15.000 Besucher
erwarten.
Infos
bei der HwK Koblenz,
Exportberatung,
Tel.: 0261/398-244, Fax: -994, e-
mail:
ternet:
HwK-Beratungsservice: Exportberatung hilft bei der Erschließung ausländischer Märkte
Export-
beratung der
HwK Ko-
blenz: 0261/
398-244, Fax:
-994.
den zufriedenzustellen, erweist
sich dabei, so traditionsverbun-
den sein altes Handwerk auch
sein mag, als bemerkenswert in-
novativ. Gemeinsam entwickel-
ten die Höschs beispielsweise
1995 eine mittlerweile patentier-
te Fasstürsicherung aus lebens-
mittelechtemSilikon, die es dem
Winzer erlaubt, auf das lästige
und klebrige, Kleidung ver-
schmutzende und Filter zerstö-
rende Abdichten der Fasstüren
mit Rindertalg zu verzichten. Die
jüngste Neuerung:Auch inHolz-
fässer werden Kühlaggregate
eingebaut, mit denen sich die
Lagertemperatur desWeins und
damit die Geschwindigkeit der
Gärprozesse beeinflussen lassen.
„DasMorgen ist gesichert!“Man
glaubt es Hans Hösch gerne,
nicht umsonst gibt es wieder ei-
nen Interessenten, der dem-
nächst bei ihmdas zukunftsträch-
tige Handwerk des Holzküfers
erlernen möchte.
Von der Mosel an dieWaterkant
Herbstliche Genüsse
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