Handwerk Special Nr. 146 vom 5. Februar 2011 - page 12-13

Handwerker als Rückgrat der Wagen- und Kulissenbaukunst
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Nr. 146
5. Februar 2011
Goldschmiedemeisterin wird zur Hofdame
„Ich wäre auch gern Kostümbildner gewor­
den und lebe mein Hobby im Karneval aus“,
bekennt Goldschmiedemeisterin Andrea Kap-
ser aus Bad Breisig.
gangenen Jahr konnte
ichzahlreicheNeukunden
von meinen Arbeiten überzeu-
gen“, freut sich Andrea Kapser.
„Schmuck wird getragen, um
Individualität zum Ausdruck zu
bringen. Er ist vor allem aber
auch Aus-
druck handwerklicher
Fertigkeit“, weiß sie. Gold-
schmiedemeisterin Andrea
Kapser fertigt Schmuck, der
magisch anzieht. Während
der über 30 Auftritte in der
närrischen Session wird sicher
auch Hofdame und Tänzerin
Andrea Kapser Blicke ob ihres
Outfits und karnevalistischen
Auftretens auf sich ziehen.
Vom Meister bis zum Lehrling: Handwerk lebt den Karneval
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Nr. 146
5. Februar 2011
In der Meister
werkstatt des Karnevals
Heimbach-Weis ist ein Begriff in der Welt des
Karnevals. Es ist gerade noch zulässig, die Hoch-
burgen Mainz und Köln in einem Atemzug mit dem
Neuwieder Stadtteil zu nennen, um das einge-
meindete Doppeldorf für Unwissende geografisch
einzuordnen. „Oos kann käner“, rufen die Weiser
selbstbewusst aus. „Ömmer parat“, das sind die
Heimbacher.
Einblicke in die Wagen- und Kulissenbaukunst der KG Weis
Seit Tagen nun wird an beiden
Ortsenden geschraubt, gehäm-
mert, gesägt, geschweißt, ge-
formt, gemalt ...: in der Blocker
Straße in der Wagenbauhalle
der Karnevalsgesellschaft 1827
Heimbach, inderKomiteestraße
– diesen Straßennamen gibt’s
weder in Mainz noch in Köln
– bei der Karnevals- und Kir-
mesgesellschaft Weis. Beide
KGs kooperieren, sie stellen im
Wechsel das Heimbach-Weiser
Prinzenpaar. Aber während der
Bauphase für den überregional
bekannten Veilchendienstags-
umzug sind für die jeweils
andere KG die Hallen absolutes
Sperrgebiet. Nur Handwerk
Special durfte den Blick hinter
die – eine der beiden – Kulissen
zurVorbereitungdesStraßenkar-
nevals werfen.
reszeiten arbeitet er
als Bauleiter bei der
Bauunternehmung
Dietmar Fergen in
Neuwied-Gladbach,
findet sich hier also
in einer berufsnahen
Verwendung.
Nebenan baut Phi-
lipp Hoffmann am
„Königreich Weis“.
Kaum, dass er seine
Tischlerlehre bei
„HolzinForm“Blae­
ser & Hartmann
in Neuwied-Glad-
ba ch begonnen
hat, erweist er sich
als professioneller
Gestalter an dem
nachwachsenden
Rohstoff, formt
verspielte Schloss­
Steckbrief: Fliesen Karl-Fred Becker, Neuwied
Gegr. 1977 | 1 Meister | Bäder, Terrassen, Abdichtungen, barriere-
freie Modernisierung | Tel.: 02622/ 82699 |
Ein treuer Husar ...
Ralf Mayer ist Maler- und
Lackierermeister und
er ist 1. Vorsitzender im
Karnevalsverein Gülser
Husaren. Beides macht
der 39-Jährige mit Herz
und Seele.
Vor allem in der närrischen
Session bedarf es oft großen Or-
ganisationstalentsundDurchhal-
tevermögens, alle Termine mit
denArbeitsaufgabenunter einen
Hut zu bringen. Morgens noch
auf Baustellen und in privaten
Haushalten unterwegs, gilt es
kurz darauf, sich ins Kostüm zu
schwingen,zuschminkenundals
Husar zu agieren.
Malerbetrieb in
der 3. Generation
„Man muss hinter
allem, was man tut,
mit ganzer Seele ste-
hen und es ganzherzig
machen. Das gilt für
Beruf und Karneval
gleichermaßen“, ist
er überzeugt. Seine
Profession hat in der
Familie Mayer Tra-
dition. 1952 grün-
dete sein Großvater
in Koblenz-Güls den
Betrieb, VaterWerner
Malermeister Ralf Mayer engagiert sich im Gülser Karneval
Tischlerlehrling Philipp
Hoffmann baut am „Kö-
nigreich Weis“.
Seit 30 Jahren engagiert sie
sich im Karneval. In der
aktuellen Session fungiert
sie als Hofdame im Hofstaat
von Prinz Markus I. und sei-
ner Prinzessin Marion. Die
Goldschmiedemeisterin, die
seit 1996 selbstständig ist,
sieht eine „ganz wunderbare
Fügung“, ihre kreative Ader
beruflichundprivat unter einen
Hut zu bringen.
„Immer mehr Menschen legen
Wert auf Qualität und leisten
sich Wertbeständiges, das
viele Trends übersteht. Imver-
Steckbrief:GoldschmiedeA.Kapser,BadBreisig
Gegr. 1996 | 1 Meisterin, 1 Lehrling | Neuanfertigungen, Repara-
turen | Tel.: 02633/ 96731
Chef. Mit zwei Gesellen bietet
er überwiegendprivatenKunden
die gesamte Leistungspalette
des Maler- und Lackiererhand-
werks.
„Der Maler ist mehr als ein
Anstreicher. EinfachTapeten an
dieWand zu kleben, reicht heute
lange nicht mehr aus, wenn man
gefragt sein will“, betont er. Im
„hohen Anspruch an die Arbeit,
Kontaktfreudigkeit, Einfüh-
lungsvermögen sowie freund-
lichen, ruhigen Umgang mit
Kunden“ sieht er einenSchlüssel
fürerfolgreichesBestehenseines
Betriebes am Markt.
400 Mitglieder zählt der Ver-
ein. Die Uniformierten tragen
schwarze Stiefel, weiße Hose,
silber bestickte blaue Jacke,
Attila (Jackemit Pelzbesatz über
einer Schulter getragen), weißen
Hut mit Federschmuck, Säbel
und Säbeltasche. „Die Uniform
ist EigentumjedesMitglieds und
muss auch vom Träger indivi-
duell gepflegt werden“, betont
Mayer. Der materielle Wert von
an die 2.000 Euro gebietet den
HusarendensorgsamenUmgang
mit ihremOutfit von selbst.Über
allem aber steht der Spaß. Nicht
nur bei den vier Sit­zungen der
GülserHusareninderKarnevals-
session.Auch
bei der über
die Grenzen
von Koblenz
b e k a n n t e n
„Or i g i n a l -
Husaren-Po-
wer-Party“
können al-
le fröhlich
singen: „Es
war einmal
ein treuer
Husar ...“
Na dann,
G ü l s
Olau!
Steckbrief: Malerbetrieb Ralf Mayer, KO-Güls
Gegr. 1952 | 3Mitarbeiter (1Meister) | Dekorputz,Wärmedämmung,
PVC- und Teppichboden | Tel.: 0261/ 401113 | Fax: -401111
Eine kleine
Husarengeschichte
Das karneva-
listische Enga-
gement von Ralf
Mayer hat keine familiären
Wurzeln. Seit 1994 ist er
bei den Husaren, seit 2004
deren1.Vorsitzender. „Wie
sovieleKoblenzerKarnevals-
vereine entstanden auch die
Gülser Husaren aus der katho-
lischen Jugend. 1978 reifte bei
einigenGülser Jugendlichen der
Gedanke, ihre karnevalistischen
Aktivitäten weiterzuentwickeln
und einen unabhängigen Kar-
nevalsverein zu gründen. Es
entstand eine Garde, die eine
blau-weiße Husarenuniform
trägt. Blau-weiß wie das Gülser
Wappen“, weiß er.
Ralf Mayer im Dienst
als Malermeister
und als Husar.
übernahmdiesen1994
und seit neun Jahren
ist Ralf Mayer der
Hof-
dame
Andrea
Kasper
lässt sich
ihre Frisur für
die Session
im Friseursalon
Hoppe-Schäfer
richten.
Fliesenlegermeister Karl-
Fred Becker im Alltag bei der
Renovierung eines Bades.
Fliesenlegermeister Karl-
Fred Becker (l.) formt in
der Wagenbauhalle der
KG Weis mit Norbert Po-
veleit einen Clownkopf
aus Eisendraht.
Maurermeister Lothar Schmidt von den „Weisser
Baachwätz“ verpasst dem Kotflügel des Reggae-
Busses den letzten Schliff.
Ein Weiser
Kreativ-Werker
Seit seinem 14. Lebensjahr
ist der heute 61-Jährige im
Karneval aktiv, gehörte 1968
erstmals dem Prinzengefolge
an. Nur für den Start in die
Selbstständigkeit 1977 hatte
er eine kurze Fastnachtspause
eingelegt. „An meinem Beruf
wie am Karneval reizt mich das
kreativeArbeiten“, erklärt Karl-
Fred Becker.
Beim Wagenbau sind es die
Figuren, die er formt. Im Beruf
„Wandgemälde“, die er mit
Fliesen ausgestaltet. „Natürlich
machen die zweckmäßigen Ar-
beitendasGros derAufträge aus.
Aber bei ihrem selbst genutzten
Wohneigentum lassen sich die
Kunden auch für ausgefallene
Gestaltungsideen begeistern.“
Ein besonderer Höhepunkt
seines Berufsweges war die
Renovierung der Heimbach-
Weiser Pfarrkirche, in der er
den gesamten Terrakottaboden
verlegt hat. EinMeisterwerk, das
er auch immer dann vor Augen
hat, wenn er im Kirchenchor St.
Margaretha singt, dessen Vor-
sitzender er ist. Und auch hier
geht das Narrenvirus um, denn
der Chor richtet seine eigene
Sitzung aus. Für den Auftritt
dort hat der Fliesenlegermeister
in liebevoller Heimarbeit eine
Drehorgel (mit elektronischer
Beschallung) gebaut, die den
musikalischen Auftritt einer
kleinen Sängergruppe begleiten
wird.
türmchen genauso wie stabile
Geländer für die Plattform.
Als Sohn des amtierenden
Vizepräsidenten der KG Weis
hat er die entscheidenden Gene
mitbekommen, war vor vier
Jahren Heimbach-Wei-
ser Kinderprinz. Sei-
nen Weg zur Lehrstelle
musste er allerdings
wie alle Schulabgänger
über Praktika suchen.
„Ich habe verschiedene
Handwerksberufe aus-
probiert. Aber von der
Arbeit mit Holz war
ich gleich infiziert“,
schmunzelt der Nach-
wuchskarnevalist und
-handwerker.
An allen Ecken der
Wagenbauhalle geht ein
Funkengewitter nieder,
Eisendraht wird ge-
bogen und zu Tragge-
flechten verschweißt.
Im nächsten Schritt
werden sie mit Zei-
tungspapier beklebt,
verputzt und bemalt.
Für denPrunkwagendes
Kinderprinzenpaares
Marvin und Hannah
erhält gerade ein überdi-
mensionaler Clown sein
Gesicht. Teamwork ist
angesagtzwischenRent-
ner Norbert Poveleit
– der gelernte Schlosser
hat das Schweißen auch
in jahrelanger Tätigkeit
als Versicherungskauf-
mann nicht verlernt
– und Fliesenle-
germeister Karl
Fred-Becker, der
sich – gewerkü-
bergreifend – als
Eisenflechter be-
tätigt.
Übrigens:
Der SWR
überträgt
am 8. März
den Veilchendiens-
tagsumzug aus
Heimbach-Weis live
im dritten Fernseh-
programm.
„Die gelernten Handwerker
bilden neben den Männern
– und auch einigen Frauen – mit
handwerklichem Geschick das
Rückgrat unserer Wagen- und
Kulissenbaukunst.Ohnesiewäre
unserBrauchtumnichtmehr auf-
recht zu erhalten“, lobt Präsident
Stephan Bleidt seine Leute, die
während der Session allabend-
lich in der Weiser Wagenbau-
halle zusammenkommen.
Handwerk
packt an
Am Komiteewagen herrscht
an diesem Abend Ruhe: Die
Komiteeter tragenheutedieVer-
antwortung,nichtdasWerkzeug.
UmsogrößersinddieFortschritte
beim Charakter- oder Motivwa-
gen der „Weisser Baachwätz“,
einer Gruppierung innerhalb
der KG Weis. Zu ihrem 40-jäh-
rigen Bestehen lassen sie das
Lebensgefühl der ausgehenden
1960er anklingen, erläutert
Maurermeister Lothar Schmidt,
der liebevoll und gekonnt die
Kotflügel für den „Reggae-Bus“
mit Gips ausmodelliert und
verputzt. Indenübrigenvier Jah-
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...24
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