Handwerk Special Nr. 126 vom 5. November 2008 - page 14-15

Exklusive Umfrage bei Handwerkern und Bankern zur Finanzkrise
Nr. 126
5. November 2008
Politische Lösungsansätze
Die erste Momentauf-
nahme beim Handwerk
der Region unterstreicht:
Die Lage ist stabil, mar-
kante Auswirkungen der
Finanzmarktturbulenzen
sind aktuell kein Thema.
Was bleibt sind einige Fra-
gezeichen beim Blick in die
Zukunft. Das schließt auch
das weitere Handeln der
Politikein.ImGesprächsind
Investitionsprogramme, die
dieBinnennachfragemithil-
fe von Staatsgeldern stützen
sollen. „Solche Programme
machen nur Sinn, wenn mit
ihnen der ohnehin statt-
findende Strukturwandel
begleitet wird“, so Manfred
Graulich. Konjunkturpro-
gramme nach dem Gieß-
kannenprinzip brächten
mehr Schaden als Nutzen.
Auch TheodorWinkelmann
warnt vor Schnellschüssen
aus der Politik, eine gezielte
Förderung hingegen könne
den Anstoß zu einer posi-
tiven Trendwende geben.
„Vor allem sollte der Abbau
bürokratischer Hemmnisse,
diegeradeunseremittelstän-
Förderprogramme müssen sich am Strukturwandel orientieren
Thema Geld: Steuerbonus auf Handwerkerleistungen ausweiten
Nr. 126
5. November 2008
Was folgt auf die Finanzkrise?
Turbulent waren sie, die
letzten Wochen. Eine
weltweite Finanzkrise
bestimmte und bestimmt
mit ständig neuen Mel-
dungen die aktuelle
Nachrichtenlage. Mit
einem nie da gewesenen
Rettungspaket versuchen
Regierungen rund um
den Globus, das offen-
sichtlich sensible Finanz-
system zu stabilisieren.
DasVertrauenunter denBanken
soll zurückkehren, das Geld
durch die weltweiten Finanza-
dernwieder fließen. Doch einige
Fragen bleiben. Wie lange wird
es dauern, bis sich die Situation
wieder normalisiert? Haben wir
die Talsohle dieser Finanzkrise
bereits hinter uns oder stehen
weiterenegativeÜberraschungen
noch aus? Und ganz besonders:
Wirkt sich diese Krise über das
Börsenparkett in New York,
Tokio oder Frankfurt auch auf
dieregionalenWirtschaftsräume
aus? Was spürt der Handwerker
davon, der die Erweiterung
seines Unternehmens mit dem
Kredit einer Bank plant? Bleibt
der Geldhahn dafür nun zu?Wie
wirkt sich das Konsumverhal-
ten der Kunden aus? Exklusiv
befragte „Handwerk Special“
Handwerker und Banker.
Aktuelle Krise Höhepunkt
einer Konjunkturschwäche
Um den Ursprung der Krise zu
finden, reicht es nicht, bis zur
PleitederamerikanischenInvest-
mentbank „Lehmann Brothers“
zurückzugehen. „Bereits seit ei-
niger Zeit ist einSchwächeln der
Konjunktur zu spürengewesen“,
erklärt Manfred Graulich, Vor-
standsvorsitzenderderSparkasse
Koblenz. Die aktuelle Krise
sei lediglich einer der letzten
Bausteine in einer sich bereits
im Abschwung befindenden
Wirtschaftslage gewesen, die
Banken des Handwerks befragt: Wie wirkt sich die internationale Krise aus?
insbesondere durch die US-Im-
mobilienkrise und die Entwick-
lung der Rohstoffpreise beein-
trächtigt werde. Die Finanzkrise
werde nun für viele
Negativmeldungen
auch als geeigneter
Sündenbockvorge-
schoben.
Für das Handwerk
der Region wird
vor allem das Ver-
halten der Verbrau-
cher in den kom-
menden Wochen
ausschlaggebend
sein. „Grundsätz-
lich spüren wir eine
größere Zurück-
haltung bei Anlage- und Inves­
titionsentscheidungen unserer
Kunden. Aus Erfahrung wissen
wir, dass die Menschen in
Deutschland ‚Sicherheitssparer’
sind, die ihr Geld eher anlegen
als ausgeben“, erklärt Theodor
Winkelmann, Vorstandsvorsit-
zender der Volksbank Koblenz
Mittelrhein eG. Die aktuellen
Untersuchungen bestätigen das:
Rund11ProzentderEinkommen
schaffen deutsche Sparer auf die
hohe Kante – ein Rekordwert!
Diese Zurückhaltung bekommt
dieAutomobilbranchebereits zu
spüren. Von gedrosselter Pro-
duktion bis hin zum kompletten
Produktionsstopp
reichen die Mel-
dungen.
Doch nicht erst
seit diesem Som-
mer lässt die
Nachfrage beim
Autokauf nach.
„Die Hersteller
haben zum Teil
die Zeichen der
Zeit nicht erkannt
und eine falsche
Modellpolitik be-
trieben. Das rächt
sich nun“, so Vorstandsvorsit-
zender Winkelmann.
DochHandwerksbetriebe fürch-
ten nicht nur die Zurückhaltung
derVerbraucher. Angesichts der
angespannten Situation an den
Weltmärkten stellt sich für mit-
telständischeBetriebe dieFrage,
ob sich dieKonditionen derKre-
ditvergabe verschärfen werden.
„Unser Geschäftsmodell ist auf
eine langfristige Partnerschaft
ausgerichtet. Deshalb werden
Nachgefragt
Pläne zum Steuerbonus ’08
Das Bundeskabi-
nett hat die Rah-
menbedingungen
zum Steuerbonus
erweitert, ohne
das handwerk-
liche Leistungen
stärker geför-
dert werden.
„Die Ausweitung
des Steuerbonus im
privaten Bereich ist
grundsätzlich das
richtige Signal, nur
für das Handwerk ist
völligunverständlich,
dass die Höhe der ab-
zusetzenden Beträge
für handwerkliche
I
nfos
Leistungen nicht erweitert wurden. Hier gilt es, nachzubessern“,
macht HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag mit Blick auf das
weitere Gesetzgebungsverfahren deutlich.
Wo mithilfe des Handwerks gehämmert und geschraubt wird,
können seit 2006 Steuern gespart werden. Zur Stärkung der
Wirtschaft soll dieAbsetzbarkeit haushaltsnaherDienstleistungen
nun ausgebaut werden. Doch bisher schließt der Entwurf des
Bundeskabinetts Handwerkerleistungen von der Anhebung der
anrechenbaren Leistungen aus.
Mit dem vor kurzem im Berliner Koalitionsausschuss verab-
schiedeten Beschluss verbessern sich die Rahmenbedingungen
für den privaten Haushalt, wenn er als Arbeitgeber und Auftrag-
geber in Erscheinung tritt, deutlich. Doch das nun vorgesehene
Maßnahmenpaket beinhaltet weder Instandhaltungs- noch
Modernisierungsaufwendungen, womit das Handwerk von den
Verbesserungen der steuerlichen Rahmenbedingungen ausge-
schlossen bleibt.
„Diese Bonusanhebung wäre ein sehr gutesMittel, umdie private
Nachfrage nach Handwerkerleistungen anzukurbeln und die
Schwarzarbeit weiter einzudämmen“, betont Karl-Heinz Scher-
hag. „Es ist sehr wichtig, dass jetzt Signale gesetzt werden, die
die Wirtschaft stützen. In unseren Handwerksbetrieben zeigte
der Konjunkturbericht eine leicht verhaltene Einschätzung der
Wirtschaftslage. Deshalb muss das unmittelbar bevorstehende
Gesetzgebungsverfahren auch Handwerkerleistungen berück-
sichtigen.“
Zurzeit sind 20 Prozent der Arbeitskosten für Handwerkerleis­
tungen bis zu einem Höchstwert von 3.000 Euro jedes Jahr
abzugsfähig. Das sind bis zu 600 Euro Steuerbonus pro Jahr und
Haushalt.
Nicht abzugsfähig sind allerdings entstandene Materialkosten,
sondern ausschließlich Arbeits-, Maschinen- und Fahrtkosten.
Das Maßnahmenpaket des Bundeskabinetts sieht nun einen steu-
erlichen Abzugsbetrag von insgesamt 20.000 Euro im Jahr vor.
Darunter fallendieKosten für dieBeschäftigungvonMinijobbern,
der Kinderbetreuung sowie für haushaltsnahe Dienstleistungen
wie Putzhilfen oder Inanspruchnahme von Pflege- und Betreu-
ungsleistungen.
Bei einem Abschlag von 20 Prozent ergibt sich eine maximale
Steuerermäßigung von 4.000 Euro im Jahr. „Das Handwerk
darf nicht von diesen dringend notwendigen Verbesserungen
der steuerlichen Rahmenbedingungen ausgeschlossen werden.
Schon gar nicht mit Blick auf das Ursprungsziel des Steuerbo-
nus: Dem Kampf gegen die Schwarzarbeit“, so der Koblenzer
Kammerpräsident.
Alle Handwerksbetriebe, die sich mit Nachdruck für eine Nach-
besserung des Steuerbonus einsetzen wollen, haben jetzt dazu
die Chance. Es gilt, sich vor dem unmittelbar bevorstehenden
parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und
Bundesrat Gehör zu verschaffen, indem jeder selbstständige
Handwerker die politischen Entscheidungsträger unmittelbar
selbst anspricht. Der ZDH hat dazu Musterbriefe erstellt, die bei
der Handwerkskammer Koblenz telefonisch angefordert werden
können: 0261/ 398-180.
zum Steuerbonus gibt die HwK Koblenz, Tel.:
0261/ 398-180, E-Mail:
Manfred Graulich
Theodor Winkelmann
Handwerk kommt zu Wort: Schwappt die Finanzmarktkrise in die Betriebe der Region?
Bisher zeigt sich das
Handwerk mit Blick auf
die Finanzmarktkrise
robust, wenn auch die
allgemeine Einschätzung
der Geschäftslage zuletzt
eher verhalten war.
„Das Handwerk in unserer Re-
gion ist sehr solide aufgestellt.
Wir verfügen über eine hete-
rogene Regionalstruktur, das
heißt, wir sind nicht abhängig
von einem einzelnen Gewerbe
und dessen Wohlergehen“,
unterstreicht HwK-Präsident
Karl-Heinz Scherhag.
DieBeziehungzwischenHand-
werkundHausbankfunktionie-
re. „Doch wir erkennen auch
indirekte Auswirkungen“, so
Harald Neubauer, Präsident
des Baugewerbeverbandes
Rheinland e.V. Neubauer,
gelernter Zimmerer, Architekt
und Diplom-Ingenieur, führt
ein Unternehmen in Dörth
und kennt Fälle, in denen
Kunden geplante Bauvorha-
ben zurückstellen, weil sie
in die Finanzplanung Mittel
einbezogen haben, die noch
der Hersteller das Rabattsystem
bei den Händlern bereits ausge-
schöpft ist.
Einige Kilometer weiter in
Friedewald fertigt das Metall-
bauunternehmen von Bernd
Mudersbach schwereStahlkons­
truktionen im Anlagenbau für
Kunden inallerWelt. Ein finanz­
intensiverWirtschaftssektor, der
u.a. von den Metallpreisen und
den anfallenden Energiekosten
bei der weiteren Verarbeitung
geprägt ist. Und trotzdem ist
Geschäftsführer Mudersbach
mit derWirtschaftslagemehr als
zufrieden. „Seit vier, fünf Jahren
läuft es sehr gut“, unterstreicht
der Maschinenbauermeister
und sieht einen Schlüssel des
Erfolges in der Spezialisierung
und der hohen Qualität seines
Unternehmens. „Das schätzen
dieKunden und sind auch bereit,
dafür zuzahlen“– trotz allerTur-
bulenzen im Finanzsektor.
Die enge Verbindung zwischen
Automobilherstellernundseinen
Produkten könnte rein theore-
tisch imMetallbauunternehmen
von Schlossermeister Friedrich
Ahl­grimm in Steinsberg (bei
Diez) ein Problem darstellen.
Der Handwerksbetrieb baut
seit Jahren die großen Bühnen
für Daimler & Co., mit denen
die Hersteller auf Messen wie
die IAA in Frankfurt gehen.
„Eine Zurückhaltung spüren
wir seit vier, fünf Jahren, nicht
erst jetzt mit der Bankenkri-
se.“ Gigantische PR-Shows
wie einst die Präsentation des
Maybach, für den Ahlgrimm
den Glas-Container baute, in
dem das Luxusmobil über der
Skyline von New York unter
einemHubschrauberRichtung
Wall Street schwebte, gibt es
schon seit einiger Zeit nicht
mehr. „Darauf haben wir uns
eingestellt und neue Märkte
erschlossen“, so Handwerks-
meisterAhlgrimm,derStunden
später im Flugzeug Richtung
Dubai sitzt. Seine Kunden
dort bauen gerade einen neu-
en Flughafen – mit reichlich
deutschem Know-how, auch
aus dem Handwerk. „Die Fi-
nanzkrise ist hier keinThema“,
stellt Ahlgrimm fest und kann
zufrieden in volle Auftragsbü-
cher blicken.
wir auch in Re-
genzeiten nicht
unseren Schirm
wegziehen“, un-
terstreicht Win-
kelmann.
„Die Sparkassen
waren schon im-
mer zuverlässige
Partner für das
Handwerk. Des-
halb kann ich
auch jetzt fest zu-
sagen, dass sich
bei uns nichts
geändert hat und
sich auch nichts
ändern wird“,
bekräftigt auch
der Vorstands-
vorsitzende der
Sparkasse Ko-
als Investmentanlage eingesetzt
sind – eben auch in Wertpapiere
wie Aktien. „Diese haben in den
vergangenenTagenundWochen
einen drastischen Kursverfall
erlebt. Nun wackelt die Finan-
zierung fürUm- oderNeubauten
und wird erst einmal zurück-
gestellt.“ Kein Einzelfall, wie
Neubauer von Kollegen weiß.
„So belastet die Finanzkrise
bereits unseren Alltag, aber ich
hoffe, dass eine Investition in
feste Werte und damit in einen
Werterhalt des Geldes verstärkt
stattfindet.“ Für die Bauhand-
werke könnte es so doch noch
einen Auftragsimpuls geben.
Ein verstärktes Interesse nach
Sachwertenmacht man imWes­
terwälder Autohaus Bergisch
aus.DasTraditionsunternehmen
ist seit 75 Jahren in Hachenburg
für seine Kunden da und macht
aktuell ein stärkeres Interesse
nach Neuwagen aus. „Es gibt
Anfragen verbunden mit der
Feststellung, dass man in ei-
nen realen Wert investiert“, so
Geschäftsführerin Petra Marx,
die aber auch deutlich macht,
dass mit Blick auf die Krise
dischen Betriebe über Gebühr
belasten, vorangetrieben wer-
den“, fordert Winkelmann wei-
ter. In der staatlichen Förderung
von Gebäudesanierungen sehen
beide Vorstandsvorsitzenden
beispielsweise die Chance für
eine nachhaltig positive Struk-
turveränderung.
Eine Maßnahme, von der ge-
rade das Handwerk profitieren
würde. „Das schließt aber die
Forderungen des Handwerks
ein, den Steuerbonus für In-
standsetzungs- und Moderni-
sierungsleistungen anzuheben“,
machtHwK-Präsident Scher­hag
deutlich (mehr Infos dazu rechts
im Kasten „Nachgefragt“).
Auch wenn momentan noch
nicht abzusehen ist,wannwieder
ruhigere Tage einkehren, so gibt
es doch einen eindeutigen Kon-
sens aus denBankengesprächen:
Die Bankenkrise wird auch ein
Ende finden. Im kommenden
Frühjahr, so glauben die Vor-
standsvorsitzenden Graulich
und Winkelmann, werden sich
die Wogen geglättet haben und
dieWirtschaft in ruhigeres Fahr-
wasser einlaufen.
Sollten Handwerksbetriebe auf
dem Weg dahin in raue See
geraten, bietet die Betriebsbe-
ratung der Handwerkskammer
Koblenz einen umfangreichen
Beratungsservice an. „Ich kann
unseren Betrieben nur empfeh-
len, das in Anspruch zu nehmen
– ob es nun um ein rechtzeitiges
Krisenmanagement geht oder
auch die Erweiterung des Be-
triebes“, unterstreicht Präsident
Karl-Heinz Scherhag und nennt
als klaren wirtschaftlichen Vor-
teil desHandwerks, „dass unsere
Betriebe eng mit der Region
verwurzelt sind, von hier aber
auch erfolgreich Weltmärkte
bedienen und nicht auf einen
schnellen Gewinn ausgerichtet
sind, sondern kontinuierliches
Wachstum und langfristige
Wirtschaftspartnerschaften be-
vorzugen. Eine Ausrichtung,
die dem Handwerk und seinen
Kunden besonders inKrisenwie
der aktuellen zugutekommt“.
Mehr Informationen bei der
HwK-Betriebsberatung,
Tel.: 0261/ 398-251, Fax:
-994, E-Mail: beratung@
hwk-koblenz.de, Internet:
Finanzintensiver Stahlbau - hier im Handwerksbetrieb Muders-
bach in Friedewald: Die Kosten im Materialeinkauf steigen wie
auch die für Energie. Trotzdem ist die Auftragslage gut.
Messebauer Ahl-
grimm: Die Zurück-
haltung der Automo-
bilbranche ist bereits
seit Jahren spürbar.
Lehrling im
Autohaus
Bergisch:
Kunden-
interes-
se nach
„Sachwert
Auto“
steigt.
blenz. In den letzten zwei
Jahren seien vermehrt Kredite
zur Finanzierung von Investiti-
onen, beispielsweise für Fahr-
zeuge oder Erweiterungsbauten,
nachgefragt und auch vergeben
worden. Wichtig ist den beiden
Vorstandsvorsitzenden, dass
auch Betriebe, die vielleicht in
eine schwierigere Geschäfts-
phase kommen sollten, bei
ihnen kompetente Hilfe finden.
„Der enge Dialog mit unseren
Handwerkskunden ist für uns
selbstverständlich“, bekräftigen
Graulich und Winkelmann und
machen auch deutlich, dass die
internationale Lage der Finanz-
märkte nicht als Bremse herhal-
ten darf, wenn sich ein junger
Handwerksmeisterselbstständig
machen will.
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