Handwerk Special Nr. 179 vom 10. Mai 2014 - page 19

auch in Lehrgängen quer durch
Deutschland meine Kenntnisse
erweitert.“
Alles nebenbei in der Freizeit,
denn inzwischen war Lars-Peter
Schumann als Industriemeister
Kunststoff und Kautschuk in
Führungspositionen aufgestie-
gen. „In der Sandwichposition
zwischenGeschäftsführung und
Belegschaft wurde mir deutlich,
dass der einzelne Mitarbeiter
in Großunternehmen zu wenig
zählt und auch mich früher
oder später die Optimierung
derUnternehmenszahlen treffen
könnte,dieichbeimeinenLeuten
durchsetzen musste. Deshalb
habe ich die Sicherheit des An-
gestelltseins gegen die Freiheit
derSelbstständigkeitgetauscht.“
Drehen, fräsen, bohren, schwei-
ßen, schleifen–das erforderliche
Rüstzeug für seine heutige Tä-
tigkeit in der Motorentechnik
haben ihm seine Berufsjahre
vermittelt, inklusive derKopfar-
beit für dieBearbeitungsschritte,
derenErgebnisse imBereichvon
hundertstel Millimetern liegen
(müssen). Seit zwei Jahren
ist jetzt Lars-Peter Schumann
selbstständig, wird von seiner
Frau Janine im Büro unterstützt
und beschäftigt zwei Aushilfen.
Nach zunächst „zaghafter Wer-
bung in der Oldtimer-Presse“
und einer Beteiligung an der
Essener Motorshow steht sein
Betrieb unter Volldampf.
Serien- oder Sportmotoren,
Zylinderköpfe und Bauteile
werden aus ganz Deutschland
zur Reparatur und auch zur
Modifikation angeliefert. Dazu
AutosauseinemRadiusvonüber
Mit ihrem Spezialwissen besetzen Handwerker Marktnischen
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Nr. 179
10. Mai 2014
Feinschliff und Kopfarbeit
Mit zehn Jahren das erste
Sachs-Moped, mit 15
einen 1968er Opel Com-
modore Coupe gekauft
– inklusive mütterlichem
Donnerwetter –, mit 18
im Chevy-Amischlitten
unterwegs, mit 25 ange-
stellter Betriebsleiter in
Radebeul, mit Mitte 30
Fertigungsleiter und Per-
sonalverantwortung für
bis zu 200 Mitarbeiter. Mit
42 das Hobby endgültig
zum Beruf gemacht: im
eigenen Betrieb.
Was auf den ersten Blick cha-
otisch erscheint, hat in der
Lebensplanung von Lars-Peter
Schumann viel Feinschliff
und Kopfarbeit erfordert. „Ich
habe seit meiner Kindheit an
Fahrzeugen und ihren Motoren
herumgeschraubt. Ummir mein
Spritgeld zu verdienen, habe
ich in Werkstätten, bei einem
Dachdecker oder im Tankbau
gejobt. Das waren hilfreiche
Erfahrungen um zu wissen,
dass man für eigenes Geld auch
arbeiten muss. Nach einem
Praktikum in einemKfz-Betrieb
hatte ich den Lehrvertrag bereits
in der Tasche, als ich mich dann
doch für den neuen Lehrberuf
des Kunststoff-Formgebers
entschieden habe.“
Lars-Peter Schumann besetzt eine Nische in der Motorentechnik
Redhead Zylinderkopftechnik, Hirz-Maulsbach
Gegr. 2012 | 4 Mitarb. | Zylinderkopf-, Turbolader- u. Motorenreparatur u.
-optimierung | Tel. 02686/ 9887505 |
250 kmmit „normalen“ Repara-
turen vom Zahnriemenwechsel
über Standfestigkeitsumbauten
für Gasbetrieb bis zum Zylin-
derkopf- und -blockschweißen.
Motorenumbauten stehenhier in
der Warteschleife, Rußpartikel-
filterreinigung fürmoderneDie-
sel oder Chiptuning sind Alltag,
genauso wie der fachgerechte
AustauschundInstandsetzungen
vonTurboladernübereinenPart-
nerbetrieb. „Wir arbeiten hier
mit namhaften Fachbetrieben
zusammen, die sich Ihrerseits
spezialisiert haben. Aber wir
koordinieren die Arbeit für
unseren Kunden. Bei unserem
Werkstattverbund kann sich
einer auf denanderenverlassen.“
Die Werkstatt durchlaufen auch
Exoten wie Aston Martin oder
der amerikanische Auburn mit
acht Reihenzylinder aus den
frühen 30er Jahren, Sportmo-
toren von Opel, Alfa, Fiat oder
VW. „Wir reparieren auch die
Problemfällemoderner Pkw, bei
denen die ‘normale Werkstatt’
die Segel streicht – interessante
Herausforderungen eben“, führt
Lars-Peter Schumann weiter an.
In einer Halle auf dem Betriebs-
gelände lagern die Autos der
Kunden vor: Jaguar MK 2 von
1962, Dodge Challenger von
1972, Golf I Turbo mit 220 PS,
Käfer von 1959 aber auch aktu-
ellere Modelle. „Uns gefallen
natürlich die Arbeiten an alten
Feinschliff am Ventilstößel eines „Auburn“. Den Fahr-
zeughersteller gab es im ersten Drittel des 20. Jahr-
hunderts in den USA.
Golf I mit
1,8-Liter-Tur-
bomotor und
20-Ventiltech-
nik: Die 220
PS-Maschine
benötigt ei-
ne Kur bei
„Redhead“
Lars-Peter
Schumann.
Generalüberholung mit Einstellen des Ventilspiels
beim Sportmotor aus dem Renault Dauphine von 1962.
Lars-Peter Schumann schleift die Oberfläche eines
IHC/CASE-Traktor-Zylinderkopfes plan.
oder besonderen Autos. Hier
zählt die Herausforderung, jede
gestellte Aufgabe zu lösen. Das
macht meistens Spaß!“
Im Mai stellt Redhead zusätz-
lich einen Kfz-Meister ein, der
ebenfalls Freude am Handwerk
hat und viel Erfahrung in derGa-
stechnik und Motorenkunde mit
einbringt. Er wird den Bereich
der „normalen“ Kfz-Technik
übernehmen und für Entla-
stung sorgen. So möchte der
Jungunternehmer wieder mehr
Zeit frei bekommen für seinen
Schwerpunkt: dieReparatur von
Zylinderköpfen, Motoren oder
Turboladern, von Einspritz- und
Vergasersystemen, dieOptimie-
rung von Motoren für den sport-
lichen Einsatz innerhalb und au-
ßerhalbdesStraßenverkehrs und
die Herstellung von Ersatzteilen
für Exoten oder Oldtimer. Dafür
stehen sehr spezielleMaschinen
bereit zum Drehen, Fräsen und
Flachschleifen, Ventilsitzdreh-
und -fräsmaschinen, Pressen,
Wärmeöfen, Sandstrahl- und
Ultraschallanlagen, WIG-,
MIG- und Mag-Schweißanla-
gen, Fließbänke, Injektoren- und
Einspritztestanlagen und jede
Menge weitere Spezialgeräte.
Und der Name Redhead? „Bei
den frühen Arbeiten für meine
Kumpels hatte ich die Zylinder-
köpfe gerne rot lackiert. Bei der
Betriebsgründung habe ich das
aufgegriffen und einen Kopf im
Profil entworfen, dem ich einen
roten Irokesenschnitt verpasst
habe – und fertig war die Marke
Redhead!“
Dafür sprach, dass der heute
44-Jährige aus Hirz-Maulsbach
bei Altenkirchen sein Leben
nicht als „Teiletauschmechani-
ker“ fristen wollte. Mehr noch
lockte ihn der fast doppelt so
hohe Verdienst, der ihm einen
größeren Spielraum für sein
Hobby eröffnete. „In einemOld-
timer-Club habe ich begonnen,
alte Opel- oder amerikanische
V8-Motoren instand zu setzen,
später habe ich Motorsport-Mo-
torenfürKfz-Begeistertegebaut.
Zugegeben: Manches habe ich
in den ersten Jahren auch kaputt
repariert, dann aber umso mehr
daraus gelernt. Ich habe mich
intensiv mit der Motoren- und
Zylinderkopftechnik befasst
und im Eigenstudium, aber
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