Handwerk Special Nr. 127 vom 31. Januar 2009 - page 5

Konjunktur: Handwerk im Kammerbezirk Koblenz
Nr. 127
31. Januar 2009
I
nfos
Konjunktur
Die Stimmung im Handwerk
Ist 2009 eine Ende der
konjunkturellen Talfahrt in
Sicht? Wirken die Konjunk-
turpakete der Bun-
desregierung?
Wir haben Hand-
werksmeister zu
ihrer wirtschaft-
lichen Situation befragt. Wie
ist der Ist-Zustand im Be-
trieb, wie die Auftragslage?
Schilder- und
Lichtreklame-
herstellermeis-
terin Kerstin
Lehrach,
Dattenberg:
Wir haben
bisher von der Konjunk-
turverschlechterung noch
nichts gespürt. Bis Mitte
des Jahres haben wir ein
volles Auftragsbuch und
blicken deshalb positiv in
die Zukunft. In wirtschaftlich schlechteren Zeiten wird viel
Wert auf eine gute Werbung gelegt. Davon profitieren wir.
Kfz-Technikermeister Peter Klein, Kfz-Klinik Klein, Mülheim-
Kärlich:
In unserer „Klinik“ herrscht reger Betrieb. Vom Reifen
bis zur Abwicklung mit der Versicherung im Schadensfall be-
kommt der Kunde den Alles-aus-einer-Hand-Service. Wir pro-
fitieren davon, dass vielfach eher repariert als neu gekauft wird.
Tischlermeister Detlef Schwieck, Braubach:
Wir haben
den gesamten Ablauf in Büro und Werkstatt umstrukturiert
und in den Gesundheitsschutz investiert. Ich bin sicher,
dass weniger Ausfallzeiten durch gesündere Mitarbeiter zu
spürbaren Verbesserungen in Qualität, Produktivität und
Betriebsklima führen. Eine kürzlich angeschaffte CNC-Ma-
schine ermöglicht uns jetzt eine qualitativ höhere und ratio-
nellere Fertigung. Die Investitionen werden sich auszahlen.
Bäckermeister Franz-Josef Krieger, Bad Neuenahr-Ahrweiler:
Gestiegene Energie- und Rohstoffpreise haben es in den letzten
Jahren wirtschaftlich nicht leichter gemacht. Wir können die
Kosten nicht an den Kunden weitergeben. Hinzu kommt, dass
sich Ess- und Kaufverhalten der Menschen verändert haben.
Sie essen, wo sie gerade sind und kaufen ihr Brot unterwegs
ein. Allein in Bad Neuenahr gibt es elf Verkaufsstellen.
Vulkaniseur- und Reifenmechanikermeister Marcel Czarne-
cki, Idar-Oberstein:
Unser tägliches Geschäft ist beratungsin-
tensiver geworden, weil die Autos immer komplexer werden.
Wir bieten den Kunden immer mehr Service und haben an
die 9.000 Reifen auf Lager. Neuste Anschaffung ist eine
Montagemaschine für Reifen mit Notlaufeigenschaften.
Fleischermeister Otto Herrmann, Merxheim:
Am Wochenende
brummt’s aufgrund des Partyservices. Da geht es ohne Pause
voll durch! Das ist kein Vergleich zu früher, als man mal ver-
schnaufen konnte. Aber es ist gut so. Die Mischung aus traditi-
onellen Rezepten und neuen Angeboten zahlt sich für uns aus.
Zahntechnikermeisterin Christel Becker, Hettenrodt:
Ich
denke immer vorwärts. Die Liebe und Leidenschaft für den
Beruf ist meine Philosophie. Die eigene Zufriedenheit gibt
mir Kraft, allen Schwierigkeiten, die gerade dem Gesund-
heitshandwerk immer wieder aufgelegt werden, zu trotzen.
Diplom-Betriebswirt Dietmar Fuchs, Löhndorf/Sinzig:
Ende des vergangenen Jahres haben wir noch einen Groß-
auftrag an Land gezogen und rüsten 55 Märkte mit neuer
Leuchtreklame und Bannern aus. Damit haben wir in den
nächsten Monaten ausreichend zu tun. Zwar planen wir für
das laufende Jahr etwas vorsichtiger als zuvor, aber trotz-
dem werden wir noch zwei neue Mitarbeiter einstellen.
Kfz-Mechanikermeister Horst Mürtz, Neuwied:
Der Neuwa-
genverkauf stagniert gegenwärtig merklich. Wenn jemand
einen Neuwagen kauft, dann auf Leasing- oder Finanzierungs-
basis. Überwiegend aber fahren die Leute ihre Autos einfach
länger. Durch die Werkstatt, durch Reparaturen und Inspek-
tionen können wir das bisher allerdings recht gut auffangen.
Krise bietet auch Chance
Wo steht das Handwerk
zum Jahresbeginn 2009?
Wie geht es weiter? Im
Interview geht Karl-Heinz
Scherhag, der vor 20 Jah-
ren zum HwK-Präsidenten
gewählt wurde, auf diese
Fragen ein, skizziert
aber auch einen Weg
durch zwei Jahrzehnte im
Ehrenamt, in der Politik
und als Unternehmer.
Herr Scherhag, in den
20 Jahren hat sich das
Handwerk, aber auch
die Kammer gravierend
verändert. Können Sie
uns die markantesten
Bereiche nennen?
Es war eine sehr interessante
Zeit. Wir haben damals mit
einem Ausbildungszentrum
begonnen, inzwischen haben
wir 14. Wir haben die moderns-
ten Zentren bauen können. Die
Technik hat sich weiterentwi-
ckelt, was auch dazu geführt
hat, dass sich die Kammer nach
innen und nach außen ständig
neuenHerausforderungenstellen
musste. Es war eine spannende
Zeit, wenngleich ich heute das
Gefühl habe, das diese 20 Jahre
recht schnell vergangen sind.
Sie waren Innungsober-
meister, Kreishandwerks-
meister, seit dem Jahres-
wechsel 1988/89 Präsident
der Handwerkskammer.
Der klassische Weg durchs
Ehrenamt – wie wichtig
ist heute Ehrenamt für
das Handwerk und lässt
sich die junge Generation
dafür noch gewinnen?
Die junge Generation sieht in
erster Linie einZeitproblem, das
sich mit dem Ehrenamt verbin-
det. Auf der anderen Seite gilt:
Wer nicht regiert, wird regiert.
DasgiltauchfürsHandwerk,fürs
Ehrenamt. Für mich persönlich
hat das Ehrenamt immer eine
großeRollegespielt und ichhabe
michnebenmeinemBetriebger-
ne in Ehrenämtern betätigt, war
darüberhinausauchinderPolitik
aktiv. Gerade die Erfahrung auf
allen Ebenen, nicht nur im eige-
nenBetrieb,sondernauchmitder
Jugend,mitAuszubildenden,mit
Meistern,mitMenschen,war na-
türlicheinewertvolleErfahrung.
Ich habe davon profitiert – als
Politiker, für das Handwerk, mit
dem Handwerk und natürlich
auch für die Betriebe.
Im Gespräch: HwK-Präsident Scherhag zu aktuellen Fragen
zu unternehmerischen Fragen, Tel.: 0261/
398-251, E-Mail:
Als Handwerksmeister
haben Sie sich für die
Region, aber auch für
Ihren Berufsstand acht
Jahre im Deutschen
Bundestag eingebracht.
Welche Erinnerungen
haben Sie an diese Zeit?
Ich war nicht nur acht Jahre im
Bundestagvertreten,sondernzu-
nächst einmal 16 Jahre Mitglied
des Stadtrates in Koblenz. Hier
giltdasgleichewieimEhrenamt.
WillmanDingeverändern,muss
man anpacken. Dann kam die
interessante Zeit als Bundes-
tagsabgeordneter. Es war eine
spannendeZeitinderGeschichte
der Bundesrepublik Deutsch-
land,dieeswahrscheinlichsonie
wieder gebenwird. Umzugszeit,
alles war in Bewegung, kurz zu-
vor dieWiedervereinigung.Man
kann sich vorstellen, dass diese
Zeit für politisch engagierte und
interessierte Menschen wichtig
war. Aber meine Tätigkeit war
auch für das Handwerk von Be-
deutung. Ich habe dort an ganz
entscheidenden Dingen wie der
Handwerksordnung mitgear-
beitet, war Berichterstatter im
Wirtschaftsausschuss. Ichkonn-
te hier meine Erfahrungen, aber
auchdasWissenumdas,was das
Handwerk will und braucht, mit
einbringen. Es war eine span-
nende, schnelllebige Zeit, die
ich nicht missen möchte.
Sie haben mit 23 Jah-
ren ihren Kfz-Betrieb
gegründet, der bald sein
50-Jähriges feiert. Als er-
folgreicher Unternehmer
eine Mutmacher-Botschaft
an die junge Generation:
Ist so eine Erfolgsstory
heute noch möglich?
Ja, es ist noch möglich, wenn-
gleich man differenzieren muss.
Damals konnte man sich noch
in einer Garage selbstständig
machen. Die Vorschriften, so
die der Berufsgenossenschaft
oder anderer, waren noch sehr
moderat. Aber es war schwierig,
anfinanzielleMittelzukommen.
HeutehabenesdieExistenzgrün-
der in einem Punkt leichter: Sie
können Betriebe übernehmen,
sich in einen Betrieb einkaufen.
Dafür bekommen sie finanzielle
Mittel vom Staat. Das ist ein-
facher als früher. Die Märkte
arbeiten aber damals wie heute
nach den gleichen Regeln.
Im „Handwerk Special“-
Interview sprachen Sie
vor 20 Jahren über „so
manchen Sturm, den
das Handwerk bereits
überstanden hätte und
weder Wind noch Böen
fürchtet“. Nun hat sich die
Weltwirtschaft momentan
auf „Orkanstärke“ ein-
gependelt. Wie sturmfest
ist das Handwerk unter
solchen Bedingungen?
Ich beurteile die aktuelle Situ-
ation nicht so krisenhaft, wie
sie durch die Medien ständig
dargestellt wird. Ich bin über-
zeugt davon, dass wir gerade in
derBundesrepublikDeutschland
sehr große Chancen haben. Aus
Krisen erwachsen immer Chan-
cen. Das Handwerk kann gerade
vom Konjunkturprogramm pro-
fitieren, denn viele Leistungen
fallen in seinen Bereich. (...)
Das vollständige Interview
ist als Filmbeitrag im In-
ternet veröffentlicht unter:
HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag beim Neu-
jahrsempfang der Wirtschaft: „Das Handwerk muss
die Chancen des Konjunkturprogramms nutzen!“
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