Handwerk Special Nr. 125 vom 25. Oktober 2008 - page 31

Beim Tanzen Lernen lernen
Nr. 125
25. Oktober 2008
(e)motion!
– „Der Tanz
hat uns vorangebracht“
„Die Musik und die Liebe
sind die beiden Flügel
der Seele“, schreibt
Hector Berlioz in seinen
Memoiren. Nur wenige
Komponisten konnten
ihre Gefühle so vollen-
det in musikalischer
Sprache fassen, wie
es Berlioz in seiner
Symphonie fantastique
(op. 14) gelungen ist.
ErwarbesessenvonseinenIdeen
undverfolgteseineZieleunnach-
giebig. Für 30
junge Leute, die
sich in verschiedenen Maßnah-
men der Pädagogischen Anlauf-
stelle der HwK Koblenz auf die
Berufs- und Arbeitswelt vorbe-
reiten, war diese Symphonie der
Ansatz, Außergewöhnliches zu
leisten. In mehrmonatiger Trai-
ningsarbeithabensieimRahmen
des Projektes „(e)motion!“ eine
Tanzaufführung par excellence
Lehrlingen „wachsen Flügel“ bei Berufsfindungs-Projekt
HS 75
Im Mai 2000
feierte unser
Magazin sein
75. Erscheinen
–den„Freuden­
tanz“ zeigten
junge Gesich­
ter. Der Blick
richtete
sich bereits
hier auf
die große
Ausstel­
lung „Mit­
einander:
Leben,
Wohnen,
Arbeiten“ zum 100.
HwK-Geburtstag im Kurfürstlichen Schloss.
auf die Beine ge-
stellt und im September dieses
Jahres vor mehr als 1.000
Zuschauern in der ausverkauf-
ten Kulturhalle Ochtendung
aufgeführt.
Musikalisch begleitet vom
StaatsorchesterRheinischePhil-
harmonie unter Leitung von
Chefdirigent Daniel Raiskin
tanztensienacheinerChoreogra-
fiedesausdenUSAstammenden
Für die „Tänzer“ Fetije Ramoci und Imran Haliti
hat das Tanzprojekt doppelt positiv gewirkt. Sie
haben ihre Lehrstellen gefunden und nebenbei
ihre Liebe zur Musik und zum Tanz neu entdeckt.
Fetije:
Spaß,
Freunde, Zusam-
menhalt, anstren-
gend, sich immer
wieder aufraffen
und hinstellen zum
Trainieren.
Imran:
Tanz, Arbeit, aber
auch Spaß und ganz wichtig:
Geduld. Geduld haben mit den
anderen, wenn sie einen Tanz-
schritt noch nicht können. Sich
die Zeit nehmen und es den
anderen in Ruhe zeigen.
Gab es einen Punkt bei dir, wo du al-
les hinschmeißen wolltest?
Fetije:
Ja, es gab so
einen Punkt und zwar
ganz am Anfang. Ich
kam etwas später dazu,
da konnten die meisten
schon ziemlich viele
Choreografie-Teile.
„Das schaffe ich nie,
alles nachzuholen“,
hab ich gedacht. Aber
dann hatte ich Glück
und habe Dido und
Mira kennen gelernt.
Wir haben geübt, geübt
und geübt! Schwierig
war es manchmal mit
den anderen Tänzern.
Manche haben sich
blöde angestellt, weil
sie nicht in der ersten
Reihe tanzen wollten.
Imran:
Nein, eine
so heftige Krise
hat es bei mir
nicht gegeben.
Aber kurz vor der
Aufführung war
es schwer, denn
ich hatte oft das
Gefühl, dass es
bis zum Auffüh-
rungstermin nicht
klappen würde. Es
hat mich genervt,
fast schon wütend
gemacht, wenn die
anderen Tänzer
unkonzentriert
waren, gequatscht
haben und nicht
auf ihren Plätzen
geblieben sind.
Was hat dir (e)motion! für
den Alltag gebracht?
Fetije:
Ich habe
gelernt, Geduld mit
sich und anderen
zu haben. Man
muss sich die Zeit
nehmen, um etwas
zu lernen. Im Berufs­
alltag ist das sehr
wichtig, weil ich viel
Neues lernen muss.
Ich bin gelassener
geworden, wenn es
Schwierigkeiten zu
meistern gilt. Durch
(e)motion! habe ich
gelernt, auf sehr
unterschiedliche Per-
sönlichkeiten einzu-
gehen. Ich bin nicht
mehr so zurückhal-
tend, das hilft mir in
meiner Lehre beim
Umgang mit Kolle-
gen und Kunden.
Imran:
Es fällt mir leichter zu akzeptie-
ren, dass jeder sein eigenes Tempo hat,
Dinge zu lernen oder zu machen. Ich ha-
be jetzt mehr Geduld. Beim Tanztraining
hat die Gruppe oft Tanzschritte wieder
und wieder geprobt, obwohl einige sie
schon konnten. Trotzdem habe ich nicht
aufgehört, weil ich Teil der Gruppe war
und es eben dazu gehörte. Rücksicht-
nahme war eine wichtige Erfahrung. Ich
kann nun besser mit Frust umgehen. Bei
neuen oder schwierigen Arbeitsaufträgen
bin ich gelassener, wenn es nicht sofort
klappt. Ich weiß, dass man manchmal
Dinge weitermachen muss, obwohl
man keine Lust hat. Je öfter man etwas
macht, desto besser. Dankbar bin ich für
die Unterstützung der Betreuer von der
HwK. Sie haben mir immer wieder Mut
gemacht und sich dafür eingesetzt, dass
es mit der Lehrstelle klappt.
Die20-jährigeFetije ist seitAugust im1. Lehrjahr zurBä-
ckereifachverkäuferin imRahmen einerBaE-Maßnahme
bei der HwK. Seit AnfangOktober lernt Imran, ebenfalls
20 Jahre, Stuckateur bei der Uwe Hild GmbH inMayen.
Mit beiden hat Handwerk Special über ihre Erfahrungen
gesprochen und ihnen drei Fragen gestellt.
Was verbindest du mit (e)motion!?
Lehrstelle gefunden und Liebe zu Musik und Tanz neu entdeckt
Die Tänzer Fetije
Ramoci (l.) und
Imran Haliti blicken
auf (e)motion! zu-
rück und wissen,
dass sie mensch-
lich und beruflich
viel erreicht haben.
Die Freude über die geglückte Premiere teilen mit den Jugendlichen der Choreograf Mehdi Haris, Chefdirigent
Daniel Raiskin, Profitänzer Othello Johns und Projektleiterin Margarita Temming (in der Mitte v.l.).
Düsseldorfer
Choreografen und Profi-
tänzers Othello Johns sowie
des Choreografen Mehdi Haris
zu einzelnen Sätzen aus der
Symphonie. Sie standen aber
nicht nur auf der Bühne, sondern
haben sich im Vorfeld auch als
Kulissenbauer sowie bei der
Anfertigung von Kostümen und
Masken engagiert und waren
beim Catering, Kartenverkauf
und Parkplatzeinweisen aktiv.
DasErgebniswarbeeindruckend
und vor allemkamdie Botschaft
rüber: „Etwas zu tun, das kann
auch Spaß machen!“ Die Besu-
cher erlebten in der ausverkauf-
ten Kulturhalle in Ochtendung
mehralseinKonzertunddankten
mit Standing Ovations.
Ziel des vom rheinland-pfälzi-
schen Ministerium für Arbeit,
Soziales, Gesundheit, Familien
und Frauen, der Arbeitsge-
meinschaft (ARGE) des Land-
kreises Mayen-Koblenz und
des Europäischen Sozialfonds
geförderten Projektes war es,
über kulturelle Bildung eine
berufliche Qualifizierung von
Jugendlichen zu erreichen.
JungeMenschenzwischenSchu-
le, Ausbildung und Beruf auf
besondere Weise anzusprechen,
war das gemeinsame Anliegen,
das zur erstmaligenKooperation
von ARGE, Staatsorchester und
HwK Koblenz führte.
(e)motion!
– eine aus-
drucks-
starke
Reise in
die Erfah-
rung der
eigenen
Leistungs-
fähigkeit.
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