Handwerk Special Nr. 161 vom 30. Juni 2012 - page 21

Bauen und Wohnen – Historisches für die Zukunft bewahren
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Nr. 161
30. Juni 2012
„Methusalem“ liebevoll restauriert
„Es bedarf sehr viel Hin-
gabe und Liebe, ein altes
Haus zu sanieren“, so
Gisela Alt, Eigentümerin
eines unter Denkmal-
schutz stehenden Hauses
in Spay. Seit wann das im
17. Jahrhundert erbaute
Gebäude in Familienbe-
sitz ist, lässt sich nicht
mehr genau feststellen.
Gisela Alt weiß, dass so-
wohl ihre Großmutter, ihr
Vater und sie darin gebo-
ren sind.
Der Zahn der Zeit hat am Haus
genagt. Hochwasser tat ein Üb-
riges.LediglichdasFachwerkim
oberenGeschossstammtausver-
gangener Zeit, das Dachgebälk
istunverändert.DasErdgeschoss
wurdebereits1931ausgemauert.
Als die Eigentümerin ihr El-
ternhaus, das nach jahrelanger
Vermietung leer stand, wieder
übernahm,warendieanfallenden
Sanierungsarbeiten allerdings
größer als erwartet.
Mit Mitteln aus dem Dorfer-
neuerungsprogramm und in
Abstimmungmitderzuständigen
Denkmalschutzbehörde wurden
die Baumaßnahmen in Angriff
genommen. „Man braucht für
den Umbau und auch für viele
Änderungen an einem Denkmal
die rechtliche Genehmigung der
Denkmalschützer. Es lohnt sich
aber, mit den Fachleuten ins Ge-
spräch zu kommen undwichtige
Tipps zu berücksichtigen“, ist
Gisela Alt sanierte ihr denkmalgeschütztes Haus in Spay aus dem
17. Jahrhundert
Steckbriefe der beteiligten Handwerker
Holzbau Wagner GmbH, Braubach
Gegr. 1890 | 20 Mitarb. (3 Meister, 5 Lehrl.) | Schreinerei, Zimme-
rei, Fachwerksanierung | Tel.: 02627/ 224 |
de (unter Referenzen/Fachwerksanierung Fotos vom Spayer Haus)
Tischlerei Franz-Josef Meuer, Koblenz-Rübenach
Gegr. 1968 | 1 Meister | Fenster, Türen, Sanierung | Tel.: 0261/
24475 |
Maler Mentges, Rhens
Gegr. 1997 | 2 Mitarbeiter (1 Meister) | Fassadengestaltung,
Restaurierung | Tel.: 02628/ 987365 |
Metallgestaltung Philipps, Koblenz
Gegr. 1986 | 1 Meister | Gartenartikel, Kunstobjekte, Vordächer |
Tel.: 0261/ 60024 |
Gisela Alt überzeugt. So muss
beispielsweise auf die geeig-
nete Wärmedämmung geachtet
werden. „Historische Gebäude,
deren Baustoffe wegen falscher
Dämmtechniken keine Luft be-
kommen, faulen quasi weg. Mit
der richtigen Technik renoviert,
kann das Gebäude noch viele
Jahrzehnte hohe Wohnqualität
bieten“, weiß sie.
Fachgerecht
ausgefacht
„Nur wer fachgerecht erhält
und pflegt, hat Freude an einem
Denkmal“, ist Reimund Sprie-
stersbach, Geschäftsführer von
Holzbau Wagner aus Braubach
überzeugt. Seit 1996 führt er
das 1890 von Karl Wagner als
Zimmerei mit Schreinerei und
Treppenbau gegründete Unter-
nehmen. Die Restaurierung von
historischem Fachwerk gehört
zu den Schwerpunktaufgaben
des Braubacher Betriebes. „Im
Spayer Haus wurde die durch
Fäulnis und Insektenbefall ge-
schädigteFachwerkkonstruktion
in Eichenholz restauriert und
mit Vierungen, Aufbohlungen
und Ausspanungen ertüchtigt“,
so der Fachmann. Das mittel-
ständische Unternehmen ist
Mitglied im Qualitätsverbund
DachKomplett, einem Verbund
leistungsfähiger Zimmerer und
Holzbauunternehmen, der sich
den kompletten Dachgeschoss-
ausbau aus einer Hand auf die
Fahne geschrieben hat.
Fachgerecht
gefenstert
Holzfenster, die in Fries-, Rah-
men- und Sprossengestaltung
originalgetreu einem Fenster
aus dem 17. Jahrhundert nach-
empfunden wurden, lieferte
und montierte Tischlermeister
Franz-JosefMeuer ausKoblenz-
Rübenach. Der 58-Jährige führt
den1968gegründetenBetrieb in
der zweitenGeneration. „Umdie
GesamtästhetikdesGebäudes zu
erhalten, müssen Sprossenfen-
ster in ihrer Formund Konstruk-
tionder Epoche entsprechen, aus
der sie stammen. Das gilt auch
für die passenden Wetterschen-
kel, die früher dafür sorgten,
DirkMentges hat imZentrumfür
RestaurierungundDenkmalpfle-
gederHwKKoblenzinHerrstein
mehrere fachspezifische Kurse
in Restaurierungstechniken für
Maler und Lackierer besucht.
„Es macht stolz, wenn man bei
der Sanierung eines so alten
Gebäudes seineHandschrift hin-
terlassen hat“, so Mentges.
Fachgerecht
gestaltet
Der Eingang zum Haus bekam
ein Vordach, das durch seine
schlichte und doch extravagante
Gestaltung ein Eyecatcher ist.
„DiemeistenArbeiten entstehen
nach eigenen Entwürfen“, so
Kunstschmiedemeister Hans-
Joachim Philipps aus Koblenz.
„Je nach Kundenwunsch fertige
ich sie in traditioneller Schmie-
detechnik oder sie werden
zeitgemäß sachlich gestaltet.“
Philipps legt stets Wert darauf,
Materialien zu verwenden,
die zur Bauzeit des Gebäudes
passen. T-Stahl, Winkel-Stahl
und Vierkantstahl kamen im
Spayer Vordach zum Einsatz.
Um den historischen Charakter
zu bewahren, wurden die Glas-
scheiben am Vordach gekittet.
„Ich fertige immer zwei Alter-
nativentwürfe an und diskutiere
sie mit den Bauherren“, erklärt
er sein Konzept.
dass das Niederschlagswasser
ablaufen kann und nicht an der
Fassade hinabläuft und diese
durchnässt“, erklärt er. In ihrer
historisch weißen Farbe passen
sich die Fenster der Fassade
an, sehen anheimelnd aus und
verraten Gemütlichkeit
dahinter.
Fachgerecht
angestrichen
Die Fassade verdankt
ihren Anstrich Maler-
und Lackierermeister
DirkMentgesausRhens.
Der 49-Jährige benutzte
nach Absprache mit der Denk-
malpflege Silikonharzfarbe.
„Sie ist resistent gegen Algen
und Schimmelpilzen und hoch
wasserdampfdurchlässig. Auf-
grund der geringen Verschmut-
zungsneigung ist sie gut für
SanierungsarbeitenimDenkmal-
pflegeberich geeignet“, weiß er.
Das Haus in Spay gehört zu
den best sanierten historischen
Häusern im Landkreis Mayen-
Koblenz. Auf 130 Quadratme-
tern Wohnfläche pulsiert heute
wieder junges Leben im alten
Gemäuer. DieTochter vonGise-
la Alt hat ihr neues ehrwürdiges
Haus inzwischen bezogen.
Vordach aus Glas und Metall.
Gisela
Alt ist
stolz auf
das Er-
reichte
bei der
Sanie-
rung
ihres
Hauses
in Spay.
Die ge-
mütliche
Stube
mit Ka-
min im
Dachge-
schoss
war vor
der Sa-
nierung
nicht zu
erahnen.
Foto: privat
Balken des teilweise maroden Fach-
werks mussten ersetzt werden ...
Foto: privat
... bevor das mehr als 300 Jahre alte
Haus als Schmuckstück neu erstrahlte.
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