Handwerk Special Nr. 245 vom 29.02.2024

Brauen, bauen, trauen Bei der handwerklichen Arbeit und den eingesetzten Materialien gibt es natürlich schon gewaltige Unterschiede. Doch im speziellen Schneider-Fall geht es weit darüber hinaus. Hildegard von Bingen spielt hier eine Rolle und eine vergessene Kapelle, über 600 Jahre alt. Klingt nach einer interessanten Baumaßnahme, „und das war es auch, damit wir hier unser Bier brauen können“, verrät der 66-Jährige. Die Geschichte beginnt mit demWandermönchDisibod imJahr 640 nachChristus. Der lässt sich auf einem Berg zwischen den Flüssen Glan und Nahe nieder. Nach seinem Tod wird dort eine kleine Kirche gebaut, schließlicheineganzeKlosteranlage. Auf Kloster Disibodenberg lebt später die weltberühmte Hildegard von Bingen. Der Komplex wächst und bald wird in Bad Sobernheim ein „Außenposten“ errichtet. Es entsteht ein Wirtschaftshof mit Kapelle. Doch mit der einsetzenden Reformation wird ab 1566 aus der Kapelle ein Lagerhaus. Um- und Ausbauten finden statt. Die wirtschaftliche Nutzung erhält den ehemals sakralen Bau fast im Originalzustand. „Ganz ohne bauliche Sanierungsarbeiten ging das natürlich nicht“,weißBrunoSchneider (Bild rechts) und nennt das Jahr 1900 als letzte große Maßnahme, bevor er das alles imJahr 2007 kaufte. Seine Idee: Zwei Dinge mit viel Geschichte zu kombinieren. EinBrauhaus in der Kapelle … das wärs! Er holt sich einen Partner sowie Fachleute ins Boot. Denkmalpfleger, Architekten, Fachhandwerker überlegen nun mit dem erfolgreichen Bauunternehmer, wie aus der Idee Wirklichkeit werden könnte. Schneider, der 1980 das 1928 gegründete Familienunternehmen in Merxheim mit seinen 18 Mitarbeitern übernahm und daraus 200 werden ließ, weiß, wie große, anspruchsvolle Projekte anzugehen sind. „Doch hätte ich gewusst, was hier auf uns zukommt … ich weiß nicht, wie die Sache ausgegangenwäre.“Mit vielOptimismus, Enthusiasmus und auch finanziellem Unterbau legt er los. Nach einem Architektenwettbewerb wird ein Neubau in die Kapelle ein-, an- und drumherumgebaut. „DasNeue sollte sichdemAlten anpassen, ohnees zukopieren.“Eine interessantewie spannendeSymbioseaus jahrhundertealter Kapelle mit neuer, moderner Architektur undTechnik.Der alteDachstuhlmit seinen Originalhölzern des Jahres 1453 liegt so nur wenige Meter entfernt vom Panzerglas-Fußboden, der Edelstahlbrautechnik oder demTraualtar. Denn auch das ist hier möglich: Heiraten in einer alten Kapelle, die zugleich ein modernes Brauhaus ist. 2018 wurde das erste Craftbier der Eigenmarke „Denkmalz“ gezapft. Ein weiter Weg und doch waren es nur die ersten Schritte in ein neues Zeitalter. „Dann kam der schwarze Freitag am 13. März 2020“, erinnert sich Bruno Schneider an den Corona-Shutdown. „Im Keller hatten wir 7.000 Liter und mussten die Gastronomie schließen.“ Schneiders Idee: an kleinen, dezentralen Verkaufsständen das nun in Flaschen abgefüllte Bier coronakonform andenMannunddieFraubringen.DieGeburtsstunde desAußerhausverkaufs.Denn auch das ist Bruno Schneider: „Selbst in einer solchenKrise findet sich irgendetwas Gutes! Man muss es nur suchen – und finden.“ Er baut den Onlineshop auf und aus, Kontakt: DENKMALz – Die Kapellenbrauerei Tel.: 06751 8577 080 www.denkmalz.de 09 sucht ein Partnerunternehmen für das Abfüllen der Flaschen und marschiert so durch die Corona-Krise. Ein Konzept, an dem er festhielt und das er ausbaute. Heute kann man das Craftbier in vier Sorten auch außerhaus übers Internet oder in einigen Supermärkten kaufen. Rund 75.000 Liter Bier werden so jährlich unter den Fittichen von Braumeister und Biersommelier Nils Kappen handwerklich hergestellt. Je nach Jahreszeit lässt sich das TraditionsgetränkvorOrt imObergeschoss derKapelle oder imBiergarten genießen. Ein kulinarisches wie optisches Vergnügen, denn in der Kapellenbrauerei gibt es viel zu entdecken und jeder Winkel bietet Geschichte wie auchModerne, ganz besonders bei den Brauereiführungen. Dann wird genau erklärt, was im fünfwöchigemHerstellungsprozess mit und imBier passiert. „Unsere Kunden kommen nicht nur aus der Region, sondern weit darüber hinaus, selbst aus Mainz.“ Ein Ausflug, der es sicher wert ist und in dem auch ein wenig der Geist der Hildegard von Bingen steckt, geht es um die Bier-Kreationen: alles nach alter Rezeptur und aus rein natürlichen Zutaten hergestellt. Wohl bekomm’s! Das wird es in Deutschland wohl kein zweites Mal geben: Bruno Schneider aus Merxheim ist für zwei Handwerke eingetragen, die orthografisch nur ein Buchstabe trennt: Er ist sowohl Bau- wie auch Brauunternehmer. Mit Trauungen hat er außerdem etwas zu tun.

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