Handwerk Special Nr. 245 vom 29.02.2024

Pützerkirche prächtig herausgeputzt Eine ganze Kirche als überdimensionales Meisterstück – ungefähr so lässt sich das beschreiben, wasNorbert Theismit seinem Mitarbeiter in der Pützerkirche (siehe Kasten rechts) von Pfaffen-Schwabenheim in 13 Monaten kreiert hat. Dabei hat Norbert Theis seinenMeisterbrief seit 1986, ist seit 25 Jahren Obermeister und wenn es um Denkmalpflege geht – insbesondere die Restaurierung von Kirchen –, macht ihm so schnell niemand etwas vor. Trotzdem ist die Gustav-Adolf-Kirche in seinem Heimatort Pfaffen-Schwabenheim für ihn eine besondere Herzensangelegenheit, auf die er heute „überstolz“ ist. Grund dafür sind nicht nur 2.800 Arbeitsstunden für dieRestaurierungsarbeitenplus 1.500 Arbeitsstunden für Verputzarbeiten und Putzrestaurierung, die er in die kleine Kirche investiert hat. Hinzu kommen unzählige Stunden, in denen er rund um den besonderenAuftrag recherchiert, geforscht und vorbereitet hat. Denn die evangelische Kirche war zunächst weißverputzt, die Balken schwarz verrußt. Die nachträgliche Elektrifizierung der Kirche hatteNarben in FormvonunschönenSchlitzenhinterlassen. Das Gotteshaus hatte kein eigenes Flair mehr undverbarg seine prächtigeSchönheit für Jahrzehnte. Als danndieAusschreibung der Landeskirche kam, die Pützerkirche in ihren Originalzustand zu versetzen und sie durch einen neu gestalteten Raum mit mehr Gemeindeleben zu füllen, machte sich Norbert Theis mit einer Energie daran, den Auftrag zu bekommen, die bis zur Vollendung der Arbeiten anhielt. „Ich habe mit Skalpell und Lupe kleine Fenster freigelegt, umdieursprünglichenMalereien sichtbar zu machen“, erinnert er sich. Es ähnelte einer akribischen Spurensuche und überdimensionalem Puzzle, aber Norbert Theis wurde fündig. So wurden Teile der Orgel ausgebaut, um eine Ecke mit Malereirelikten freizulegen.Bei all dembekamer ein Gespür für die Pracht dieser Kirche und neunMonate, nachdemeine50-köpfigeDelegationmehrereMuster begutachtet hatte, bekamTheis denZuschlag.Was folgte, war weitere Gedulds- und Forschungsarbeit, gepaart mit höchster Malerkunst. Die vorhandene Dispersionsfarbe musste entfernt werden. Muster, die darunter zum Vorschein kamen, digitalisierte Norbert Theis. So konnte er Schablonen erstellen, mit denen sein Mitarbeiter und er die grafischen, filigranen Muster in feinster Handarbeit aufbringen konnten. Eine besondere Herausforderung war auch die Wahl der Farbigkeit: Es gab nur SchwarzWeiß-Aufnahmenvon früher undminimale Hinweise unter der Dispersionsfarbe. Also holte sich Norbert Theis Inspirationen bei zeitgenössischen „Kollegen“ aus dem Umfeld von Kirchenbaumeister Friedrich Pützer. Befundewaren reichlichvorhanden. Längst türmen sich imBüro des Malermeisters dicke Wälzer und überdimensionale Kladden voller Stilmuster und Hinweisen auf Kirchenfarben zu Pützers Zeiten. Entschieden hat sich Kirchenrestaurator Theis für warme Farben, die nun für eine wohlige Atmosphäre sorgen. Besonders stolz istNorbert Theis darauf, dass nicht nur der Kirchenraum in neuer, alter Farbigkeit erstrahlt. Auch jeder Nebenraum von der Taufkapelle über das Treppenhaus bis zum neuenGemeinderaumwurde indetaillierter Muster- und Farbenpracht zu neuemLeben erweckt – ein echtes Meisterwerk eben. Kontakt: Maler- und Denkmalpflegewerkstätten Norbert Theis Tel. 06701 7877 www.maler-theis.de Freier Blick für alle im Gottesdienst Kirchenbaumeister Friedrich Pützer hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts vielen Kirchen und Gebäuden im Rhein-Main-Gebiet eine besondere Note verliehen. Typisch für die Pützerkirchen ist dabei, dass der Altar, die Kanzel und die Orgel auf einer Blickachse liegen. Dadurch können Besucher die zentralen Elemente eines evangelischenGottesdienstesvon jedemPlatz inderKirche aus sehen. Der Baukörper von Pützerkirchen wird oft der Reformarchitektur oder dem Heimatstil zugeordnet. Im Inneren finden sich häufig Jugendstilelemente. Die evangelische Gustav-Adolf-Kirche in Pfaffen-Schwabenheim wurde in den Jahren 1907/08 als romanisierender Bau errichtet. Das Innere ist asymmetrisch gestaltet und hat nur auf einer Seite eine Empore. Infos: www.ekhn.de/themen/kirchen 10 Mehr als ein Jahr hat Malermeister und Denkmalspezialist Norbert Theis in der Pfaffen-Schwabenheimer Kirche gearbeitet, um ihr alten Charme und neues Leben einzuhauchen.

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