Handwerk Special Nr. 226 vom 15.02.2019

Datenspeicher aus dem Jahr 1500 bis digital Nr. 226 15. Februar 2019 www.handwerk-special.de 18 Papier-Geschichte(n) Wilfried undAdrianFrindert sind dieChefs über diese Welt aus Papier und Historie. Die beiden, Vater und Sohn, führen streng genommen eine Buchbinderei. Doch tat- sächlich ist es eine ganze Menge mehr ... 1961 wurde der Koblenzer Handwerksbe- trieb gegründet. 1990 übernahmder damals 37-jährige Wilfried Frindert die Leitung. 30 Mitarbeiter, die meisten ausgebildete Buchbinder, beschäftigt Selke heute an den drei Standorten Koblenz, Berlin und Freiburg in den Sparten Bibliotheks- sowie Archivdienst. „Wir haben bundesweit Kunden“, geht Juniorchef Adrian Frindert auf ein Plus ein, dasssokaumjemandbietet,„dennwirfahren unsere Auftraggeber an und holen das ab, was bearbeitet werden soll“. Ein exklusiver Transportdienst im Preis inbegriffen. Alte Bücher gehen dann auf Reisen, Zeitungen und Zeitschriften aus verschiedenen Epo- chen, die in Koblenz, oder Berlin gebunden werden. Auch Notenmappen für Orchester – „ein Geschäftsfeld mit internationalen Kontakten. Große Orchester rund um den Globus bestellen bei uns die Mappen mit Logo, die sie für ihre Noten mit auf die Bühne nehmen.“ Seit1996istSelkealsVertragspartnerfürdie Reproduktion von Akten im Bundesarchiv zuständig. Das technisch aufwändige Ver- fahren setzt Spezialtechnik voraus, „denn die Originale dürfen keiner UV-Strahlung oder mechanischer Beanspruchung ausge- setzt werden und müssen schonend einen Scan- oder Digitalisierungsprozess durch- laufen“, beschreibt der 34-jährige Adrian Frindert. Mit einem normalen Kopierer ist da nichts zu machen. Hier hat Selke kräftig investiert, um die Ausschreibungsmodali- täten des Bundesarchivs zu erfüllen und optimale Scanergebnisse zu erzielen. Sehr seltene Stücke wie ein Originaldurch- schlag von „Schindlers Liste“ gehen so durch die Hände der Selke-Mitarbeiter, oder auch sehr geheime: Akten mit Staats- geheimnissen werden ebenfalls durch die Handwerker bearbeitet. „Für uns ist das normalerAlltag“,relativiertFrindertJunior. Auch die Restaurierung historischerWerke auf Papier wird dann unaufgeregt und pro- fessionell umgesetzt. Aktuell sind es Seiten von 1653. Aus Mangel an Pappe für einen Bucheinbandhatmandamals einfacheinige Seitendes „Vater unser“ zusammengeleimt und fertigwar derDeckel. „Wir nehmennun Seite für Seite auseinander und arbeiten sie auf“. Grenzen gibt es dabei für die Profis kaum. Sogar fehlendeEckenkönnenwieder angegossen werden. „Das ist zwar sehr aufwendig und kann Monate dauern, aber es ist eigentlich alles möglich“. Drei Buchbindermeister beschäftigt das Unternehmen, das monatlich bis zu 8.000 Bucheinbände fertigt – jeder ein Unikat. Archive, Bibliotheken, und Universitäten sind Kunden, aber auch Privatleute, die mit ihren Schätzchen vorbeikommen. „Das Buchwirdbleiben“, ist sichAdrianFrindert sicher und nennt einen wichtigen Aspekt: „Gerade die Papierqualität bis 1900 war sehr gut und es verwundert nicht, wenn 500 Jahre alte Bücher trotz Gebrauch in einem recht guten Zustand sind.“ Und wenn nicht, kümmernsichdieExpertenseinesBetriebes darum: Neuer Atem für alte Bücher und ihren Hauch von Geschichte … Kontakt: Selke GmbH 56070 Koblenz Tel. 261/ 8 60 40 Internet: selke-gmbh.de Ein Hauch von Geschichte weht durch die Selke-Werkstätten: 400 Jahre alte Bücher werden hier restauriert, einige Meter weiter Tageszeitungen der 1920er-Jahre in Form gebracht. Nachgefragt beim Bundesarchiv Hat Papier als „Datenträger“ eine Zukunft in der digitalen Welt? Gerade für Archive mit einigen Hun- derttausend Seiten Papierdokumenten eine wichtige Frage, die für das Bundesarchiv Experte Dr. Tobias Herrmann beantwortet. Das Bundesarchiv verwahrt ca. 400 km Schriftgut auf. Das entspricht etwa vier Milliarden Blatt Papier. Wir erwarten Zugänge von den Stellen des Bundes in Papierform in beträchtlichem Umfang bis mindestens in die 2030er-Jahre. Grundsätzlich arbeitet das Bundesarchiv mit der Prämisse, archivwürdige Unterlagen in ihrer origi- nalen Gestalt auf Dauer aufzubewahren – Papierakten in Papierform, digitale Akten in digitaler Form. Praktisch alle MediensindvonZerfalloderZerstörungbedroht,wennman sich nicht in jeweils angemessener Form um sie kümmert. Das gilt für Papier genauso wie für digitale Unterlagen. Es gibt also keinen Grund, der ein oder anderen Form der Aufbewahrunggrundsätzlichzumisstrauen.Dielangfristige ZukunftderBenutzungistzweifellosdigital.Dasentspricht den Erwartungen der meisten Nutzer mit Einsichtnahme in Archivgut vom eigenen Rechner. Die Digitalisierung von ursprünglich analogemArchivgut trägt aber auch zum Schutz der Originale bei: Was nicht mehr in Papierform vorgelegtwerdenmuss undunbehelligt in einemoptimalen Magazin liegt, hat eine längere Überlebenschance. 30 Mitarbeiter, zumeist ausgebildete Buchbinder, beschäftigt Selke in Koblenz, Berlin und Freiburg. Wilfried (links) und Adrian Frindert sind die Chefs über die Selke-Welt aus Pa- pier und Historie. Fotos: Gauls / Selke

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