Handwerk Special Nr. 222 vom 15.09.2018

Belohnung für Hannah Als „Belohnung für gute Leistungen und Engage- ment“ sieht Konditormei- ster Werner Sander aus Niederfell das Praktikum seines Schützlings Hannah Steffens in der Konditorei von Harrods in London. Es zählt zu den berühmtesten, größten und exklusivsten Waren- häusern der Welt. Im Café Sander in Niederfell wird Internationalität gepflegt Handwerk international Nr. 222 15. September 2018 www.handwerk-special.de 13 Sander, Inhaber des gleichna- migen Cafés an der Mosel, ist mitEinstellungundArbeitsweise der angehenden Konditorin sehr zufrieden. Als Hannah bei einer Informationsveranstaltunginder Berufsschule von den Reisean- Café Sander, Niederfell Gegr. 1990 | 6 Mitarbeiter | Konditoreierzeugnisse, Pralinen, 1 Filiale, Ferienwohnung | Tel. 02607/ 8309 | www.cafesander.com Konditormeister Werner Sander und seine Schütz- linge vor der „Zentrale“ in Niederfell, darunter auch der Praktikant Louis aus Valenzia. geboten der Mobilitätsberatung (mobira)derHandwerkskammer (HwK) Koblenz erfuhr, war sie sofort begeistert. „Harrods hat mich besonders angesprochen, weil ich einmal internationales Flair in großem Rahmen spüren wollte“, sagt sie. Auslandsaufenthalt: Ein Gewinn für alle Ihr Ausbildungsmeister war einverstanden, Hannah drei Wochen freizustellen. Aus Erfahrung weiß er, wie wichtig ein Auslandsaufenthalt für die Persönlichkeitsentwicklung sein kann. Er hat bereits einen spanischenPraktikanteninseiner Backstube schnuppern lassen und auch Bäcker Luis van Beek aus Valencia hat drei Monate bei ihm viel über das deutsche Konditorenhandwerk gelernt. Werner Sander übt seinen Beruf mit Herzblut aus. Schon immer war es sein Wunsch, selbststän- dig zu sein. 1990 eröffnete er dann seine Konditorei. Eine kleine Filiale kam später dazu. Torten, Pralinen und hochwer- tige Schokoladenerzeugnisse gehören zu seinem Sortiment. Außer Butter wird in den Back- warenkeinFremdfettverwendet. Auch Brot und Brötchen fehlen im handgemachten Warenan- gebot nicht. Festtagstorten zu unterschiedlichenAnlässen sind die besondere Spezialität. Han- nah lernt ihrenTraumberuf, auch wenn sie einen Umweg gegan- gen ist. Die 24-Jährige verfügt bereits über einen Bachelor in Pädagogik, den sie nach Abitur undStudiumerworbenhat.Auch ein JahrBerufserfahrung ineiner Seniorenresidenz in Vallendar kannsievorweisen.„Ichhabeein Netzwerk von Ehrenamtlichen aufgebaut und betreut, sowie im sozialen Dienst gearbeitet. Doch das Konditorhandwerk hat mich nicht losgelassen. Ein PraktikuminNiederfell hatmich dann voll überzeugt. Ich habe meine Wohnung gekündigt und bin zu meinen Eltern gezogen, auch, um die Differenz von Gehalt undLehrlingsgeld besser kompensieren zu können, lacht sie. Im zweiten Lehrjahr mit der mobira auf Reisen zu gehen, war für sie ein besonderes Highlight. „Die ersten beiden Wochen war ich in zwei verschiedenen Teams der hauseigenen Konditorei des Harrods eingeteilt. Dort werden Süßwaren jeglicher Art herge- stellt, die sich vor allem an der ,französischenPatisserie’orientie- renundeinengroßenUnterschied zur traditionellen deutschen Konditorei darstellen. So konnte ich viele neueTechniken kennen- lernen, aber auch eigene Kennt- nisse über Torten und Füllungen einbringen, denn teilweise waren die Produkte auch der deutschen Konditorei ähnlich.“ Hanna Steffens berichtet weiter: „Insgesamt war die Atmosphäre und Stimmung innerhalb des Teams sehr locker und kollegial, was mich enorm beeindruckt und an meine tägliche Arbeit im AusbildungsbetriebinNiederfell erinnert hat. In der letzten Wo- che war ich drei Tage lang ein Teil des Teams der Patisserie des ,Georgian’. Besonders in Erinnerung blieb mir hier das Entwickeln neuer Rezepte, die das glutenfreie und vegane Sor- timent erweitern sollten.“ Nicht nur das Praktikum und die Arbeit im Harrods waren beein- druckend, auchdieStadt London ist sehenswert. „Natürlich hatte ich an den Wochenenden Zeit, Londonmit all seinenbekannten Sehenswürdigkeiten, aber auch weniger populäreGegenden, die fast noch schönerwaren, kennen zulernen“,soHannaSteffens.Ihr Fazit: EinPraktikumimAusland kann ich jedemAuszubildenden nur empfehlen. Man gewinnt so viele neue Eindrücke, kann Erfahrungen sammeln und seine Fähigkeiten und Kenntnisse im beruflichen Kontext ausbauen. Die Sprache und fremde Kultur stellen natürlich zunächst eine große Herausforderung dar, machenaber auchdasPraktikum sehr spannend und interessant“. Ihre persönliche Zukunft sieht sie eher im kleinen Handwerks- betrieb. Vielleicht möchte sie den Meisterbrief erwerben oder alsBerufsschullehrerinarbeiten. Die pädagogischen Grundlagen hat sie ja bereits erworben, und so sieht sie auch ihren Studien- abschluss sehr positiv. Was bringt das neue Dienstleistungspaket der EU-Kommission? Das von der EU-Kommis- sion geplante Dienstlei- stungspaket sorgt vor und hinter den Kulissen für Unruhe. Für die HwK Koblenz und das Mainzer Wirtschaftsministerium ist dies Anlass, zum Dia- log einzuladen. „Wir müssen auf der Hut sein“, betonte Kurt Krautscheid bei der jüngsten Konferenz in der Handwerkskammer (HwK) Koblenz. Der HwK-Präsident, der gemeinsam mit Wirt- schaftsminister Volker Wis- sing in die HwK eingeladen hatte, warnte aus Erfahrung. In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, die Vorgaben der deutschen Handwerksordnung aufzuweichen. Das ist zum Teil gelungen, weil für einige Handwerksbranchen die Mei- sterpflicht entfallen ist, wobei das Fliesenlegerhandwerk ein klassisches Beispiel ist. Die Folge aus Sicht der Hand- werksorganisation: Qualitäts- verlust und einmitunter ruinöser Wettbewerb. Genau deshalb kritisierenvieleBetriebedas von der EU-Kommission geplante Dienstleistungspaket. Dieses Paket soll vor dem Hin- tergrund weiterer europäischer Harmonisierungsbestrebungen geschnürt werden. Das gefällt nicht jedem, und auch die an der Konferenz teilnehmenden Euro- pa- und Landtagsabgeordneten signalisierten, dass Ergänzungs- bedarf besteht. Denn es geht nicht nur um den Meisterbrief, sondern um die gesamte duale AusbildungimHandwerk,diebei einer zu starken Liberalisierung gefährdet ist. Wer das Ganze verstehen will, muss einen Blick bis ins Jahr 2009 zurückwerfen. Bis da- hin musste die sogenannte EU-Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) umgesetzt sein. Das Ziel war und ist es, den freien Verkehr von Dienst- leistungen über nationale Grenzen hinweg zu fördern undsomitdenEU-Binnenmark zu stärken. Das ist bislang nur bedingt gelungen, jetzt soll das EU-Dienstleistungspaket Ver- besserungen bringen. Kritiker befürchten jedoch eineweitere Aushöhlung der deutschen Handwerksordnung – auch wenn der Meisterbrief und die duale Ausbildung nach Aus- sage der EU nicht zur Debatte stehen. „Können die nicht mal unsere Standards übernehmen?“, lautete die rhetorische Frage von Präsident Krautscheid und Hauptgeschäftsführer Alexan- der Baden. DerWirtschaftsmi- nister beruhigte. „Ich möchte eineLanzefürdieEu-Kommis- sion brechen“, betonte Volker Wissing. Er wies darauf hin, dass EU-Länder undRegionen in Brüssel sehr wohl gehört und Verbesserungsvorschläge eingearbeitet werden. Die Koblenzer Konferenz zeigte vor allem, dass es eben nicht ausreichen wird, auf den eigenen Standards zu behar- ren. Perspektivisch will der designierte neue Koblenzer HwK-Hauptgeschäftsführer RalfHellrichdieAusbildungs- offensiven intensivieren und über dieHandwerksorganisati- on qualitätsbewusste Betriebe grenzübergreifendmiteinander vernetzen. Das soll zunächst vor allem durch den Ausbau bereits bestehender Angebote erfolgen. Kongressteilnehmer um Wirtschaftsminister Volker Wissing und HwK-Präsident Kurt Krautscheid (vor- dere Reihe 3. und 2. von links).

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