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Trauer „anders“ meistern

Der Verlust eines

geliebten Menschen,

Unfälle oder andere

Schicksalsschläge

können so manchen

völlig aus der Bahn

werfen. Professionelle

Trauerbegleitung kann

dabei helfen, schwie-

rige Lebenssituation

zu meistern. Die Hand-

werkskammer (HwK)

Koblenz und ihr Netz-

werk leisten hierbei

Pionierarbeit.

„Die einen haben ihren Partner

oder einenFamilienangehörigen

verloren, die anderen trauern um

einen beliebten Kollegen. So

mancher gerät in eine Spirale

aus privaten Problemen und

nachlassender Leistungsfähig-

keit. Die Langzeitfolge können

ernsthafte Erkrankungen sein“,

erklärt Barbara Koch. Für die

GeschäftsführerinderKoblenzer

Kammer ist dieTrauerbegleitung

amArbeitspatzeinHerzensanlie-

gen. Sie war maßgeblich daran

beteiligt, ein ehrenamtliches

Hilfsnetzwerk zu gründen.

DasBeratungs-undHilfsangebot

gibt es mittlerweile seit acht

Jahren. Es richtet sich nicht nur

an Mitarbeiter, sondern auch an

Betriebsinhaber und Führungs-

kräfte, die lernen wollen, richtig

mit ihren trauernden Teams

umzugehen. Zum Netzwerk

von ehrenamtlichen Betreuern

gehören neben Ärzten, Psycho-

logen und Sozialarbeitern auch

Unternehmer. Zur klassischen

Beratungsarbeit kommen immer

wieder Projekte hinzu, die die

Öffentlichkeit für das Thema

sensibilisiert sollen. Erst kürz-

lich ging an der Universität in

Koblenz eine Ausstellung über

Trauer-Tattoos zuEnde. Initiator

war das Institut für Soziologie.

Das Kolpinghaus Koblenz und

die HwK unterstützten das Pro-

jekt fachlich und ideell.

Der aktuelle Hintergrund: Vor

allem Jugendliche und junge

Erwachsene signalisieren ihrGe-

sprächsbedürfnis immerhäufiger

mit sogenanntenTrauer-Tattoos.

Das können klassische Täto-

wierungen oder auch relativ

kurzlebige Henna-Kunstwerke

sein. Das Spektrum der Motive

ist dabei breit gefächert: Von

einfachen Initialen über Federn

undKreuzebishinzueinmaligen

Kunstwerken auf derHaut reicht

das Spektrum. Denn Möglich-

HwK Koblenz engagiert sich in einem Beratungsnetzwerk

die Annäherung erleichtern und

Gesprächsbereitschaft der Be-

troffenen signalisieren. Und bei

Bedarf wirkt das von der HwK

Koblenz initiierte Netzwerk

unterstützend.

SO MANCHER GERÄT IN EINE

SPIRALE AUS PRIVATEN PRO-

BLEMEN UND NACHLASSENDER

LEISTUNGSFÄHIGKEIT. LANG-

ZEITFOLGE KÖNNEN ERNST-

HAFTE ERKRANKUNGEN SEIN.

Barbara Koch, HwK-Geschäftsführerin

Trauerbegleitung am Arbeitsplatz: Ein Projekt der HwK Koblenz

Nr. 206

4. Februar 2017

www.handwerk-special.de

muss sich derMetallbauer in spe

mit einemschmerzlichenVerlust

auseinandersetzen. Seine Groß-

mutter, zu der er ein sehr inniges

Verhältnis hatte, ist kürzlich

verstorben. Ein verziertes Hen-

na-Kreuz an seinem Oberarm

soll an sie erinnern. Es ist seine

Art,Abschiedzunehmenund für

ihn damit quasi einErsatz für die

klassischeTrauerkleidung.Denn

Schwarz ist heute Trendfarbe

und eignet sich nur noch bedingt

aber auch junge Flüchtlinge,

die an Deutschkursen und be-

rufsvorbereitende Maßnahmen

teilnehmen. Einer von ihnen ist

Milkias Tekle aus Eritrea. „Ich

vermisse meine Eltern sehr“,

sagt der 18-Jährige, der übers

Meer zunächst nach Italien und

dann nach Deutschland kam.

Tätowierte Buchstaben stehen

für die Eltern, die nicht fliehen

konnten. Der Vater wurde ver-

haftet. Einfach so. Die Mutter

will in der Heimat für ihn kämp-

fen, während der Sohn nun eine

berufliche Perspektive sucht.

Tattoos können aber auch ein

Sinnbild für Leben und Tod

sein. Genau diesen Aspekt zeigt

die Henna-Feder auf dem Arm

von Jessica Meyer. Die 21-Jäh-

rige wurde bei einem Unfall

lebensgefährlich verletzt, ihre

Rückkehr ins normale Leben

dauerte Monate. „Jetzt hoffe

ich, eine Lehrstelle zu finden“,

betont sie. Ihr Traumberuf?

„Goldschmiedin“, antwortet sie

prompt. DieDoppelsymbolik ist

keiten, seine Trauer oder seine

Lebenssituation auszudrücken,

sind vielfältig.

Im Kolpinghaus Koblenz und

anderen Einrichtungen gibt

es sogar Workshops, in denen

Henna-Tattoos im Mittelpunkt

stehen. Die Erfahrung zeigt:

Die jungen Leute sind sehr

offen, wenn man bereit ist, sich

individuell mit ihnen ausein-

anderzusetzen. Tattoos sollen

bei den Henna-Tattoos geläufig.

Es muss dabei nicht immer eine

Feder sein. „Auch die Zypresse

ist sehr verbreitet“, macht Judith

Linde deutlich und verweist auf

dieHerkunft desMotivs aus dem

orientalischen Kulturkreis.

Jacqueline Röhm betont, dass

die Tattoos die Arbeit für die

Betreuer den Einstieg in die

Kommunikation erheblich ver-

bessern. Die Geschäftsführerin

des Kolpinghauses weist darauf

hin, dass es für Außenstehen-

de und natürlich auch für das

eigene Team leichter wird,

Trauersituationen, einschnei-

dende Lebensereignisse und

Traumatisierungen sehr früh zu

erkennen und sich entsprechend

einzustellen. „Wir können das

Thema jetzt anders fassen.Das ist

für uns eine ganz neueQualität“,

erklärt Jacqueline Röhm.

Auskunft zum Projekt gibt

Barbara Koch: Tel. 0261/398

141, trauerbegleitung@

hwk-koblenz.de.

Kürzlich war auf dem Koblenzer Uni-Campus eine

Ausstellung zum Thema Trauer-Tattoos zu sehen.

Sie wurde von Trauerbegleiterin Karin Hartig (Magde-

burg) und der Fotografin Stefanie Oeft-Geffahrt (Halle)

konzipiert. Darüber hinaus ist Trauerbegleitung ein

wichtiges Thema der Lehrveranstaltungen von

Dr. Ursula Engelfried-Rave am Institut für Soziolo-

gie der Universität in Koblenz, das eng mit der HwK

Koblenz zusammenarbeitet.

Im Rahmen der Projektarbeit im Kolpinghaus Koblenz

wird offen über schwierige Situationen gesprochen.

Das Foto zeigt (von links): Tobias Beese, Milkias Tekle,

Jacqueline Röhm, Jessica Meyer und Judith Linde.

Kreuz und Feder sind typische Motive. Während das

Kreuz für den Verlust steht, kann die Feder auch das

wiedergewonnene Leben symbolisieren.

Es kommt deshalb nicht von

ungefähr, dass auch einLehrling

aus dem Metall- und Tech-

nologiezentrum der HwK am

aktuellen „Tattoo-Projekt“ im

Kolpinghaus teilnimmt: Tobias

Beese (21) steht kurz vor der

Gesellenprüfung. Gleichzeitig

für kritische Lebenssituationen.

„Ich habe Henna-Tattoos in

Indien kennengelernt“, erklärt

Judith Linde. Die Diplom-Päda-

gogin gehört zum Betreuerteam

imKolpinghaus, das sich umdie

jungen Gäste kümmert. Typisch

sind junge Handwerkslehrlinge,

die noch nicht volljährig sind

und ihre Lehre nicht an ihrem

Heimatort absolvieren können

– oder an der überbetrieblichen

Ausbildung in den HwK-Zen-

tren teilnehmen. Dazu gehören

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