Nachgefragt
zu aktuellen Themen
Die Ausbildungs-
zahlen imHandwerk
steigen weiter! Da-
mit setzt sich eine
Entwicklung fort,
die bereits seit drei
Jahren anhält. Doch
dieser Aufwärtst-
rend ist weder Zufall
noch Selbstläufer.
In den Berufs- und
LebensentwürfenJu-
gendlicher spielt das
Handwerk wieder
eine stärkere Rolle.
Und auch die Or-
ganisation für Wirt-
schaftliche Zusam-
menarbeit und Ent-
wicklung (OECD)
stelltejüngstfest:Der
deutscheWeg„duale
Berufsausbildung“
ist überdurchschnitt-
lich erfolgreich.
Herr Krautscheid, die OECD sah über Jahre die duale Aus-
bildung eher skeptisch. In der jüngsten Studie wird sie als
Erfolgsmodel beurteilt. Was ist geschehen?
Das Prinzip der dualen Ausbildung mit den drei Säulen Berufs-
schulunterricht, betriebliche Ausbildung in den Unternehmen und
überbetriebliche Ausbildung in den Handwerkskammern ist ja nicht
neu, und erfolgreich war es aus unserer Sicht auch vor der jetzigen
OECD-Untersuchung.SehenwirdasinternationaleInteresseandiesem
Model, das Delegationen aus aller Welt immer wieder zu uns führt,
waren dieVorteile durchaus bekannt. Gerade dann, wenn es umhohe
JugendarbeitslosigkeitgingoderfehlendeImpulseausdemMittelstand
für einen wirtschaftlichen Aufschwung, rückte die deutsche duale
Berufsausbildung in den Fokus. Die OECD hat sich jetzt auf 637
Seiten ihresGutachtens „Bildung auf einenBlick 2016“ sehr intensiv
mit dem Thema auseinandergesetzt und spricht nicht nur der dualen
Ausbildung ein großes Lob aus. Auch der Meisterbrief schneidet
sehr gut in der Beurteilung ab. Höhere Verdienstmöglichkeiten und
berufliche Sicherheit werden der Meisterqualifikation zugerechnet.
Beides sollte man nicht getrennt von einander bewerten. Ausbildung
undMeister sind keine Titel, sondern Teil eines schlüssigen Gesamt-
konzepts. Das erkennen offensichtlich auch die Jugendlichen immer
stärker und entscheiden sich für eine handwerkliche Ausbildung mit
allen Karrieremöglichkeiten im Anschluss.
Das lässt sich über die aktuellen Ausbildungszahlen belegen.
Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Das ist natürlich das Interesse desHandwerks. Zusammenmit den
BetriebenundHandwerksorganisationen leistenwir einiges dafür.
Dabei steht dieAttraktivität desHandwerks imMittelpunkt. Doch
wir sehen auch die anderen Wege, die Jugendliche einschlagen
können. Stichwort Abitur oder Studium. Jeder achte Lehrling
im Kammerbezirk hat Abitur! Befragt, warum sie sich für eine
Handwerkslehre entschieden haben, erhalten wir Antworten mit
hoher Aussagekraft: Weil eine solide Ausbildung etwas zählt,
weil man Erfahrungen in der Praxis sammeln möchte, weil das
Handwerk interessante Wege für die weitere Karriereplanung
bietet, Studium eingeschlossen. Stichwort akademische Bildung:
Laut OECD-Studie beginnen 59 Prozent der jungen Erwachsenen
in Deutschland ein Studium, aber nur 36 Prozent machen einen
Abschluss. 23 Prozent der Studenten planen also um. Sie sind
für das Handwerk eine hoch interessante Gruppe. Wir sehen im
Wechsel zum Handwerk kein Abbiegen auf den Pannenstreifen,
sondern eine alternative Fahrspur. Und viele haben damit zügig
und sicher Ziele erreicht,mit denen sie hochzufrieden sind. Fassen
wir das zusammen: Ja,wir gehenvoneinerweiterenSteigerungder
Ausbildungszahlen aus, auchwenndieZahl der Schulabsolventen
rückläufigbleibt.Handwerk ist undbleibt attraktiv für Jugendliche!
HwK-Präsident Kurt Krautscheid.
„Handwerk & Ausbildung“ / Interview zur Ausbildungssituation
3
Nr. 203
8. Oktober 2016
www.handwerk-special.deAusbildungszahlen steigen
2.865 Lehrverträge: Trend spricht für Attraktivität des Handwerks
Foto: Fotostudio Reuther
Die Zahl neu eingetra-
gener Lehrverträge im
Handwerk steigt weiter:
Wie in den Vorjahren ver-
zeichnet die Lehrlingsrol-
le der Handwerkskammer
(HwK) Koblenz ein leich-
tes Plus.
„Seit Jahresbeginn sind es 2.865
neue Ausbildungsverhältnisse.
Zum gleichen Zeitpunkt des
Vorjahres konnten wir 2.833
neue Lehrverträge registrieren“,
freuen sich Michael Junglas,
TeamkoordinatorderHwK-Aus-
bildungsberatung und Manuela
Herzmann. Sie ist für die Ein-
tragung der neuen Lehrverträge
verantwortlich.
Die Zahlen sind auch Ergebnis
verstärkter Anstrengungen des
Handwerks, Jugendliche für eine
Ausbildung zu gewinnen. „Hier
ziehen wir mit den Betrieben
und anderen Handwerksorgani-
sationen an einem Strang, denn
die Sicherung des fachlichen
Nachwuchses ist die große He-
rausforderung–heute und inZu-
kunft!“, macht Junglas deutlich.
Entsprechend intensiv bringen
sichdieHwK-Ausbildungsbera-
ter, aber auch dieBetreuer in den
Handwerksbetrieben ein. Rech-
nerischbetreut jederAusbilder in
einemHandwerksbetriebdurch-
schnittlich 1,6 Lehrlinge. In der
Gesamtwirtschaft liegt diese
Quote bei 2,1 Auszubildenden.
Und auch die HwKKoblenz mit
ihren 18 Ausbildungsberatern
ist eng an Jugendlichen und
Betrieben dran, wenn es um
Werbung und Vermittlung in
Ausbildungsverhältnisse geht.
Mehr als 26.000 Beratungen
wurden2015durchgeführt. „Die
Früchte dieser Arbeit ernten wir
jetzt“, macht Michael Junglas
deutlich. Er geht aber auch auf
das Gesamtpaket ein, das hinter
diesen Erfolgszahlen steht.
Ob Bundesimagekampagne des
Handwerks, die gezielt Jugend-
lichemitWertendesHandwerks
anspricht,Kammern,Kreishand-
werkerschaften, Innungen oder
ausbildendeHandwerksbetriebe:
Sie alle prägen ein öffentliches
Bild vom Handwerk, das Ju-
gendlicheverstärkt positivwahr-
nehmen und damit verbundene
Möglichkeiten bewusst in ihrer
Lebensplanungberücksichtigen.
Polch (Hintergrundbericht auf
Seite 19). Ursprünglich dachte
sie über Biologiestudium nach.
Nun absolviert die Abiturientin
eine Ausbildung zur Tischlerin
und nennt ein Studium zur In-
nenarchitektin oder im Bereich
Holztechnik als Anschlussopti-
on. Auch das Handwerk selbst
bietet interessantePerspektiven,
so die Meisterqualifikation und
Selbstständigkeit.
204 Bauhandwerker begrüßte die Handwerkskammer (HwK) Koblenz jüngst in ihren
Berufsbildungszentren zum Start der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung. Ins-
gesamt 2.865 neue Lehrverträge wurden bislang 2016 unterschrieben.
Foto: Klaus Herzmann
„Mission Gold“ in Rio war erfolgreich!
Heinrich Popow hat bei
den Paralympischen
Spielen in Rio de Janeiro
die erhoffte Goldmedaille
geholt!
Popow, Spitzensport-
ler und Lehrling im
Westerwälder Ortho-
pädietechnikbetrieb
vom Thomas Kip-
ping, startete bei den
Paralympics über 100
Meter und im Weit-
sprung. Im Sprint
blieb der undankbare
vierte Platz. Doch im
Weitsprung schlug
Popows große Stun-
de, begleitet vonTho-
mas Kipping, „Chef-
techniker“ für alle
Prothesenträger der
Leichtathletik-Nati-
onalmannschaft im
Behindertensport.
Den beiden Handwerkern gilt
ein herzlicher Glückwunsch!
Heinrich Popow ist einer unter
8.392 Lehrlingen imKammer-
bezirk Koblenz.
So sind unter den Lehrlingen
des Jahrgangs 2016 im Bun-
desdurchschnitt 12,5 Prozent
Abiturienten. „Die Anzahl von
Abiturienten im Handwerk hat
sich in den letzten Jahren ver-
dreifacht“, beschreibt Michael
Junglas für den Kammerbezirk
Koblenz. Viele planen ganz be-
wusstmit demHandwerkwiedie
19-jährige Johanna Müller aus
So wie Johanna starteten jüngst
204 Bauhandwerker ihre Über-
betriebliche Lehrlingsunterwei-
sung (Ülu) in den HwK-Berufs-
bildungszentren in Koblenz und
Bad Kreuznach (Bild unten).
Mehr Infos zur Ausbildung
bei der Handwerkskammer
Koblenz, Tel. 0261/ 398-304,
aubira@hwk-koblenz.deGoldmedaillengewinner Heinrich
Popow und Ausbildungsmeister
Thomas Kipping (links).
Foto: Ingo Lammert