Ärger bahnt sich an, als Philipp JakobKehl aus Staudernheim am26. November 1626 vor dem „Rath zu Sobernheim“ erscheint. Es gehe um den Sohn, der zu taufen sei. Dochdas linksrheinischeGebiet ist damals von Spanien besetzt und der protestantische Pfarrer des Hunsrück-Ortes seines Amtes enthoben. Taufen nimmt nun der von den Spaniern eingesetzte Pastor vor, doch der verlangt von den Eltern einen Übertritt vom evangelischen zum katholischen Glauben. Was mit den Kehls nicht zumachen ist. Der religiöse Streitfall wird zurEntscheidungsfindungder kaiserlichen Regierung übertragen. All das verursacht reichlich Papierkram, denn damals wie heute wird auf saubere bürokratische Dokumentation wert gelegt. Für die heute immer noch inStaudernheim lebendeFamilieKehl ergibt sichdamit eine gute Ausgangslage für die Recherche der Familienchronik. HeikoKehl, 54 Jahre alt undwie sein damaliger Vorfahre Schmied (Metallbauer) von Beruf, schmunzelt, wenn er durch die Sammlung aus Dokumenten und Fotos blättert. Ja, sie haben einiges erlebt in den zurückliegenden 399 Jahren, die geprägt sind vom Familienunternehmen. Denn noch immer gibt es die damals gegründete Schmiede. Heiko leitet sie inder zwölftenGeneration, mit Sohn Jan könnte es die 13. werden. „Hierwirdniemandgezwungen, dasWerk derVorfahren fortzusetzen“, stellen er und Ehefrau Sabine klar. Beide arbeiten im Betrieb, Heiko ist als Metallbauermeister Geschäftsführer, Sabine als studierte Betriebswirtschafterin Büro-Chefin. Eine ideale Kombination, wissen die beiden nach Jahrzehnten der Zusammenarbeit. Acht Mitarbeiter beschäftigt der Traditionsbetrieb. DieAuftragslage ist gut – „und das seit 40 Jahren“, schaut das Ehepaar zufrieden auf die wirtschaftliche Lage. Viele der heutigen Mitarbeiter waren zuvor Lehrlinge von Metallbau Kehl und sind geblieben. Ein gutes Zeichen. Geländer, Treppen, Türen, Tore … alles, was sich ausMetall fertigen lässt,wirdhier erdacht, entworfen, gebaut und montiert. „Vor kurzem waren es über 100 Balkone an einem Altenheim im Saarland. Doch normal ist Kundschaft in der Region“, gibt Heiko Kehl, der schon mit jungen 23 Jahren zu Meisterehren kam, einen Einblick in den Geschäftsalltag. Dochwie ist das,wennmanVerantwortung trägt für ein 399 Jahre altesUnternehmen? Zittertman jedenMorgenauf demWegzur Arbeit? „Ach was, da denkt man gar nicht dran“, erzählt der zwölfte Nachfahre des FirmengründersPhilipp Jakob. „Anschließend hießen sie alle Philipp, selbst mein Vaterwar einPhilippKarl. Ichbinder erste Nicht-Philipp.“ Eine kleine Revolution in 355 Kehl-Jahren. Natürlich haben sich der Betrieb wie auch dieBearbeitungsverfahrenundTechniken verändert, dieBerufsbezeichnung ebenso. Ein Umzug von Staudernheim nach Bad Sobernheim gehört ebenso zur Firmenchronik. Die Frage, ob man als Kind einer so geschichtsträchtigen Familie überhaupt eine Chance hat, etwas anderes zu werden als Schmied,wirdzügigabgehakt. „Wir haben Kontakt: Metallbau Kehl Tel. 06751 2531 www. metall-baukehl.de Arbeiten gemeinsam im 399 Jahre alten Familien- unternehmen: Jan, Heiko und Sabine Kehl (von links). Der „Lehrling“ ein Politikum und neue Rekorde bei der Ausbildung im Kammerbezirk Als„absolutenBlödsinn“beschreibtderdamaligeCDU-Fraktionsvorsitzende imDeutschen Bundestag, Dr. Helmut Kohl, dieEntscheidung, inGesetzenundVerordnungendenBegriff „Lehrling“ abgeschafft und gegen „Auszubildender“ ersetzt zu haben. „Ich habe zu meiner angenehmen Überraschung festgestellt, dass auch Bundeskanzler Helmut Schmidt diese Meinung teilt – was ja nicht immer der Fall ist.“ Man solle wieder zum guten alten Lehrling zurückkehren, mahnt Kohl. Die wirklichen Probleme bei der Ausbildung Jugendlicher ergeben sich aus einer Verschiebung im Verhältnis offener LehrstellenzuAusbildungsinteressierten.Handwerksbetriebe suchen hängeringend Nachwuchs – und das, obwohl zu Jahresbeginn 1980 mit 17.517 Ausbildungsverhältnissen ein neuerRekord inder 80-jährigenGeschichte derHwKerreicht wird.DochdieZahlderAbgängerausHaupt-undRealschulen wird in den nächsten Jahren deutlich fallen von bundesweit 850.000 (1980) auf prognostizierte484.000 (1992).Was auch mit dem Königsweg Abitur zusammenhängt. Lehrer- wie auch Elternschaft gleichermaßen drängen den Nachwuchs in diese Richtung, was Folgen für die Abgänger aus Haupt- und Realschulen hat. Und: es gibt immer weniger deutsche Kinder, zeitgleich steigt die Zahl ausländischer Kinder. „Bis 1995 wird der Anteil ausländischer Jugendlicher von derzeit sieben auf 20 Prozent steigen“, gibt die HwK einen Ausblick auf die weitere Entwicklung. Da ist es naheliegend, diese Gruppe für das Handwerk zu gewinnen. Entsprechend bietet die HwK in ihren Berufsbildungszentren Möglichkeiten an, in Handwerksberufe hineinzuschnuppern. Parallel nimmt die „Pädagogische Anlaufstelle“ (PA) innerhalb der HwK ihre Arbeit auf. Als Nahtstelle zwischen Schule und Wirtschaft informiert sieSchülerwieLehrerüberdasHandwerkundseine Berufswelt. Mit der PA beschreitet die Koblenzer Kammer Neuland, denn die ist und bleibt bundesweit einzigartig und einwirkungsvolles Instrument, umdieNachwuchsgewinnung breit und verlässlich abzusichern. Und auch die „Hardware“ wird in Sachen Ausbildung erweitert, denn imKoblenzer Industriegebiet Rheinhafenwie auch in Bad Kreuznach (Spatenstich im Dezember) sollen neue BerufsbildungszentrenderHwKentstehen.Mitder„Akademie des Handwerks“ will die HwK zusätzlich ein akademisches Angebot schaffen, das zum einen das Fortbildungsangebot der HwK bündelt, zum anderen aber auch einen eigenen Studiengang mit dem Abschluss „Betriebswirt des Handwerks“ anbietet (sowohl die Akademie wie auch der Betriebswirt werden realisiert). Die Kammer will damit insbesondere das Bildungsstreben junger Handwerksmeister bedienen. DiejüngsteMeistergenerationstehtam27.Mai imMittelpunkt. Im Rahmen der großen Meisterfeier mit Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel als Festredner werden 600Meisterbriefe überreicht. 1.500 Gäste sind der Einladung in die Rhein-Mosel-Halle gefolgt. Ebenfalls eine Meisterleistung: Mit der 26-jährigen Marlies Schneiders aus Poltersdorf imKreis Cochem legt erstmals in der HwK-Geschichte eine Frau die Meisterprüfung im Elektroinstallateurhandwerk ab. Und auch in der Ausbildung sind junge Frauen auf demVormarsch – quantitativwie auch qualitativ.Denn ihreErfolgsquotebei derAbschlussprüfung liegt bei 90,2, die der männlichen Kollegen bei 86,7 Prozent. Von den14.452beiderHwKeingetragenenBetriebenwerden1.201 in 55 unterschiedlichen Handwerksberufen von einer Frau geleitet – das sind 8,3 Prozent aller HwK-Mitgliedsbetriebe. Im Sommer 1980 wird erstmals eine Koblenzer Wirtschafts- undVerbraucherausstellungunterMitwirkungdesHandwerks organisiert. 500 Aussteller und 100.000 Besucher lautet die beeindruckende Bilanz nach neun Tagen. Die Entscheidung, imZweijahresrhythmus eine solche Veranstaltung fortzusetzen, ist folgerichtig. Es ist die Geburtsstunde der „MESSE AM RHEIN: Handwerksmesse Koblenz“, die ab 1987 unter Regie der HwK durchgeführt wird. Kehls Jahrhundertding Jahr 1980 14
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