Handwerk Special Nr. 223 vom 13.10.2018

Motorrad-Maler 1958 Wenn Helmut Heymann über sein Leben, über sein Handwerk und das Familienunternehmen spricht, schwingt Freude in der Stimme mit und strahlt das Gesicht Stolz und Glück aus. Ein Ge- spräch mit dem 83-jäh- rigen Malermeister aus Geisig im Rhein-Lahn- Kreis ist eine spannende und auch sehr persön- liche Zeitreise. Helmut Heymann: 60 Jahre Meister und seine Erfolgsstory Gelungene Integration Drei Jahre hat er im Autolackierzentrum am Mittelrhein in Koblenz eine Lehre zum Fahr- zeuglackierer gemacht. Sein Gesellenbrief ist beispielgebend. Von fünf abzulegenden Prüfungen schloss er vier mit der Note „Sehr gut“ und eine mit „Gut“ ab. Besonders beeindruckt die sehr gute Leistung in Wirtschafts- und Sozialkunde. Ägyptischer Fahrzeuglackierer Awad: Abschluss mit Bestnoten Diamant-Meister im Porträt / Ausbildung mit Spitzenergebnis Nr. 223 13. Oktober 2018 www.handwerk-special.de 9 1935 geboren, erreicht Helmut und die Familie Heymann 1943 die Hiobsbotschaft von der Front: Vater Karl gilt als vermisst. Der damals 8-jährige Helmut und sein gerade einmal drei Jahre alter Bruder Herbert wachsen fortan ohne Vater auf. Doch auch wenn Karl Heymann nur 33 alt wurde, so hinterließ er doch markante Spuren. 1934 gründete er in Geisig mit 24 Jahren ein Malerunternehmen, das nach seiner Einberufung zur Wehrmacht ruhte. Neustart mit Vater Karls Maler-Erbe 1958 Nach Kriegsende schlugen sich die Heymanns um Mutter Rosa durch. Sohn Helmut trat beruflich das Erbe seines Vaters an und erlernte das Maler- und Anstreicherhandwerk. 1958 folgt die Meisterprüfung, dann die Wiederaufnahme des Fa- milienbetriebes. Mit Motorrad und Anhänger rollte das mobile Malergeschäft mit Jungmeister Helmut am Steuer übers Land zudenKunden.„Meistenswaren es kleine Aufträge, selten eine größere Renovierung.“ Bald wird der erste Geselle (Edwin) eingestellt. Das liegt 60 Jahre zurück. Wenn Helmut Heymann heute durch das Unternehmen mit seinen mehr als 100 Mitarbeitern geht, muss er Zeit mitbringen. Nicht nur die Größe der Hallen in Nastätten ist beeindruckend, sondern auch die Inhalte. Wer- betechnik,Malerarbeiten,Innen- raumgestaltung,Kfz-Karosserie- und Lackierarbeiten vom PKW bis zum Reisebus oder LKW – Heymanns bieten alles. Die neueste Halle für Lackier- arbeiten im PKW-Bereich ist ein Technik-Eldorado. Riesige Flachbildschirme zeigen an, welches Auto wo in welchem Stadium und durch wen bear- beitet wird. Mobile Hebebüh- nen lassen Fahrzeuge wie von Geisterhand durch die Halle schweben. Die Werkstatt der Zukunft, und mitten drin der 83-jährige Helmut Heymann als „Altvorderer“. Doch der zeigt sich interessiert am Werk der Nachfahren, lässt sich die Innovationen erklären und agiert auf Augenhöhe mit den Kindern, Nichten, Neffen, Enkeln. Mit Jens Heymann steht bereits die vierte Generation im Unternehmen. Was Opa Helmut sichtlich stolz macht und auch zufrieden. „Es ist natürlich schön, wennman etwas geschaf- fen hat was fortbesteht, was sich weiterentwickelt.“ Gedanken, in die er den Vater einschließt, der einst nach der Weltwirtschaftskrise unter- nehmerischen Mut zeigte und anpackte. Da konnte niemand ahnen, dass aus dem Einmann- betrieb ein Mittelständler mit mehr als 100 Mitarbeitern wird. Ein Stück Familiengeschichte, an dem Helmut Heymann kräf- tig mitgeschrieben hat – vor 60 Jahren als Jungmeister. Jetzt hält er den Diamant-Meisterbrief in Händen, den er im Rahmen der Altmeisterfeier bei der Handwerkskammer Koblenz erhalten hat. Mit dem Motorrad übers Land: Malermeister Helmut Heymann mit dem ersten Gesellen Edwin. Helmut Heymann mit Enkel Jens im neuen Pkw- Lackierbereich, Nastätten. Abdelmesih Awad kommt ausÄgypten.MitdemErfolg in diesem Fach hat er seinen starken Willen, sich mit den Gesetzen und Werten in Deutschland zu identifi- zieren, einmal mehr unter Beweis gestellt. „Ich habe sehr viel gelernt und immer wieder nachgefragt, weil ich es so wollte. Wer in einem Land leben und arbeiten möchte, muss dieAbläufe in der Gesellschaft kennen und wissen, was den Rechtsstaat ausmacht“, schätzt er ein. Jetzt istAwadzuRecht stolz. Mit ihm freuen sich auch die drei Geschäftsführer der 1985 gegründeten Firma, Dr. Manfred Oertel, Patrik Fröhlich und Mark Scher- hag.Der jungeÄgypterwur- de unbefristet eingestellt. „Ich habe sehr viel Hilfe bekommen. So wurde ich beispielsweise beimBesuch der Vorbereitungskurse auf die Gesellenprüfung bei der Handwerkskammer (HwK) Koblenz finanziell unter- stützt. Besonderswichtig für mich war der menschliche Umgang mit den Kollegen, die Teamarbeit. Ich wurde aufgenommen und habe mich willkommen gefühlt. Das fing bei meinen Chefs an“, so Awad. DerDreißigjährige lebt seit 2013 in Deutschland. Er sprach kein Wort Deutsch, war aber von Anfang an bestrebt, sich zu in- tegrieren. In seinemHeimatland sahderkoptischeChrist,dernach 13-jährigem Schulbesuch auch ein Diplom als Kfz-Mechaniker erworben hat, keine Zukunft für sich. „Schikane, Diskrimi- nierung, Mord und Totschlag: Für Christen wurde das Leben in Ägypten unter Mohammed Mursiimmerschwerer.Dahaben mein Bruder und ich uns ent- schlossen, in ein friedliebendes christliches Land zu gehen. Uns war klar, dass wir zuerst die Sprachelernenmüssen,wennwir irgendwo ankommenmöchten“, erzählt er. Nach mehreren Sta- tionen kamen die Brüder Awad nach Koblenz. Die Mutter und vier Geschwister leben noch in der Heimat. „Manchmal tut es weh, und Sehnsucht ist immer irgendwie da.“ Abdelmesih bekam die Chance sowohl im Autohaus Scherhag, als auch imAutolackierzentrum amMittelrhein ein Praktikumzu absolvieren. Die Aufgaben des Fahrzeuglackierers sprachen ihn sehr an. So entschloss er sich, diesen Beruf von der Pike auf zu lernen. Seine Pläne für die Zukunft? „Ich nehme den Meisterbrief in Angriff. Aber erst einmal mache ich den Führerschein. Heute ist Prüfung“, lacht er. Autolackierzentrum Mittelrhein GmbH, Koblenz Gegr. 1985 | 8 Mitarbeiter | Kfz-Lackierarbeiten | Tel. 0261/ 947 220 E-Mail: azmkoblenz@web.de Dr. Manfred Oertel (Ford Store Foerster; von links), Patrik Fröhlich (Fröhlich Mobile), Abdelmesih Awad und Mark Scherhag (Autohaus Scherhag), die drei Geschäftsführer des Autolackierzentrums Mittelrhein in Koblenz. Fotos: privat

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