Handwerk Special Nr. 222 vom 15.09.2018

„Frauen im Handwerk“ Mit ihrer Bachelor-Arbeit „Frauen im Handwerk – Legitimation und He- rausforderungen in einer männerdominierten Welt“ hat Celine Krautscheid an der „WHU – Otto Beis- heim School of Manage- ment“ in Vallendar nicht nur eine gute Note (1,7) eingefahren. Inhaltlich hat die 22-jährige gebürtige Westerwälderin Themen- felder bearbeitet, die bis- her kaum oder gar nicht untersucht wurden. Bachelor-Arbeit von WHU-Absolventin Celine Krautscheid Bäckerinnen aus Spanien in der Eifel „Wir haben uns auch jenseits von Worten ver- standen, weil die Chemie zwischen uns gestimmt hat“, so Bäckermeister Rolf Genn aus Wehr. Der Obermeister der Bä- cker-Innung des Kreises Ahrweiler hat drei Monate zwei Praktikantinnen von einer Bäcker- und Kondi- toreifachschule im spa- nischen Valencia betreut. Das dreimonatige Praktikum war für die 19-jährige Diana Leon und die 23-jährige Este- faniaMorcilloBestandteilihrer Ausbildung. Der Kontakt zwi- schendenSpanierinnenundder Bäckerei Genn kam durch die Mobilitätsberatung (Mobira) derHandwerkskammer(HwK) Koblenz zustande. Inzwischen ist das Praktikum zu Ende. Alle haben die durch die Sprachbarriere eingeschränk- te Kommunikation bedauert, bewerten die Zeit trotzdem als einen großen Gewinn. „Wir würden es immer wieder tun“, so der rührige Bäckermeister. DieMobira der HwKKoblenz wird durch das Bundesmini- sterium für Wirtschaft über das Programm Berufsbil- dung ohne Grenzen gefördert und bietet Berufspraktika in Finnland, Italien, Irland und Spanien an. Aufenthalte nach Frankreich, Großbritannien, Österreich und in 29 weitere europäische Länder können individuell organisiert wer- den. Bereits 2017 hatte der Bä- ckermeister aus Wehr einen spanischen Praktikanten in seiner Backstube. Sie pflegen weiterhin Kontakt. Auch ein LehrlingausderBäckereiGenn schnupperte in Valencia. „Rund100 Jugendliche aus un- seremKammerbezirksindjähr- lichzumLehrlingsaustausch in Europa unterwegs. Siemachen sich schon während der Lehre für die Anforderungen einer globalisierenden Wirtschaft fit.Auslandspraktika erweitern den Horizont der Handwerks- lehrlinge. SiegewinnenSelbst- vertrauen und die Betriebe steigern ihre Attraktivität als Ausbildungsbetrieb und Arbeitgeber“, betont Bernd Hammes, Geschäftsführer der HwK Koblenz. „WirtunetwasfürunsereLehr- linge“, so Frank Wershofen, Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft (KHS) Ahrweiler. Er verweist darauf, dass die KHS zusammen mit derVolksbankRheinAhrEifel, den Auslandsaufenthalt von Lehrlingen aus dem Kreis mit 500 Euro unterstützt. „Internationale Erfahrung und interkulturelleKompetenzsind für junge Leute sehr förderlich beim Berufseinstieg. Was für Studenten schon fast selbst- verständlich ist, sollte auch im HandwerkSchulemachen“, so Wershofen. Auch für junge Gesellen, Ausbilder und Unternehmer im Handwerk organisiert die Mobilitätsberatung geförderte Erkundungsreisen in die Part- nerländer. Die Aufenthalte werden gefördert durch das Programm Erasmus+ der Eu- ropäischen Union. Informationen zu Aus- tauschprojekten bei der HwK- Mobilitätsberatung: Petra Laudemann (Tel. 0261/ 398-337), Heike Gröbel (Tel. 0261/ 398-331) und Juliane Klein, Tel. 02742/ 911 157, mobira@hwk-koblenz.de Bachelorarbeit zu „Frauen im Handwerk“ / Lehrlingsaustausch Nr. 222 15. September 2018 www.handwerk-special.de 5 Wie wirken Frauen hinein in die „Männerwelt Handwerk“, die sich über ein sozial definiertes Umfeld darstellt? Welche Rolle spielenFrauen inHandwerksbe- trieben als Konfliktmanagerin, als Mutter, Ehefrau und An- sprechpartnerin für die Mitar- beiter?Wieschwergestaltensich ihre Wege hinein ins Handwerk und wie stark ist die Akzeptanz unter den Kollegen? Celine Krautscheid kommt zu interessanten Ergebnissen, die sie wissenschaftlich über die Auswertung vorhandener Li- teratur bearbeitet hat wie auch über Gespräche mit Frauen in der Männerdomäne Hand- werk – und zwar dort, wo Frauen eher die Ausnahme sind. Kfz-Werkstätten, Metallbauun- ternehmen, Fliesenlegerbetrieb oder Dachdecker- und Gerüst- bauunternehmen mit Chefin wurden gezielt angesprochen – „und alle Frauen haben sofort ihre Unterstützung für meine Bearbeitung zugesagt!“, freut sich dieWHU-Absolventin über Offenheit und Auskunftsfreude der Handwerkerinnen. Galt die Tochter des Chefs und potentielle Nachfolgerin früher eheralsfamiliäresAnhängseldes eigentlichen Geschäftsführers, hat sich diese Wahrnehmung stark gewandelt. Der Schlüs- sel, so hat Celine Krautscheid herausgefunden, liegt in einer gutenAusbildung,Qualifikation und Kenntnis innerbetrieblicher Abläufe. „Diese Vorausset- zungen haben dazu geführt, dass die Handwerkerinnen früh Verantwortungübernehmenund so aktiv in Führungsaufgaben eingebunden sind.“ Nicht nur die Akzeptanz unter den Mitarbeitern ist gestiegen, auch die Kunden haben sich längst an die Chefin in der Au- towerkstatt oder im Bauunter- nehmen gewöhnt. Zumal diese Frauen oft überdurchschnittlich gute Ergebnisse in Ausbildung oder Meisterprüfung erzielen. Die Handwerkskammer (HwK) Koblenz hat in den vergangenen Jahren immer wieder die besten Meisterabschlüssein–eigentlich typischen – Männerberufen an Frauen überreicht. Elektriker, Kfz-Techniker oder Straßenbau- er sind Beispiele dafür. Mit sozialer Kompetenz und einem „Händchen“ für die menschlich-betrieblichen Ab- läufe punkten die Frauen zu- sätzlich. „Sie haben frühzeitig die Not- wendigkeit erkannt, das Unter- nehmen in allen Details kennen- zulernen. Die Gewinnung des Vertrauens von Schlüsselmitar- beitern, die bereits seit längerem im Betrieb tätig sind, wurde als wichtiger Erfolgsfaktor für ihre Führungssituation angesehen.“ Also nichtMachtkämpfe gegen- einander, sondern ein gemein- sames Gestalten miteinander, was zu wirtschaftlichem Erfolg und zur reibungslosen Betriebs- übernahme führt. Auf 41 Seiten und in englischer Sprache hat Celine ihre Er- kenntnisse zusammengefasst. „Spannend war natürlich die Frage, ob sich übliche Klischees wissenschaftlicherklärenlassen, ob sie überhaupt haltbar sind“, nenntsieeinenwichtigenAnsatz. Die Integrationsfähigkeit und Flexibilität sei überdurchschnitt- lich hoch, „doch auch ein dickes Fell muss frau mitbringen.“ Frauen im Handwerk – dem Thema steht Celine Krautscheid auchfamiliärnahe.VaterKurtist Präsident der Handwerkskam- merKoblenzund selbstständiger Dachdeckermeister inNeustadt/ Wied in zweiter Generation. Mutter Sabine organisiert im Büro alle Abläufe. Bleibt die Frage, ob sich Celine den Einstieg imFamilienbetrieb vorstellenkann? „Grundsätzlich ja. Ich werde nun in London bei einemFinanzdienstleistungsun- ternehmen arbeiten und weiter Erfahrungen sammeln. Doch sollte der Familienbetrieb rufen, werde ich nicht weghören ….“. Celine Krautscheid (rechts) mit ihrer Bachelor-Ar- beit, für die sie auch Annette Hue, selbstständige Kfz-Meisterin aus Mülheim-Kärlich, befragte. Gelebte Berufsbildung ohne Grenzen. Kreishandwerksmeister Frank Wershofen (von links), Bäckermeister Rolf Genn, Diana Leon, Estefania Morcillo, HwK-Ge- schäftsführer Bernd Hammes (hinten) und Mobilitätsberaterin Petra Laudemann freuen sich über ein glückliches Praktikum.

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