Handwerk Special Nr. 220 vom 15.06.2018

Nachgefragt bei Kurt Krautscheid Ein Studiengang für Friseure? Digitales Handwerk – von der Darstellung hand- werklicher Leistun- gen über die Auf- tragsabwicklung, Fertigung bis zum Vertrieb? Was noch vor einigen Jahren eher nach Zukunfts- musik klang, ist längst Realität. Die Durchlässigkeit der Bildungssysteme, „Handwerk-Studi- um“ eingeschlossen, hat sich starkweiter- entwickelt, dieDigi- talisierung schreitet rasant voran. Was das Handwerk für Jugendliche immer attraktiver macht: Herr Krautscheid, warum ein Bachelor-Studiengang für Friseure? Wir haben uns im Vorfeld sehr gründlich zusammen mit den Partnern vom Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks und von der Steinbeis Business Academy überlegt, wie wir die- sen Studiengang aufbauen, welchen unverzichtbaren Mehrwert er bringt und wer unsere Zielgruppe ist, die unmittelbar davon profitiert.Was entstanden ist und nun durch elf Teilnehmer belegt, verbindetwissenschaftliche,wirtschaftlicheund fachlicheAspekte mit besonderen Merkmalen. Inhaltlich ist das also ein deutliches Plus im Vergleich zu anderen fachlichen Qualifikationen. Doch wir haben einen weiteren Ansatz verfolgt und wollen Friseure von ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen abholen. Der Studiengang wendet sich anMeister genauso wie an Abiturienten, die eine Friseurausbildung, anschließende Meisterqualifikation, Stylisten-FortbildungunddasStudiumineinemabsolvierenwollen. Wir bietenalso Interessenten individuell konzipierteLösungenund erhöhen so natürlich die Attraktivität des Studienganges. Für die Attraktivität des Handwerks stehen auch moderne Verfahren, insbesondere im Sektor Digitalisierung. Wie lautet hier ihre Botschaft an Jugendliche? Die Digitalisierung ist längst in allen Bereichen des Handwerks angekommen. Jugendlichewerdendasauchsehr schnell feststellen, wennsiesichmitBetriebenundihrenKommunikationsplattformen, Fertigungs- und Vertriebskanälen beschäftigen. Insofern lautet meine klare Botschaft: Hingehen, hineinschauen, selber erfahren! Ein Praktikumhilft, Unternehmen und ihre inneren Abläufe – auch die digitalen – kennenzulernen. Ein Praktikum hilft natürlich auch, die fachlichen und menschlichen Ebenen zu beurteilen. Handwerk ist nicht anonymund die Betriebsgrößen einGarant für Teamarbeit und unmittelbaren Austausch – über soziale Netzwerke hinaus ... Lassen sich Jugendliche davon anstecken? Wie sieht die Ausbildungssituation momentan aus? Die Ausbildungssituation ist grundsätzlich gut, die Zahlen neu abgeschlossener Lehrverträge liegen auf Vorjahresniveau. Sehen wir das Gesamtpaket, lassen sich Jugendliche bei der Berufswahl durchaus vom Handwerk überzeugen – quer durch alle Schul- abschlüsse. Die Möglichkeiten, über die Ausbildung hinaus zu planen, haben sich in den letzten Jahren stark verbessert. Mit dem Meisterbrief zu studieren, ist längst normal. Oder auch die Förderinstrumente, mit demMeisterbrief in die Selbstständigkeit zu starten. Hier hilft der HwK-Beratungsservice – von der Prak- tikumssuche bis zur Selbstständigkeit. HwK-Präsident Kurt Krautscheid. Foto: Fotostudio Reuther Studiengang für Friseure Sie kommen aus ganz Deutschland, sind hoch motiviert und überzeugt, dass sich für sie beruflich viele Türen öffnen werden. Elf junge Leute, darunter ein Mann, sind die ersten Teilnehmer eines bundesweit einzigartigen Studiengangs für Friseure. Die Handwerkskammer (HwK) Koblenz, der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks (ZV) und die Steinbeis Business Academy (SBA) Berlin haben diesen staatlich und international anerkannten Studiengang im Friseurhandwerk entwickelt. Das Studium dauert 36 Monate. HwK, SBA, Zentralverband: bundesweit einzigartige Fortbildung Premiere in Koblenz / Interview mit Präsident Krautscheid Nr. 220 15. Juni 2018 www.handwerk-special.de 3 Parallel zur beruflichenTätigkeit finden Seminare der Steinbeis Hochschule in der Handwerks- kammer (HwK) Koblenz statt. Dabei sind Präsenzseminare und selbst gesteuerte Lern- phasen sorgfältig aufeinander abgestimmt und individuell bestimmbar. Emily Schroeder ist zum Stu- dienbeginn von Hamburg nach Koblenzgekommen.Die24-jäh- rige Friseurmeisterin ist in der Hansestadt als Art Stylistin selbstständig. „Ich werde für professionelle Fotoshootings im Make-up-Bereich gebucht“, sagt sie. „Das Studium schafft mir neue Räume für die be- rufliche Selbstverwirklichung. Ich träume von einem eigenen Salon im großen Stil. Auch eine Tätigkeit im Management der haarkosmetischen Industrie und Beautybranche kann ich mir gut vorstellen.Dafür genügt esnicht, nur kreativer Experte zu sein. Kaufmännisches Know-how ist unentbehrlich“. Ganz ähnlich denkt auch Fri- seurmeister Valentin Haier aus Rivenich in der Verbandsge- meindeWittlich. Der 27-Jährige ist selbstständigundmöchteneue wirtschaftliche Zusammenhän- ge erkennen. Die Verbindung von Wissenschaft, Wirtschaft, Fachwissen und Fachkönnen reizt ihn am Studium. Für ihn steht der Titel Bachelor „Beau- ty-Management“ vor allem für ein fokussiertes Betriebswirt- schafts-Studium in unserem Handwerk. Deshalb werde ich in drei Jahren sehr stolz sein, wenn ich es geschafft habe und Bachelor bin.“ „Ich investiere in mich selbst. Was immer mir die berufliche Zukunft auch bringt, es wird et- was Gutes sein“, ist Friseurmei- sterin Julia Goray aus Koblenz sicher. Die 39-Jährige kann sich vorstellen, auch international zu arbeiten. „Es ist nie zu spät, neue Wege zu gehen. Natürlich muss man eine optimale Basis haben. Dafür ist man allein verantwort- lich. Es ist gut,Meisterin zu sein, aber ich möchte noch mehr.“ Die Zusammenarbeit von Zen- tralverband und HwK Koblenz im Bundesleistungszentrum des Friseurhandwerks „Haare & mehr“ im Zentrum für Ernäh- rung und Gesundheit (ZEG) in Koblenzhat durchdieKooperati- onmit der Steinbeis Hochschule (SHB) eine neue Stufe erreicht und die Weiterbildungspalette nun auch akademisiert. Der Studiengang vermittelt betriebswirtschaftliche Hand- lungskompetenz und aktuelles branchenspezifisches Exper- tenwissen. Er richtet sich insbesondere an Friseurmeister, aber auch an In- teressierte ohne Meistertitel, je- doch mit Hochschul- oder Fach- hochschulreife. Abiturienten können die Friseurausbildung, -meister, Stylisten Fortbildung und dann das Studium in einem abschließen. KurtKrautscheidundAlexander Baden, Präsident und Hauptge- schäftsführer derHwKKoblenz, sehen in dem Studiengang eine „neue berufliche Perspektive für junge Menschen“. „Die in- dividuelle Karriere verläuft auf der Basis einer fundierten handwerklichen und unterneh- merischen Qualifikation. Wir wünschen den Teilnehmern des erstenStudiengangsvielErfolg!“ Mehr Informationen zum Studiengang und zu weiteren Bildungslehrgängen bei der HwK Koblenz, Tel. 0261/ 398- 321, bildung@hwk-koblenz. de, www.hwk-koblenz.de . Die Teilnehmer des ersten Studiengangs für Friseure und Vertreter der HwK Koblenz wie auch der Steinbeis Business Academy, Berlin. Die „Wirtschaftsmacht von nebenan“ zeigt sich modern und bietet zahlreiche Karrierechancen.

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