Handwerk Special 110 vom 04.03.2006


Die Urknall-Fahndung

Dr. Heinz Georg Thomas über das Paradies für Kernforscher

Der Genfer See ist bekannt für seine schöne Landschaft, ein beschauliches Leben an seinen Ufern, verbunden mit einem gehobenen Lebensstandard. Doch nicht weit vom Ufer entfernt und in über 100 Metern Tiefe liegt eine andere Welt.

Foto: Kernphysiker und Handwerker Dr. Heinz Georg Thomas (2.v.l.) bei der Montage seiner Detektoren.
Kernphysiker und Handwerker Dr. Heinz Georg Thomas (2.v.l.) bei der Montage seiner Detektoren.
Foto: Hochpräzise und superempfindlich: Detektoren zur Messung atomarer Kollisionen aus Montabaur.
Hochpräzise und superempfindlich: Detektoren zur Messung atomarer Kollisionen aus Montabaur.

Mehrere tausend "Fahnder" sind auf der Suche nach den Grundprinzipien unseres Universums, der Frage, was nach dem Urknall geschah und wie sich die Ausgangsmaterie bis zum heutigen Tag weiterentwickelte. Keine alltäglichen Fragen an einem nicht alltäglichen Ort. CERN heißt das Paradies für Wissenschaftler, vorzugsweise aus dem Bereich der Kernphysik.

Die 1954 gegründete "Europäische Organisation für Kernforschung" hat heute 20 Mitgliedsstaaten und ist weltweit führend in der Teilchenphysik. Eines der ehrgeizigsten Projekte, dessen sich die menschliche Forschung je angenommen hat, entsteht momentan in einem unterirdischen, 27 Kilometer langen Kreisoval, das unter der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich verläuft. Ein "Super-Teilchenbeschleuniger" soll Protonen oder Atomkerne mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinander schießen. Untersuchungen über die zerplatzten Elementarteilchen sollen Einblicke in die Grundstruktur der Materie geben.

Fahnder aus Montabaur weltweit im Einsatz

Einer, dessen Augen bei diesem Thema glänzen, ist in Montabaur zu Hause. Ein "Heimspiel" für Kernphysiker Dr. Heinz Georg Thomas, der zu den Forschern gehörte, die regelmäßig im CERN ein- und ausgehen. Die von ihm gebauten Instrumente liefern Messergebnisse während und nach der atomaren Kollision. "Nicht an dem Superteilchenbeschleuniger, doch bei Experimenten an kleineren Anlagen für niedrigere Kollisionsenergien."

Dr. Thomas, bei der HwK Koblenz über eine Ausnahmegenehmigung als Elektrotechniker eingetragen, baut Detektoren. Sie messen die freigesetzte Strahlungsenergie und stellen sie in verschiedenen Spektren bildlich dar. Er ist weltweit tätig und führend in diesem speziellen Bereich. Ca. 25 Detektoren baut der Physiker und Handwerker in reiner Handarbeit. Mit seinem Wissen steht er nicht nur für Entwicklung und Bau, sondern auch für die Einrichtung und Schulung vor Ort.

Was bringt uns die Forschung?

Nachgefragt bei Dr. Heinz Georg Thomas, Kernphysiker und Handwerker, zur CERN-Forschung

"CERN und der neue Teilchenbeschleuniger sind auf der Suche nach den Urbausteinen der Materie. Ob die Forschung ihre Vision erreichen wird - man weiß es nicht. Vielleicht nicht, vielleicht steht man plötzlich hinter der Ziellinie und sieht eine neue Herausforderung. Wichtig werden auf jeden Fall die 'Abfallprodukte' dieser Grundlagenforschung sein - und diese Abfallpipeline wird sicher gut gefüllt sein. Sie werden den Boom in der kernphysikalischen Instrumentierung weiterführen und reichen von der Medizintechnik bis zu Sicherheitsanlagen wie Flughafenscannern. Sie werden die Serie der Randprodukte fortsetzen, die von hier die Welt veränderten. So erfanden Physiker 1991 aus einer Notlage heraus das world wide web. Für den Austausch riesiger Datenmengen, die bei der Forschung anfielen, kam man auf den Transportweg Internet. Eine Entwicklung, ohne die unser Alltag heute völlig anders aussehen würde."

Steckbrief: CTT Thomas, Montabaur
1999 gegründet - Entwicklung und Fertigung von Messgeräten zum Nachweis radioaktiver Strahlung - Tel.: 02602/ 9979345