Handwerk Special 110 vom 04.03.2006


Handwerk formuliert Erwartungen an Politik

12 Punkte zu Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum

Im Vorfeld der Landtagswahlen am 26. März 2006 formuliert das rheinland-pfälzische Handwerk Erwartungen an den neuen Landtag.

Auf einen Blick: 12 Bausteine einer "Politik für Wachstum und Beschäftigung"

Die rheinland-pfälzischen Handwerkskammern haben ihre Empfehlungen an die Politik in 12 Punkten zusammengefasst:

  1. Demografische Herausforderung gestalten
  2. Bürokratische Belastungen reduzieren
  3. Schlanke staatliche Strukturen schaffen
  4. Investitionsfähigkeit des Handwerks fördern
  5. Innovation und Umwelt: Chancen nutzen
  6. Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern
  7. EU-Fördermittel zukunftsorientiert und nachhaltig einsetzen
  8. Aufträge mittelstandsfreundlich vergeben
  9. Sicherung der Zukunftsfähigkeit durch bildungspolitische Weichenstellungen
  10. Überregionale Verkehrsinfrastruktur verbessern
  11. Tourismus ausbauen / Kultur fördern
  12. Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung bekämpfen

"Wir haben klare Vorstellungen, wie die Politik Grundlagen für einen stärkeren wirtschaftlichen Aufschwung schaffen kann", äußern Präsident Karl-Heinz Scherhag und Hauptgeschäftsführer Dr. h.c. mult. Karl-Jürgen Wilbert für die HwK Koblenz und verweisen auf eine entsprechende Schrift der vier rheinland-pfälzischen Handwerkskammern, in der diese Punkte zusammengefasst sind. Von den landesweit 47.000 Handwerksbetrieben haben 18.500 ihren Standort im Kammerbezirk Koblenz.

"Das Handwerk ist eine tragende Säule der rheinland-pfälzischen Wirtschaft. Mit rund 300.000 Beschäftigten stellt es rund ein Drittel aller Unternehmen. Im Handwerk werden etwa 35 % aller Lehrlinge ausgebildet", unterstreicht die Kammerspitze die herausragende Rolle des Handwerks bei Beschäftigung und Ausbildung. "Allein daraus ergibt sich, dass wir aus der Verantwortung für unsere Unternehmen heraus eine deutliche Positionierung gegenüber der künftigen Landesregierung formulieren. Wir wollen nicht gegen, sondern mit den politischen Entscheidungsträgern zur Verbesserung der Wirtschafts- und Beschäftigungssituation beitragen", so Scherhag und Wilbert. Rahmenbedingungen und Grundsätze einer mittelstandsorientierten Wirtschaftspolitik für Wachstum und Beschäftigung müssen sich aus Sicht des rheinland-pfälzischen Handwerks am bundesweiten demografischen Wandel, der ausufernden Staatsverschuldung, der hohen Arbeitslosigkeit und dem drohenden Kollaps der sozialen Sicherungssysteme orientieren.

Konkret nennt das Handwerk diese Punkte (gekürzt):

Demografische Herausforderung gestalten. Die demografischen Veränderungen stellen das Wirtschafts- und Sozialgefüge vor große Herausforderungen. Zentrale Aufgaben sind u.a. die Neuausrichtung der sozialen Sicherungssysteme, die Aufrechterhaltung einer angemessenen Versorgungsinfrastruktur.

Bürokratische Belastungen reduzieren. Mehr als 5.000 Gesetze und Verordnungen mit über 85.000 Einzelvorschriften belasten den Mittelstand. Ein Handwerksunternehmen wendet im Durchschnitt zwei Mannmonate pro Jahr ausschließlich für administrative Leistungen auf. Diese Bürokratie wirkt lähmend und belastet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Schlanke staatliche Strukturen schaffen. Ziel der Bemühungen um Deregulierung ist ein "schlanker Staat", der durch eine Politik der Haushaltskonsolidierung seinen Handlungsspielraum wiedergewinnt, der Selbstverwaltung der Wirtschaft mehr Raum öffnet. Das Handwerk erwartet, dass das Land seine eigenen Verwaltungsstrukturen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in diesem Sinne verschlankt.

Investitionsfähigkeit des Handwerks fördern. Die Finanzierungsgrundlagen im Handwerk verschlechtern sich seit Jahren. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote im rheinland-pfälzischen Handwerk ist auf unter 10 % abgesunken. Das Handwerk fordert deshalb ein Klein-Kreditprogramm ab einem Volumen von 2.500 Euro mit hoher Haftungsfreistellung.

Innovation und Umwelt: Chancen nutzen. Ein weiterer wichtiger Ansatz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des rheinland-pfälzischen Handwerks liegt in der Stärkung der Innovationskraft der Unternehmen. Die bisherigen Erfahrungen belegen, dass die einzelbetriebliche Technologieförderung des Landes in der Regel nur punktuell Handwerksunternehmen erreicht.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Um dem demografisch bedingten Mangel an Fachkräften zu begegnen, müssen die Rahmenbedingungen insbesondere für Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden. Berufliche und familiäre Verpflichtungen müssen besser in Einklang gebracht werden.

EU-Fördermittel zukunftsorientiert und nachhaltig einsetzen. Nach dem Finanzkompromiss um den zukünftigen Europäischen Haushalt zeichnet sich ab, dass die Gelder für die Mittelstands- und Innovationsförderung radikal zusammengestrichen werden. Daraus ergibt sich der Appell an die Landesregierung, EU-Finanzmittel stärker für zukunftsorientierte und nachhaltige Maßnahmen zur Förderung des Mittelstandes einzusetzen und die Federführung dem Wirtschaftsministerium zu übertragen.

Aufträge mittelstandsfreundlich vergeben. Der Anteil öffentlicher Aufträge am Gesamtumsatz im rheinland-pfälzischen Handwerk ist auf aktuell ca. 10 % gesunken. Verantwortlich dafür sind die angespannten öffentlichen Haushalte und dass die einschlägigen Vorgaben der VOB und VOL vielfach nicht eingehalten werden. In erster Linie muss deshalb über eine Haushaltskonsolidierung der Spielraum für investive öffentliche Ausgaben erhöht werden.

Sicherung der Zukunftsfähigkeit durch bildungspolitische Weichenstellungen. Die Pisa-Studien weisen Rheinland-Pfalz einen Mittelplatz zu. Schulabgänger sind zu einem wachsenden Anteil nicht ausbildungsfähig, in den Schulen fehlen Transparenz und Qualitätskontrollen, die Schul- und Studienzeiten dauern zu lange. Qualifizierte, motivierte und engagierte Mitarbeiter sind für das Handwerk der entscheidende Erfolgsfaktor. Es ist auf ein leistungsfähiges und effizientes Bildungssystem angewiesen. Vorrangiges Ziel der Bildungspolitik muss es sein, möglichst allen jungen Menschen die grundlegenden Kompetenzen für ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben in den allgemein bildenden Schulen zu vermitteln. Das duale Ausbildungssystem hat sich bewährt: Es sichert mit Handlungs- und Praxisorientierung eine breite Anwendbarkeit der erworbenen fachlichen und persönlichen Kompetenzen.

Überregionale Verkehrsinfrastruktur verbessern. Handwerk und Mittelstand sind auf gute Verkehrsanbindungen zu anderen Wirtschaftszentren angewiesen. Zu den prioritären Maßnahmen gehören der Lückenschluss der A1, die Fertigstellung des Mainzer-Rings, die B50 neu zwischen Wittlich und Simmern mit Hochmoselübergang u.a..

Tourismus ausbauen / Kultur fördern. Rheinland-Pfalz bietet ein reichhaltiges touristisches und kulturelles Potenzial. Gerade für die ländlichen Räume bestehen nachhaltige Entwicklungschancen. Das Handwerk regt deshalb an, dass einzelne Regionen gezielt für Entwicklung und Umsetzung von Tourismus- und Kulturkonzepten gefördert werden.

Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung bekämpfen. Beides zählt nicht zu den Kavaliersdelikten. Alleine im Jahr 2005 erreichte die Schwarzarbeit einen Anteil von 16 % des Bruttoinlandsproduktes. Knapp die Hälfte davon entfällt auf das Handwerk, vornehmlich die Bauwirtschaft. Das Handwerk regt an, durch eine Kampagne eine Bewusstseinsänderung in der gesellschaftlichen Bewertung der Schwarzarbeit herbeizuführen und konsequent alle gesetzlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung auszuschöpfen.

Hintergrund-Infos und der ausführliche Text unter www.hwk-koblenz.de