Handwerk Special 107 vom 15.10.2005


„Mehr an Bedürfnissen des Handwerks orientieren!“

Im Interview: HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag zur Regierungsbildung

HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag engagierte sich von 1994 bis 2002 als Bundestagsabgeordneter für die Interessen der Region wie auch die des Handwerks.
HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag engagierte sich von 1994 bis 2002 als Bundestagsabgeordneter für die Interessen der Region wie auch die des Handwerks.

Die Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel rückt näher. Politische Szenarien, die vor einigen Wochen nicht vorstellbar waren, ebenso. Doch Veränderungen bergen auch immer Chancen, eingetretene Pfade zu verlassen – so Karl-Heinz Scherhag, Präsident der Handwerkskammer Koblenz und von 1994 bis 2002 Mitglied des deutschen Bundestages. Im Interview geht er auf die Erwartungen des Handwerks an die neue Regierung ein und nennt die wichtigsten Aufgaben, die schnell angegangen werden müssen.

Herr Scherhag, die Konturen für eine kommende Bundesregierung zeichnen sich deutlich ab. Wie bewertet das Handwerk die Situation?

Die große Koalition ist schließlich die Entscheidung der Wähler. Da braucht man nichts hineindeuten oder heruminterpretieren. Die Politik musste das Wahlergebnis als das akzeptieren, was es unterm Strich ist: Die Wunschkonstellationen verschiedener Parteien waren nicht möglich, Kompromissfähigkeit und Flexibilität waren und sind in den Verhandlungen gefordert und werden auch Bestandteil der Regierungsarbeit sein.

Mit einer großen Koalition, die es bisher in der deutschen Politik nur einmal gab, verbinde ich auch Chancen. Mit einer energischen Wirtschaftspolitik konnte die damalige CDU/CSU-SPD-Regierung ökonomische Stabilität herbeiführen.

Warum sollte es nicht noch einmal die dringend notwendigen Impulse aus einer solchen Regierungskonstellation geben, damit der Konjunkturmotor deutlich vernehmbar wieder zum Laufen kommt. Was erwartet das Handwerk von der neuen Bundesregierung?

Wir werden alle Maßnahmen unterstützen, die dem Handwerk Wachstum und damit Beschäftigung bringen. Ein Blick auf den jüngsten Konjunkturbericht des rheinland-pfälzischen Handwerks zeigt deutlich: Das Handwerk hält sich bei Neueinstellungen und Investitionen in die Unternehmen zurück, weil die Verlässlichkeit und langfristige Planung durch die Politik nicht gegeben sind. Was wir dringend brauchen, ist eine deutliche Reduzierung der Lohnnebenkosten, eine strukturelle Reform des Steuersystems, die Zurückhaltung des Staates bei der Sanktionierung des Handwerks. Diese Forderungen sind nicht neu – um so mehr gelten sie auch für eine neue Bundesregierung. Das Handwerk zählte sicher nicht zu den Profiteuren von wirtschaftspolitischen Entscheidungen in den vergangenen sieben Jahren. Die neue Regierung wird sich aus Sicht des Handwerks auch daran messen lassen müssen, ob sie den Meisterbrief als wichtigstes Qualifikationsmerkmal des Handwerks stärkt und keine weitere Aushebelung der Handwerksordnung vornimmt.

Dennoch: Leicht wird die Aufgabe für die neue Regierung nicht. Befürchten Sie nicht, dass das Handwerk bei der hohen Zahl an gravierenden Problemen im abseits stehen wird?

Nein. Eines der größten Probleme, das schnell angegangen werden muss, ist die Arbeitsmarktpolitik. Und hier kommt niemand am Mittelstand und damit am Handwerk vorbei. Das gilt auch bei der Ausbildung. Ich sehe in mehr Beschäftigung den Schlüssel für eine Konjunkturerholung, denn mehr Arbeit bedeutet mehr Geld und mehr Konsum. Damit würde die lahmende Binnenkonjunktur endlich in Schwung kommen. Auch hier gilt: Die Stimmung bei den Bürgern ist angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Beschäftigungssituation in Deutschland nicht gut. Wir brauchen also deutliche positive Signale – auch und gerade aus der Politik. Ich denke, die neue Regierung wäre gut beraten, sich stärker an den Bedürfnissen des Mittelstandes zu orientieren.

Noch ein persönliches Wort: Sie sind CDU-Mitglied, waren acht Jahre Bundestagsabgeordneter. Was sagen Sie zu einer Frau auf dem Kanzlerstuhl?

Ich freue mich für Angela Merkel, mache aber die Bedeutung eines Politikers nicht an Frau oder Mann fest. Auch sie wird, wie alle ihre Vorgänger, an den Leistungen gemessen. Das weiß sie und deshalb glaube ich, wird sie einen guten Job machen.