Handwerk im Winter vom 20.11.2004


„Handwerk ist für die Zukunft gut aufgestellt!“

Karl-Heinz Scherhag, Präsident der Handwerkskammer Koblenz, im Interview zur aktuellen Handwerkspolitik

Karl-Heinz Scherhag, Präsident der Handwerkskammer Koblenz, im Interview zur aktuellen Handwerkspolitik

Am 29. November tagt mit der Vollversammlung das höchste Gremium des Handwerks im nördlichen Rheinland-Pfalz. Dann werden durch die 48 Mitglieder wichtige Entscheidungen für die handwerkspolitische Zukunft getroffen. Alle fünf Jahre findet eine konstituierende Vollversammlung statt, in deren Verlauf unter anderem der Präsident der Handwerkskammer gewählt wird. Im Gespräch geht Präsident Karl-Heinz Scherhag, der auch für die kommenden fünf Jahre kandidieren wird, auf wichtige aktuelle handwerkspolitische Eckpunkte ein.

Die handwerkspolitische Großwetterlage hat sich verändert, Stichwort Konjunkturlage oder Handwerksnovellierung. Wie bewerten Sie das?

Scherhag: Die Konjunkturlage hat sich in den vergangenen Jahren trotz vieler Versprechungen der Politik nicht verbessert. Leider sehe ich hier auch momentan keine Perspektive. Mit der Novellierung der Handwerksordnung hat man viel Verunsicherung geschaffen – beim Handwerk und den Kunden gleichermaßen. Die erdachte Entlastung am Arbeitsmarkt konnte nicht erreicht werden. Zusätzlich wurde mit den Ich-AG´s eine Wettbewerbsverzerrung zugelassen. Bei den politischen Entscheidungen müssen die Leistungen und Ansprüche des Handwerks wieder stärker berücksichtigt werden. Als Kammer kommt uns dabei eine wichtige Rolle zu, denn Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Interessensvertretung aller Handwerksbetriebe im nördlichen Landesteil.

Welchen wichtigen Aufgaben muss sich das Handwerk aktuell stellen?

Eine Frage, die ich auch als Unternehmer beantworten kann: Vom Handwerk wird eine starke Flexibilität gefordert, denn vieles ist im Umbruch, siehe das Rating-Verfahren nach Basel II. Wir sind mitten in einem wirtschaftlichen Strukturwandel. Dass die Insolvenzquote im Handwerk relativ gering ist, beweist, dass das Handwerk schnell auf solche Entwicklungen reagieren kann. Was mich dabei ärgert: Der Staat baut immer mehr Bürokratie auf. Ich will mich als selbstständiger Kfz-Mechanikermeister um die Autos meiner Kunden kümmern und nicht Formulare ausfüllen.

Was unternimmt die HwK, um die Unternehmen zu unterstützen?

Die Unterstützung ist sehr breit angelegt. Es gibt eine umfangreiche kostenlose Betriebsberatung auf vielen Ebenen, Hilfe bei der Existenzgründung oder Unternehmensübergabe, die Ausbildungsberatung, Aktionstage, Veranstaltungen, die aktuelle Themen aufgreifen, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus ist die Kammer auf der politischen Bühne sehr aktiv und das nicht nur in Rheinland-Pfalz. Hier nutzen wir die Zusammenarbeit über parteipolitische Grenzen hinweg und führen einen breiten Dialog, der dem einzelnen Unternehmen zugute kommt. Nicht zuletzt möchte ich erwähnen, dass wir den Antrag in die Vollversammlung einbringen werden, den Mitgliedsbeitrag in den kommenden zwei Jahren nicht zu erhöhen.

Thema Ausbildung: Wie wird sich die Situation weiterent- wickeln?

Die demografische Kurve weist langfristig nach unten, insofern wird sich die Ausbildungssituation entspannen, was aber nicht heißt, dass unsere Bemühungen für die Jugendlichen zurückgefahren werden. Ich sehe in der rückläufigen Zahl der Schulabgänger, die in den Arbeitsmarkt gehen, aber auch eine Chance für den gesamten Arbeitsmarkt, denn Arbeitslose haben so bessere Chancen auf Beschäftigung. Eine Perspektive nicht nur für den Einzelnen, sondern auch eine Entlastung der staatlichen Sozialkassen. Grundsätzlich ist das Handwerk wie kein anderer Wirtschaftsbereich der Verpflichtung zur Ausbildung Jugendlicher nachgekommen. Als Unternehmer mache ich deutlich, dass dies nicht nur einen betriebswirtschaftlichen Aspekt hat, sondern dass das Handwerk mit seinem hohen Ausbildungsengagement auch eine gesellschaftliche und soziale Verantwortung erfüllt.

Ausbildung und Handwerksbe- rufe entwickeln sich ständig weiter. Wie sieht der Hand- werker 2020 aus?

Handwerk wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in unserem Alltag spielen, dafür sind die individuellen Ansprüche jedes Einzelnen viel zu groß. Moderne Anlagen ersetzen den kreativen, gut geschulten Handwerker nicht. Der Trend zu individuellen Produkten „nicht von der Stange“ ist ja bereits heute deutlich sichtbar - eine klare Chance für das Handwerk auch in Zukunft. Die Technik wird sich weiterentwickeln und, wie in der Vergangenheit auch, parallel dazu das Handwerk. Berufsbezeichnungen dokumentieren Fähigkeiten, entscheidend ist aber die Ausführung. Hier ist das Handwerk mit seinem Ausbildungssystem vom Lehrling über den Gesellen bis zum Meister gut aufgestellt. Weiterbildung wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Auch hier bietet die Kammer ein breites Angebot, das jeder Betrieb nutzen kann.

Herr Scherhag, vielen Dank für das Gespräch.