„Noch sind Mädchen eher untypisch für unseren Beruf“, so Mike Wintermeyer, die bei Rudolf Kirchem das Schornsteinfegerhandwerk erlernt. |
„Noch bin ich eher untypisch“, sagt Meike Wintermeyer aus Neuwied und blickt auf ihre schwarze Arbeitskluft. „Die Leute schauen mir immer nach. Einmal weil wir Glück bringen sollen, aber auch, weil viele eben noch kein Mädchen in unserer Zunftkleidung gesehen haben.“ Meike ist Schornsteinfegerlehrling. Sie lernt ihr Handwerk bei Schornsteinfegermeister Rudolf Kirchem aus Andernach. Seit 2002 ist er selbstständig und für den Kehrbezirk Neuwied-Stadt zuständig. 2020 Gebäude zählen zu seinem Gebiet.
Schornsteinfeger ist für die 16-jährige Meike der absolute Traumberuf. „Ich wollte nie etwas anderes werden. Jeder Schornstein ist anders und jedes Dach etwas ganz Besonderes“, erzählt sie. Und genau das ist es eben, was für sie den Reiz und auch die Romantik des Berufes ausmacht.
„Auf dem Dach spüre ich so eine ganz bestimmte Freiheit, das Gefühl kann man schwer beschreiben. Man kommt mit Menschen zusammen, ist immer unterwegs. Ich wollte einen vielseitigen Beruf und nicht den Alltagstrott in der feinen Bluse“, lacht sie. In ihrer Arbeitskleidung fühlt sich die leidenschaftliche Westernreiterin durchaus wohl. Sie ist außerdem nicht der erste Schornsteinfeger in der Familie. Ihr älterer Bruder hat es ihr vorgemacht.
„Das Kaminkehren macht heute nur etwa ein Drittel der Arbeit aus. Abgasmessungen, so bei Gasheizungsanlagen, gehören ebenso dazu. Bei modernen Feuerstellen, die kaum noch Ruß produzieren, wird der freie Schornsteinquerschnitt kontrolliert. Bereits geringe Abweichungen vom Sollzustand können zu gefährlichen Funktionsstörungen der Feuerstätte führen. Bei der Planung von neuen Heizungsanlagen beraten wir die Kunden, um die Feuerung so energiesparend und umweltfreundlich wie möglich zu halten“, umreißt Rudolf Kirchem das Aufgabenspektrum. Das bedeutet nicht, dass Besen und Kehrleine überflüssig geworden sind, aber der Einsatz moderner, zum Teil elektronischer Prüfgeräte, hat Vorfahrt.
Für Meike heißt das, nicht nur die lange Leine, den Kehrbesen sowie die schwere Kugel zu handhaben, sondern auch beispielsweise mit dem Endoskop umzugehen. „Technisches Verständnis muss man in unserem Beruf schon haben“, so Kirchem. „Darüber hinaus erwarte ich vom zukünftigen Lehrling gute Noten in Mathematik, Physik und Chemie, natürlich muss man schwindelfrei sein, wenn es hoch hinaus geht.“
Steckbrief: Rudolf Kirchem, Andernach
Meisterbetrieb | 1 Geselle, 1 Lehrling | Tel.: 02632/810963
Wer freut sich nicht über eine Begegnung mit dem Schornsteinfeger und möchte ihn berühren. In vielen Teilen Norddeutschlands war es früher üblich, dass der Kaminkehrer in voller Berufskleidung und rußgeschwärzt am Neujahrstag von Haus zu Haus ging, um das Kehrgeld zu erheben, verbunden mit Neujahrswünschen für die Bewohner. Basierend auf diesem Brauch gilt der Schornsteinfeger bis heute als Glücksbringer.