Handwerk Special 97 vom 07.02.2004


Nach vier Jahren Insolvenz schwarze Zahlen am Horizont

Otto G. Goger übernahm alteingesessenen Metallbaubetrieb in Simmertal


Betriebsinhaber Otto G. Goger (M.) bespricht in der modernen Produktionshalle Aufträge mit seinem Meister Peter Bressan (l.) und Geselle Michael Stern.

Nach anspruchsvollen Aufgaben in größeren Industrie- und Dienstleistungsbetrieben wollte Otto G. Goger es wissen: „Heimatnah auf eigene Rechnung arbeiten“, war sein Ziel. Eine florierende Firma zu übernehmen, wäre ihm zu teuer, aber auch zu langweilig gewesen. Also suchte er nach einem „Unternehmen unter Wasser“ und wurde im März 2002 bei Roehn Metallbautechnik in Simmertal fündig.

Das alteingesessene Handwerksunternehmen hatte sich nach Managementfehlern bereits vier Jahre lang in Insolvenz befunden. Zulieferer hatten viel Geld und damit auch Vertrauen verloren. „Der Name war verbrannt, als ich den Betrieb kurz vor der endgültigen Schließung übernahm“, beschreibt der Diplom-Betriebswirt nüchtern die Lage. Und dennoch machte es für ihn Sinn das Alte weiterzuführen, statt etwas ganz Neues aufzubauen.

Investition in die Mitarbeiter

„Ich habe im Unternehmen bodenständige Mitarbeiter vorgefunden, die motiviert sind und mit denen ich langfristig planen kann“, beschreibt Otto G. Goger ein großes Plus von Roehn Metallbautechnik. Außerdem hatte der Gründer Albert Roehn seinerzeit Weitsicht bei der Standortwahl gezeigt: Die Fläche verfügt über Entwicklungspotenzial. Gogers erste Maßnahme: Investition in die Mitarbeiter durch Qualifizierungsprogramme - und die Sanierung der Sozialräume „als Zeichen der Wertschätzung den 20 Leuten gegenüber, die den Betrieb in den vergangenen Jahren am Laufen gehalten haben und deren Arbeits- und Ausbildungsplätze ich sichern konnte.“

Sein zweiter Schritt war die Suche nach Nischen und konkreten Projekten, die er mit der vorhandenen Firmensubstanz anpacken konnte, um sich schrittweise mit neuen Produkten und Serviceleistungen im Bereich von Brandschutztüren und -elementen zu profilieren - im Wechselspiel mit der entsprechenden Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter. Und tatsächlich gelang es Gogers Mannschaft, sich in den knapp zwei Jahren nach dem Neuanfang nicht nur einen Namen zu machen - Ausdruck dafür ist die inzwischen umfangreiche Referenzliste -, sondern auch schwarze Zahlen zu schreiben.

Heute verfügt Roehn Metallbautechnik über alle notwendigen Zertifizierungen, um alle Leis-tungen von der Fertigung über die Montage bis zur Wartung von Bau- und Anbauelementen anbieten zu können und sich mit Dienstleistungen im Projektmanagement weiter zu profilieren. Nach der ersten Bestandssicherung steht demnächst die Aufarbeitung der Unternehmens-Optik inklusive Ausbau der Homepage unter „www.roehn-mt.de“ an.

Unternehmer-Know-how gefragt

„Ich habe ein Super-Rating“, kommt Otto G. Goger auf den wichtigen Aspekt der Finanzierung seiner Betriebsübernahme zu sprechen. Seine gesamte Buchführung mit Steuern und Controlling hat er, der gelernte Betriebswirt, ausgelagert und in Profi-Hände gelegt. „Mit dem ersten Tag hat meine Bank komplette Transparenz erlebt, jeden Monat lege ich ihr eine Zwischenbilanz vor.“ Damit hat er nicht nur ein Frühwarnsystem installiert, sondern kann auch sehr schnell auf Schwachstellen reagieren. Und er bekommt schnelle Entscheidungen seiner Bank: „Wer seine Daten verzögert, verlängert damit auch die Entscheidungswege.“

Ohne den Meister in der Werkstatt ist das Metallbauunternehmen nicht zu führen, steht für Otto G. Goger außer Frage. Das kaufmännische Know-how aus der Meisterprüfung aber, das zum Führen eines gesunden Handwerksbetriebes unerlässlich ist, reicht für einen Sanierungsfall bei weitem nicht aus. „Ich habe nach meinem Studium unter Finanzprofis gearbeitet“, beschreibt der 43-jährige Existenzgründer seinen Werdegang.

Als Produktions- und später Werksleiter eines Automobilzulieferers mit 300 Mitarbeitern lernte der Winzersohn das Just-in-time-Geschäft kennen. Er arbeitete in Verwaltung und Betriebsorganisation - aber immer mit Bezug zu den technischen Zusammenhängen in der Produktion. Später sanierte er als Geschäftsführer für eine französische Bank ein Unternehmen für textile Mietdienste, das diese im Vogtland aufgekauft hatte. „Über acht Jahre jeden Tag spürbare Fortschritte“ erlebt zu haben, war vielleicht die stärkste Motivation, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen.

Seine beachtlichen Erfolge in Simmertal - besonders beim Erhalt und bei der langfristigen Sicherung der Arbeitsplätze - honorierte im vergangenen Herbst die Sparkasse Rhein-Nahe in Bad Kreuznach mit dem 1. Existenzgründerpreis.

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Wie Globetrotter auf „zünftiger Reise“

Sven Kohlschmidt aus Plauen (r.) und Rene Trippner aus Luckau im Spreewald sind Zimmerergesellen auf „zünftiger Reise“, wie die Walz heute heißt. Für sie gelten die alten Regeln: Wer auf Wanderschaft geht, darf nicht verheiratet und nicht älter als 30 Jahre alt sein. Er darf seiner Heimatstadt nicht näher als 50 Kilometer kommen und muss mindestens drei Jahre und einen Tag von ihr fern bleiben. Seine ganze Habe wird in ein 80x80 cm großes Tuch gerollt, den Charlottenburger.