Handwerk Special 97 vom 07.02.2004


Alle Hürden gemeinsam meistern

Gleichstellung Behinderter im Alltag

Wilfried Korte hat sich seinen Traum vom eigenen Betrieb trotz Behinderung erfüllt.

Wilfried Korte aus Reidenhausen bei Cochem-Zell ist Metallbauer (im Internet unter www.wilfried-korte.de). Er liebt diesen Beruf, obwohl er ihn im Moment nur begrenzt ausübt. Der Dreißigjährige ist glücklicher Vater der zweijährigen Zwillinge Max und Anna. Er fährt Auto und der Computer ist für ihn tägliches Arbeitswerkzeug. Und doch ist es für ihn weitaus schwieriger im Alltag zurechtzukommen. Wilfried Korte ist beidseitig oberschenkelamputiert. Ein schwerer Autounfall hat das Leben des damals 20 Jahre alten Metallbauergesellen verändert. „Nach der Nacht, in der der Unfall passierte, war alles anders“, sagt Korte. Er erwähnt am Rande, dass er zwei Wochen im Koma lag und nach dem Erwachen alles nur schwer begreifen konnte. „Du musst dein neues Leben annehmen, auch wenn es ein anderes ist“, hat er sich nach fast einem Jahr Krankenhausaufenthalt gesagt. Und er sagt es noch heute.

Schicksalsschlag

Die Liebe zu seinem Beruf blieb, auch wenn es zunächst aussichtslos schien, wieder handwerklich zu arbeiten. Auf die Berufsunfähigkeitsrente allein wollte er jedoch nicht angewiesen sein. So nahm er eine Stelle als Telefonist im Krankenhaus Zell an. Ausgleich fand er beim Gestalten und Bauen von Gebrauchsgegenständen aus Metall für den Eigenbedarf. Als Werkstatt diente die Garage am Haus. Der von ihm gebaute Zaun am Grundstück weckte schließlich das Interesse von Bewohnern des Ortes und brachte entsprechende Aufträge. „In diesem Moment wusste ich, dass ich doch wieder in meinem Beruf arbeiten kann“, erzählt er. Man spürt seine Freude über wiedergewonnene innere Kraft.

Zukunft ist das Handwerk

Korte holte sich Rat bei der Betriebsberatung der Handwerkskammer Koblenz. Nach erfolgreich abgelegten Fertigkeitsprüfungen vor dem Meisterprüfungsausschuss im Metallbauerhandwerk erhielt er eine Ausnahmebewilligung für die selbstständige Tätigkeit. Jede freie Minute verbringt er in seiner Werkstatt, die er inzwischen vergrößert hat. Werkzeuge wurden gebraucht erworben und behindertengerecht installiert. „Not macht erfinderisch“, weiß er. Aufträge bekommt Korte in erster Linie durch Mund-zu- Mund-Propaganda. Er entwirft und baut Geländer, Terrassenüberdachungen und Spindeltreppen aus Stahl, Edelstahl und Aluminium. Er schmiedet kunstvolle Teile aus Eisen, Bronze und Kupfer, die als architektonische Elemente dienen. Bei der Montage packen die Kunden unter seiner Anleitung mit an. Noch ist Korte als Teilzeitkraft im Krankenhaus tätig. Seine Zukunft sieht er jedoch in der selbstständigen handwerklichen Arbeit.


Aus der Statistik

320.666 Schwerbeschädigte aller Altersstufen gab es per 31.12. 2001 in Rheinland-Pfalz. Nach letzten Angaben des Statistischen Landesamtes in Bad Ems wurden 1995 94.400 Rehabilitanten gezählt. Von ihnen stehen mehr als 55.000 im Erwerbsleben: 900 Selbstständige, 1.500 als Landwirte, 130 als Beamte, 17.000 als Angestellte, 35.000 als Arbeiter und 650 als Auszubildende. Diese Statistik wird jetzt nicht mehr erstellt.


Fachkundige Hilfe

Schwerbehinderte und psychisch Kranke können vom Diakonischen Werk fachkundige Hilfe bekommen. Der berufsbegleitende Dienst ist ein ambulanter Fachdienst für begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Trägerschaft des Diakonischen Werkes. Gearbeitet wird im Auftrag des Integrationsamtes des Landes in Mainz. „Behinderte stehen im Arbeitsleben oft Problemen gegenüber, die von ihnen selbst nicht zu bewältigen sind. In Einzelgesprächen und Beratungen, aber auch bei Hausbesuchen wird Hilfe gegeben, wenn sich der Betreute am Arbeitsplatz überfordert fühlt. Wir versuchen dann, zusammen mit dem Arbeitgeber eine Lösung zu finden“; erklärt Soziologe Jörg Röder von der Außenstelle Montabaur. Das Team ist zuständig für die Menschen, die im Westerwald- und im Rhein-Lahn-Kreis ihren Arbeitsplatz haben. Begleitet werden können Schwerbehinderte ab 50 Prozent Grad der Behinderung.


Hilfsmittel

Friedhelm Gerber, Leiter der Außenstelle des Integrationsamtes beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Koblenz, betont: „Behinderte sind voll leistungsfähig, wenn der Arbeitsplatz der Behinderung entspricht oder technische Hilfsmittel die Einsatzfähigkeit Behinderter verbessern.“ Gerber verweist beispielsweise auf einen Computer mit Sprachausgabe, den seine Dienststelle für einen blinden Arbeitnehmer bewilligte. „Finanzielle Quelle unserer Hilfe ist die Ausgleichsabgabe. Sie ist keine Steuer, sondern eine Abgabe der Arbeitgeber besonderer Art, die von dem Integrationsamt zweckgebunden verwaltet wird“, so Gerber.


Unterstützung durch die Agentur für Arbeit

Rund 400 Schwerbehinderte waren zum Jahreswechsel bei der Agentur für Arbeit in Koblenz arbeitslos gemeldet. Thomas Kolle, Berater für behinderte Menschen bei der Agentur für Arbeit in Koblenz, betont, dass Arbeitgeber zur Eingliederung von Arbeitnehmern mit Vermittlungshemmnissen Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten erhalten können, wenn deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Umstände erschwert ist. Für schwerbehinderte und sonstige behinderte Menschen kann die Förderungshöhe bis zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts für bis zu 24 Monate betragen. Bei besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen kann die Förderungsdauer auf bis zu 36 Monate, bei älteren Arbeitnehmern sogar auf bis zu 96 Monate verlängert werden. Die Förderungshöhe und -dauer wird in jedem Einzelfall von den Vermittlungsfachkräften der Agentur für Arbeit entsprechend der Leistungsminderung des künftigen Arbeitnehmers geprüft und festgelegt. Zudem können Arbeitgeber auch Zuschüsse für die Aus- und Weiterbildung schwerbehinderter Menschen erhalten. Diese Zuschüsse sollen 80 Prozent der monatlichen Ausbildungsvergütung nicht übersteigen. Weitere Informationen gibt es bei der Agentur für Arbeit Koblenz unter Tel.: 0261/405-350.