Handwerk Special 66 vom 27.01.1999


Schwarze Glücksboten

Schornsteinfeger bringen Glück, weil sie unruhige Geister sind

Schornsteinfeger Mohr

Schornsteinfeger bringen Glück, heißt es. Ob der technische Fortschritt diesen eigentlich wunderbaren Aberglauben außer Kraft gesetzt hat - so die Frage an Bezirksschornsteinfeger Klaus Mohr aus Diez.

Sein Unternehmen ist klein. Es besteht aus ihm, seiner Frau, die für die Buchführung zuständig ist, dem Mitarbeiter Peter und der neunzehn Jahre jungen Silvia, die seit anderthalb Jahren bei Klaus Mohr in der Lehre ist. Die gesamte Belegschaft paßt in ein gemütliches, warmes Eßzimmer, wo dicke orangenfarbene Ordner ausgebreitet sind. Das Unternehmen hat sich auf die bevorstehende Zwischenprüfung von Silvia eingestellt.

Klaus Mohr ist seit 1985 Bezirksschornsteinfeger und hat einen guten Überblick auf die Wandlung in dem Beruf. Zusammen mit den Veränderungen der Heizungsmöglichkeiten werden die Kontroll- und Wartungsaufgaben komplizierter und umfangreicher.

Auf eine nüchterne Weise ist dieses Regelwerk in einem der großen Ordner enthalten, wo es um die Kehrgebühren geht, die ein Schornsteinfeger für verschiedene Leistungen erhebt.

Diese haben sich zu einer großen, mehrseitige Liste angesammelt. Da wird erst einmal nach dem Typ des Hauses unterschieden, dann nach der Anzahl der Stockwerke, dann nach der Art der Beheizung, nach der Bauart und dem Baumaterial des Schornsteins, nach der Anzahl der Anschlüsse an den Schornstein und vieles noch. Dazu gehören eine Vielzahl an Meßgeräten, aber auch Kenntnisse, die immer auf den neuesten Stand gebracht werden müssen.

Aber ein Schornsteinfeger sieht noch immer wie ein glückbringender Schornsteinfeger aus den Märchen aus – mit schwarzer Arbeitskleidung mit großen, goldenen Knöpfen und Stehkragen und einem Stoßbesen auf der Schulter mit einer runden schwarzen Bürste.

Ihren Einsatzort auf den Dächern bekommen die Schornsteinfeger von der Kreisverwaltung zugewiesen. Sie sind zuständig für die Kehrarbeiten im Bezirk, für die regelmäßige Überprüfung der Schornsteine und für die Begutachtung neu gebauter Abzüge.

Klaus Mohr hat sich vor zwanzig Jahren für diesen Beruf entschieden, weil er ein unruhiger Geist ist, der nie stillhalten kann. Er wollte etwas, wo ihm keiner jeden den Tagesablauf bestimmt, wo er seine Aufgaben hat und sie mit seiner Mannschaft selbst aufteilen kann. Und er wollte im Freien arbeiten. Vielleicht braucht er auch einen Blick auf das Leben von oben, vom Dach?

Trotz großer technischer Neuerungen verbringt ein Schornsteinfeger in kleineren ländlichen Bezirken immer noch die Hälfte von seiner Arbeitszeit auf dem Dach. In den Großstädten – vielleicht nur noch ein Viertel. Neben den kleinen Meßgeräten ist auch das typische Zubehör aus früheren Zeiten erhalten – das Kehrgerät, der Rußsack, das Schultereisen leben in Frieden mit dem Endoskop, zusammen. Und die schmutzigen Hände, die sind auch geblieben.

Silvia findet ihre Entscheidung für diese Lehre nicht besonders spannend. Natürlich hat sie zuerst, als bei der Ausbildungsberatung die Schornsteinfegerlehre angeboten wurde, diesen Beruf belächelt. Dann hat sie bei einem Nachbarn ein Praktikum gemacht und sich dafür entscheiden. Zu Klaus Mohr kam sie danach, weil er auf das vorhergegangene Praktikum Wert legte. Künftige Schornsteinfeger müssen gern auf das Dach steigen wollen. Silvia ist nicht die einzige Frau in ihrem Beruf. Eine etwas ältere Kollegin von ihr bekommt demnächst einen eigenen Bezirk.

Silvia fühlt sich bei Klaus Mohr gut. Sie geht auch gern zur Schule, denn beide – der Meister und der Lehrling – sind sich einig, daß kein Bezirk dem anderen gleicht. Doch Silvia sollte alles lernen, nicht nur die Möglichkeiten im Bezirk von Meister Mohr.

Klaus Mohr spricht auch die Zukunft von Silvia an. Die Bezirke sind nur eine bestimmte, begrenzte Anzahl. Daher sind die Arbeitsmöglichkeiten für junge Schornsteinfeger, die aus der Lehre kommen, begrenzt. Dennoch hat Meister Mohr schon eine Variante im Kopf und hofft, daß er Silvia helfen kann, wenn sie ausgelernt hat.

Wir steigen auf das Dach. Silvia und Peter zeigen mir professionell wie man einen Schornstein reinigt . Sivia ist bildschön. Blaue Augen, ein harmonisch proportioniertes Gesicht, schwarz- glänzende Haare, die zusammen mit der schwarzen Arbeitskleidung ein strahlend weißes, junges Gesicht umrahmen. Dahinter sieht man die leicht mit Schnee bedeckten Dächer von Diez.

Es ist, als hätte Wolfgang Joop ein Model auf dem Hintergrund dieses Motivs photographieren wollen.