Handwerk Special 66 vom 27.01.1999


Johann Sebastian Bach erklingt im Reich der Mitte

Hoher Besuch aus Peking bei Orgelbau Gebr. Oberlinger

Delegation in Windesheim
Begrüßung der Delegation von China National Radio (CNR) durch die beiden Orgelbaumeister Wolfgang (r.) und Helmut (3.v.r.) Oberlinger in der Orgelbauwerkstatt in Windesheim/Hunsrück.
Ortstermin Vallendar

Ortstermin in der Stadtkirche von Vallendar/Rhein: Die Gäste aus China sehen und hören eine ihrer Konzertorgel vergleichbare Kirchenorgel - begleitet von einem ZDF-Fernsehteam.

China, das „Reich der Mitte" mit seiner Jahrtausende alten Kultur, entdeckt Europa mit seiner kulturellen Vielfalt. Äußerer Ausdruck dafür: China National Radio (CNR) hat bei der Orgelbauwerkstatt Gebr. Oberlinger in Windesheim eine 50-Register-Orgel in Auftrag gegeben, die ab Sommer 1999 im großen Sendesaal (1500 Plätze) erklingen wird.

„Eine eigene chinesische Orgelmusik gibt es bis heute nicht", weiß Orgelbaumeister und Dipl.-Betriebswirt Helmut Oberlinger zu berichten, der die Disposition für die drei Manuale und ein Pedal mitentwickelt hat. Deshalb wird das große Instrument eine klassische deutsche Orgel werden, mit einer Tendenz zur französischen Romantik: „Bach, Vidor oder zeitgenössische Meister lassen sich darauf optimal spielen." Eine Setzeranlage mit 640 Kombinationen unterstützt den Organisten dabei.

Einen ersten Eindruck von ihrer Neuerwerbung verschaffte sich kürzlich eine Delegation von CNR, die mit dem Kulturattaché der chinesischen Botschaft in Bonn in den Hunsrück reiste. Sichtlich beeindruckt standen sie vor dem 10 m hohen und 14 m breiten Rohbau des Orgelprospekts. Wolfgang Oberlinger, Orgelbaumeister und Architekt, nahm ihnen die Zweifel, ob diese Abmessungen im Pekinger Sendesaal überhaupt unterzubringen sind: „Auch bei Orgelneubauten für Kirchen und Säle hier stellen die Auftraggeber regelmäßig die Frage, ob wir uns da nicht verrechnet haben."

Überaus interessiert folgen die Gäste den Erläuterungen in den einzelnen Werkstätten. Nach dem Gehäusebau lernen sie die Pfeifengießerei kennen, erleben die 'Hochzeit', das Zusammenlöten von Pfeifenfuß und –körper in der Pfeifenwerkstatt, blicken in die Schreinerei, in der Spieltisch, Windladen und die mechanische Spiel- und Registertraktur entstehen, hören dem Intonateur zu, wenn er die Grundstimmung und die Klangfarbe für die etwa 4000 Pfeifen von 6 mm bis 5 m festlegt, sprechen mit den Werkstattmeistern, gedolmetscht vom Leiter des rheinland-pfälzischen Verbindungsbüros Far Eastern Limited, Ludwigshafen.

Zur Zeit arbeiten 50 Handwerker an dem Großauftrag für 1,5 Millionen Mark. Bis Februar soll das Orgelwerk vollendet sein. Es wird dann zerlegt in Container verladen und per Schiff nach Fernost gebracht. In China fügen die Oberlinger-Experten die einzelnen Bauteile wieder zur „Königin der Instrumente" zusammen, die vom Titularorganisten von Notre Dame in Paris, Olivier Latry, eingespielt werden wird.

Bis dahin sollte die chinesische Delegation einen klanglichen Vorgeschmack auf ihr neues Instrument bekommen. Man machte sich auf den Weg nach Vallendar/Rhein, wo Oberlinger 1998 eine vergleichbare Orgel – natürlich ist jedes Instrument einmalig, weil auf den jeweiligen Raum individuell abgestimmt - für die Stadtkirche fertigstellte.

Die Orgeln von Gebr. Oberlinger verstehen sich in der Tradition des mittelrheinischen Orgelbaus, der sehr stark von der Familie Stumm aus dem Hunsrück geprägt wurde – der Großvater des Unternehmensgründers Oberlinger hatte um 1780 bei Stumm sein Handwerk gelernt. Heute operiert der 65-Mann-Betrieb international: Neubauten für die Hyechon-Universität in Südkorea (44 Register) und die St.-Petri-Kirche in Riga/Lettland (77 Register) sind fest gebucht, Restaurierungen in Ecuador und Uruguay kürzlich vollendet.

Klavierbauer

Beim „Abziehen" der Hammerköpfe entfernt der Klavierbauer Rillen, die sich in den Filz eingeprägt haben, der Ton erklingt wieder klar.

Zum guten Ton ...
... auf der MESSE AM RHEIN: Handwerksmesse Koblenz gehört immer auch das Engagement der Musikinstrumentenmacher-Innung Mittelrhein. Sie präsentiert sich mit einer Lebenden Werkstatt, an der sich Geigen- und Gitarrenbauer, Holzblasinstrumentenmacher und Klavierbauer beteiligen.

Und das wird geboten:
Unterschiedliche Musikinstrumente für Profis und Laien, darunter die B-Wagner-Tuba, die der gebürtige Engländer Christopher Cornford, Mainz, im November 1998 als Meisterstück einreichte, und sein Gesellenstück, eine C-Baß-Trompete, mit der er seinerzeit Bundessieger wurde.
Die Fachleute aus dem Handwerk stehen Rede und Antwort zu allen Fragen rund um den Musikinstrumentenbau, sie informieren und beraten. Sie zeigen vor den Augen der Besucher einiges zur Entstehung der Klangkörper aus dem Handwerk.

Informationen zur Handwerksmesse Koblenz,
Tel.: 0261/398-130, Fax: -997, E-Mail: messe@hwk-koblenz.de